Etiketten – Zwischen Information und Konfusion

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Transparenz ist bei Lebensmitteln momentan schwer angesagt. Der Kunde soll wissen, was er kauft. Neben der möglichen Zurückverfolgung von Fleisch, Käse und anderer Nahrung haben auch Symbole Konkunktur, die den Kunden auf etwas bestimmtes hinweisen sollen. Spontan fällt mir ein grünes Zeichen ein, das vor einigen Wochen durch die Medien geisterte. Mit diesem Etikett sollten solche Produkte gekennzeichnet werden, die ohne Gentechnik produziert wurden und auch nichts davon enthalten. Auch in Kommentaren unter Blogartikeln taucht immer wieder der Wunsch einer besseren Information auf. Dabei sind Etiketten an sich erstmal nichts Schlechtes, sie aber als Informationsquelle anzusehen und zu nutzen, das finde ich einigermaßen problematisch – auch im Hinblick auf Gentechnik. Warum das so ist, das werde ich im folgenden Artikel kurz beschreiben.

Chymosin ist der Hauptwirkstoff des Labferments, einer Substanz, die man in den Mägen noch säugender Kälber findet. Das Chymosin ermöglicht den Kälbern die Verwertung der Milch. Allerdings profitieren nicht nur die Kälber davon, sondern auch wir, die Menschen, wenn wir Käse essen. Das Enzym ist nämlich für die Spaltung des Caseins zuständig, was zu einer Verdickung der Milch führt, in dem das Casein verklumpt und sich von der wässrigen Molke trennt. Danach beginnt der Reifeprozess der werdenden Käses.

Die Gentechnik-Variante der Chymosin-Gewinnung sieht jetzt so aus, dass lediglich das Gen für Chymosin – und nicht der ganze Magen eines Kalbes – benötigt wird. Dieses wird dann auf Produktionsorganismen wie Hefen oder Schimmelpilze übertragen, die sich dann – schön kultiviert – fleißig an die Arbeit machen, was soviel heißt wie: sie vermehren sich.

Das, was ich hier kurz erklärt habe, passt aber auf kein Etikett, Symbol oder Was-auch-immer. Das bedeutet, dass die Menschen im Supermarkt weiterhin fröhlich Käse kaufen und essen, obwohl sie Gentechnik vielleicht sogar ablehnen würden. Ob sich die Ablehnung nun auf Gentechnik in der Nahrung oder auf Produktionsschritte bezieht, lasse ich jetzt mal außen vor. Sicherlich gäbe es aber allerhand Konfusion unter Verbrauchern, würde der eine oder andere Käse plötzlich mit einem Etikett versehen, das ihn kurz und knapp als "gentechnisch" ausweisen würde, auch wenn er nichts dergleichen enthielte.

Momentan ist eine derartige Kennzeichnung auch nicht vorgeschrieben – zum Glück.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

17 Kommentare

  1. Da aus Kälbermägen nur eine geringe Menge Chymosin gewonnen wird, die Nachfrage nach Käse aber ständig steigt, kann der Bedarf nicht mehr mit traditionellem Kälberlab gedeckt werden. Es sind verschiedene Labaustauschstoffe auf dem Markt. Am Biomarkt gab es einmal Käse der mit “Labkraut”, also einem Pflanzen-Enzym, erzeugt wurde und etwas herb schmeckte. Die “Gentechnik-Variante”, also die Verwendung von “gentechnisch hergestelltem” Chymosin, dürfte sicher immer mehr Verwendung finden. Allerdings ist, soweit ich das beurteilen kann, dieser “Labaustauschstoff” unbedenklich und der überwiegende Teil des eingesetzten Chymosins geht sowieso in die Molke über. Im Käse ist also kaum mehr etwas zu finden.

