Antibiotika in der Landwirtschaft – eine Einordnung

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Die Tage entstand bei Lars im Fischblog eine interessante Diskussion, angestoßen von Maulwurf, der auch schon hier bei mir für viele interessante und anregende Kommentare gesorgt hat. Grundlage der Diskussion war die Verwendung von Antibiotika in der Mast. Dabei ging so einiges drunter und drüber. Maulwurf merkte an, dass diese seit 2006 EU-weit verboten seien. Allerdings dauerte es nicht lange bis die ersten Artikel per Google gesucht wurden, die das Gegenteil belegen sollten. Es würden auch heute noch Antibiotika verwendet, so die Meinung. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, mal einen kleinen Artikel zu diesem Thema zu schreiben. Here we go…

Nun, Maulwurf hatte recht. Die Verwendung von Antibiotika in der Mast ist tatsächlich seit 2006 in der EU verboten. Zuvor wurden sie bereits 1988 in Schweden verboten, während in Dänemark seit 1998 bei Mastschweinen und seit 2000 bei Ferkeln freiwillig auf die Gabe von Antibiotika verzichtet wurde. Bis dahin stellten sie einen durchaus etablierten Teil der Futtermittelzusatzzstoffe dar. Besondern "gut" wirkten sie bei jungen Mastschweinen und ebensolchen Rindern, minimierten sie doch die Menge des aufgewendeten Futters pro zugenommenem Gewicht. Das wiederum schonte die Umwelt durch verringerte Gas- und Kotausscheidungen der Tiere. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Antibiotika ihre leistungsfördernde Wirkung besonders effektiv unter schlechten Haltungsbedingungen entfalten konnten, womit nicht ausreichende Licht-, schlechte Klima-Verhältnisse und Hygienemängel gemeint sind. Mit zunehmendem Alter nahm der Effekt allerdings ab, bis er in der Schlussphase der Mast teilweise gar nicht mehr zu erkennen war. Die Abschaffung der Fütterungsantibiotika  geschah letztlich aus zwei Gründen: einerseits ist einigen Fachleuten mit der Zeit aufgegangen, dass damit nur die genannten Haltungsprobleme – typischerweise als Managementfehler bezeichnet – kompensiert wurden, andererseits bestand die berechtigte Sorge, dass sich durch den starken Einsatz von Antibiotika verstärkt resistente Bakterienstämme bilden können. 

Interessanterweise ist es nicht vollständig bekannt, worin genau der durchschlagende Effekt der Antibiotika in den Futtermitteln bestand bzw. besteht. Vermutet wird hier, dass sich die Wirkung bei Wiederkäuern vor allem im Magen-Darm-Trakt entfaltet, während das bei Nicht-Wiederkäuern im Dünndarm der Fall ist. Unstrittig ist allerdings, dass A. den Bakterienhaushalt im Körper beeinflussen. So werden ebensolche Populationen, die den Verdauungstrakt beeinflussen, möglichst klein gehalten, was dann möglichst vielen Nährstoffen ermöglicht, über die Mukosa (Schleimhaut) der Darmwände zu resorbieren – und eben nicht von Bakterien aufgenommen zu werden. Außerdem kann so verhindert werden, dass der Organismus durch Ausscheidungen der Bakterien "belastet" wird und sich somit voll und ganz auf die Gewichtszunahme konzentrieren kann. 

Dass Antibiotika in der Mast jetzt EU-weit verboten sind, bedeutet natürlich nicht, dass sie nicht trotzdem noch (berechtigt) verwendet werden. Wie geht das zusammen? Das Verbot bezieht sich lediglich auf die Verwendung von Antibiotika als Leistungsförderer, während sie natürlich weiterhin zum Einsatz kommen, um den Tierbestand gesund zu halten. Eine Beschreibung dessen, wie das im Alltag aussieht und vor allem, was das für uns Verbraucher bedeutet, habe ich in einem Beitrag einer Farmerin gefunden, in dem sie einige Argumente einer Kritikern aufgreift und Hintergründe erläutert. Lesenswert!

 

Now I should disclose, I grew up raising cattle and learned to give injections at an early age so we could take better care of the cattle. My family raises cattle today, too. And it was always my impression that the antibiotics we gave were good things; they made sick animals healthier. But I wanted to be sure, so I spoke with large animal veterinarian Shawn McKim. He says that while cattle and hogs may receive an antibiotic injection during their lifetime, each product has a specific withdrawal time to ensure no residue is left behind at harvest. Or in other words, if you give an antibiotic, you have to wait a certain number of days before slaughtering the animal and moving it into the food supply. This is true; we do this on our farm.

Further, McKim adds, "There are no real levels of antibiotics in our meat. If by some chance there were infinitesimal levels of antibiotics in your hamburger, it would be such a low level that it would not alter the microflora in your gut at all."

Ein anderer wichtiger Punkt, der in diesem wirklich schönen Brief angesprochen wird, ist die Verwendung der Antibiotiaka nur dann, wenn die Tiere auch krank sind, also keine regelmäßige Verabreichung, die sich sogar als kontraproduktiv herausgestellt hat.