    Von Befürwortern der Gentechnik werden solche harmlosen Beispiele auch gerne als Argument verwendet. Man sollte aber nicht vergessen, dass es auch andere Realitäten gibt. Um die Gentechnik voranzubringen müssen z.B. immer mehr Tiere leiden. Allein 2007 wurden im Tierversuch 498269 gentechnisch verändert Mäuse “verwendet”.
    http://www.naturepower.ch/gbrief306.html

  2. Da hast Du recht

    Liebe Mona,

    Du hast mit dem, was Du geschrieben hast, recht. Hast Dich da wohl schon mal ein wenig informiert, was mir gut gefällt. Allerdings tun das eben nicht alle Menschen, die Derartiges wie Käse und Gentechnik nie in Verbindung bringen würden.
    Dass es mit den Labaustauschstoffen geschmackliche Probleme gab, stimmt auch. Deshalb greift man verstärkt auf gentechnisch hergestelltes Chymosin zurück.
    Ich will dabei gar nicht unbedingt die Gentechnik befürworten, sondern tatsächlich “nur” versuchen, andere Elemente einzubringen, da das Thema Gentechnik eigentlich nur mit Monsanto und diesem verfluchten Mais in einem Atemzug genannt wird.

  3. Ein gutes Beispiel für m.E. nicht kennzeichnungspflichtige Gentechnik. Wär mal witzig Leute im Supermarkt zu fragen, ob für ihren Käse lieber Kälber geschlachtet, oder Bakterien gen-manipuliert werden sollen ;-D

    Ich persönlich wünsche mir eigentlich nur Kennzeichnung von pflanzlichen und tierischen Hauptbestandteilen eines Nahrungsmittels, deren Ursprungsorganismen durch Gentechnik verändert wurden. Bspw. auch Fleisch von geklonten Tieren. Nicht weil ich es für giftig halte, sondern Klonen m.E. Tierquälerei ist (http://lifescientology.wordpress.com/…onfleisch/).

    Ein dafür nötiges Etikettensystem ließe sich doch sicher mit der Lebensmittelampel (http://foodwatch.de/…tmach_aktion/index_ger.html) kombinieren. In einer neutralen Farbe 😉

  4. @ LifeScientology

    Ok, bist ja schon mal studientechnisch gut unterwegs^^

    Die Lebensmittelampel, die Du erwähnst, ist aber wieder ein ganz anderes Thema. Ernährungswissenschaften können einen mitunter ziemlich kirre machen. Da liegen eine ganze Reihe von Erkentnissen noch im Verborgenen, weshalb ich von dieser Ampel nicht viel halte. Natürlich wäre die simple Frage “Kälber oder Baktieren” eine ziemlicher Augenöffner und dürfte einigermaßen leicht Anhänger finden, die simple Reduzierung auf Gentechnik würde aber nur Angst schüren.

  5. sinnlose Angst

    Es macht keinen Sinn, das Thema ´Gentechnik´ sinnlos mit Angst zu belegen.
    Gegen gentechnisch veränderte Produkte/Lebewesen ist prinzipiell nichts zu sagen. Allerdings muss man sie dann auch wirklich umfassend und gut untersuchen, ob irgendwelchen negativen Auswirkungen davon ausgehen! Und bei manchen Produkten muss man sich dann fragen, ob man sie wirklich braucht.
    Z.B. Spritzmittel: Hier hat man durch den Zusatz oberflächenaktiver Substanzen (*) erreicht, dass die Menge deutlich reduziert werden kann ( *)dadurch verläuft ein Spritzmitteltropfen bei Berührung großflächig auf der Pflanze und bleibt dort – statt wie ein Regentropfen abzuprallen)

    Denken wir zurück an die BSE-Krise: Insulin wurde früher aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern/Schweinen hergestellt – und Hoechst bekam erst nach jahrelangem Tauziehen die Erlaubnis, es gentechnisch herzustellen. Hätte man diese gentechnisch hergestellte Variante nicht gehabt, so hätte es bei der BSE-Krise sicherlich eine große psychische Belastung für Diabetiker gegeben (ist Insulin mit BSE belastet?).