Kleiner Ausblick, wie es weitergeht

Dunkle Ställe, in denen die Tiere unter schlechten klimatischen Bedingungen gehalten werden und mit Hygieneproblemen zu kämpfen haben, gehören ebenso wie Antibiotika zur Leistungssteigerung in der modernen Landwirtschaft der Vergangenheit an. Aber das bedeutet natürlich nicht, das alles super ist. Auch heute lebt manche Milchkuh noch in Anbinde-Haltung statt – wie ihre  Artgenossen – es sich aussuchen zu können, ob sie lieber draußen das Wetter genießt oder gerade deshalb lieber im Stall bleibt (David Harnasch schlug mir für diese Art der Haltung die Formulierung der "bovinen Selbstverantwortung" vor. Finde ich gut!). Die positiven Effekte der Fütterungsantibiotika werden jetzt durch andere Stoffe sichergestellt, denen ich gerne einen eigenen Beitrag widme, wenn es gewünscht ist. Insgesamt sieht die Zukunft also ziemlich gut aus – weder rosig noch perfekt, aber deutlich besser als die Vergangenheit.

 


Wer sich einfach mal ohne mich ziemlich umfassend über Zusätze in Futtermitteln beschäftigen möchte, kann das gerne mit dieser Arbeit tun (PDF). Den Artikel der in meinem Beitrag zitierten Farmersfrau kann man hier nachlesen. Eine weitere Quelle war das Buch Futtermittelzusatzstoffe – Technologie und Anwendung, Seite 27-31.

 

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

7 Kommentare

  1. Geflügel

    Schön dass das Thema hier nochmal aufgegriffen wird, die Diskussion im Fischblog war ja eher off-topic.
    Die von mir ergoogleten Artikel (hier nochmal: http://www.rp-online.de/…stiegen_aid_922366.html) bezogen sich auf Geflügel. Hier wird eine Zunahme der Anzahl an Antibiotikabehandlungen von im Schnitt 1,7 auf 2,3 innerhalb der letzen 10 Jahre genannt. Da das Verbot seit 2006 gilt schließe ich daraus, dass es nicht viel gebracht hat, außer dass jetzt eben gesundheitliche Gründe vorgeschoben werden müssen.

  2. Hallo Jens,

    mit Geflügel stehe ich ja immer etwas auf Kriegsfuß, wenn ich ehrlich bin. Allerdings würde ich nicht sagen, dass hier etwas vorgeschoben wird. Stell Dir mal vor, zu den Antibiotika bei Krankheiten kämen noch die in den Futtermitteln…

    Außerdem leben zB. Hühner gerade mal um die 37-40 Tage bis zur Schlachtung. Da haben die Tiere gar keine Zeit, ein eigenes Immunsystem aufzubauen. Hier gibt es aber sicherlich noch Verbesserungsbedarf im Management.

  3. “Die positiven Effekte der Fütterungsantibiotika werden jetzt durch andere Stoffe sichergestellt, denen ich gerne einen eigenen Beitrag widme, wenn es gewünscht ist.”

    Sehr interessantes Thema. Ich würde mich sehr über einen weiteren Beitrag dazu freuen.

  4. @ Jens

    Diese Untersuchung bzgl. des Antibiotika-Verbrauch ist umstritten (wurde im Zuge der äußerst miserablen “Themenwoche Essen” der ARD erstmals genannt).
    Die Untersuchung hat wegen der niedrigen Anzahl an Stichproben eigentlich keine Aussagekraft. So wurden für die Auswertung 15 Betriebe mit 101 Durchgängen (d.h. 6.7 mal pro Jahr wurden Küken eingestallt) ausgewertet. In Deutschland gibt es aber ca. 1500 Hähnchenmäster mit durchschnittlich 7.5 Durchgängen (die geringere Anzahl der Testbetriebe könnte ein Hinweis auf ein schlechtes Tiergesundheitsmangment sein). Auch die geringe Anazahl der Stichproben zeugt nicht gerade von einer ordentlichen Studie (und dies wäre in NdS ohne weites möglich gewesen da es allein dort ca. 750 Mastbetriebe gibt.)
    Im verlinkten Artikel wurde auch nicht erwähnt das vor zehn Jahren war Antibiotika Standard im Geflügelfutter. D.h. die Tiere haben jeden Tag (38 bis 40 Tage) Antibiotika bekommen und zusätzlich nochmals 1.7 mal eine anderes Antibiotika (Futter). Durch das Verbot als Masthilfsstoff wird trotz des Anstiegs auf 2.3 Behandlungen effektiv weniger Antibiotika verabreicht als zuvor. Die Gabe von Antibiotika muss übrigens der Tierarzt verordnen und darf nicht einfach so gegeben werden.
    Ziel muss es jedoch sein das immer weniger Antibiotika eingesetzt wird und dies erreicht man jedoch nur dadurch dass die Stallungen immer stärker von Krankheitsquellen abgeschirmt werden. Deshalb darf man heute auch nicht mehr so ohne weiteres einen Stall besichtigen denn der Mensch ist ein sehr guter Überträger von Krankheiten (sogar die Bauern wechseln vor betreten der Stallungen ihre Klamotten). Eine weiter Lösung ist das System Wiesenhof wo alles kontrolliert wird, sogar jedes Mal der Salmonellenbefall in den Ställen.
    Doch dieses System hat auch Nachteile. Romantischer Bauernhof gibt es da nicht mehr. Da sind die Einstallungs- und Ausstallungstermine schon Monate vorher festgelegt.

  5. @ Sören

    Hallo Sören,
    sehr guter Artikel, vorallem da ich so nett erwähnt wurde 😉

    Würde mich auch über einen weitern Artikel freuen

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