  6. Sehr richtiger Zusatz

    Danke KRichard für diesen wichtigen Einwurf mit den Pestiziden.

    Was das Insulin aus Tieren angeht, hätte die BSE-Krise sicherlich nicht nur eine psychische Krise hervorgerufen. So weit ich weiß, hatte man damals das Gehirn als besonders gefährlich ausgemacht. Aber da wars ja ähnlich chaotisch wie jetzt bei der Schweinegrippe. Müsst ich mich auch nochmal schlau machen…

  7. Spreiter

    Ich hab mal per Google gesucht: Zusatzstoffe, welche Spritzmittel großflächiger verteilen und so die Wirkung erhöhen heißen ´Spreiter´. Dadurch kann man die Einsatzmenge von Giften deutlich verringern.

  8. Pestizide

    Oh, ein Leser, der mitarbeitet – so muss das sein^^

    Ehrlich gesagt ist das Thema Pestizide recht großflächig, mal sehen, ob ich das einigermaßen recherchieren kann. Dann mach ich auch mal einen Artikel zum Thema.

  9. Gentechnik – nein Danke

    so einfach geht es nicht,
    nicht wie bei Atomkraft, die man einfach ablehnen kann, da diese nur ein Produkt hat, nämlich Atommüll;

    denn Gentechnik sind viele Produkte, die man alle einzeln diskutieren muss,
    das sieht man schön und richtig an der hier geführten Diskussion, die sich schon an einem Beispiel verzettelt.

    Dieses Antigentechnik erinnert mich an die 70er Jahre, als Chemie grundsätzlich schlecht war, bis die Leute langsam darauf kamen,
    dass z.B. Waschmittel (weisser gieng es damals nicht) ja auch Chemie ist.

    anderes Thema : “kann man Leben patentieren?” : meines Erachtens verliert man mit dieser Diskussion das größere juristisch-ethische Problem aus den Augen,
    was die Agrokonzerne mit ihren Patenten auf Gentechnik Produkte machen.

  10. Lieber Herr Minde,

    “denn Gentechnik sind viele Produkte, die man alle einzeln diskutieren muss”

    Sehr richtig!

    “das sieht man schön und richtig an der hier geführten Diskussion, die sich schon an einem Beispiel verzettelt.”

    Wieso verzettelt? Dennoch verbuche ich ihren Kommentar einfach mal als positiv^^

  11. Hi,
    ich arbeite in einem kleinen Bioladen mit Käsetheke und habe auch selber schon Käse hergestellt. Darum liegt es mir am Herzen, ein paar Dinge vielleicht etwas klarer zu machen.

    Man muss da nämlich noch einmal unterscheiden. Es gibt sogenanntes “mikrobielles Lab”, das aus Hefepilzen oder Schimmelpilzkulturen gewonnen wird. Das ist zwar ein technisierter Vorgang, der im Labor vonstatten geht und industriealisiert ist, hat aber erstmal nix mit Gentechnik zu tun. Dieses mikrobielle Lab kommt heute in den meisten konventionell hergestellten und auch in sehr vielen Bio-Käsen verwendet. Es gibt Bio-Käsereien, die ganz ausdrücklich nur mikrobielles Lab verwenden, um ihren Käse auch für Vegetarier attraktiv zu machen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass bei der Milcherzeugung, selbst in ökologisch arbeitenden Kleinbetrieben, immer Kälber anfallen, die geschlachtet werden müssen. Milcherzeugung und Fleicherzeugung sind da untrennbar miteinander verknüpft, wenn man die männlichen Nachkommen nicht einfach töten und auf den Abfall werfen will. Darüber muss sich jeder Vegetarier klar sein, der Milchprodukte zu sich nimmt. Und wenn die Kälber sowieso geschlachtet werden, kann man auch das Lab aus ihren Mägen gewinnen, finde ich (das geht nämlich entgegen immer wieder umlaufender Behauptungen auch noch bei einem schon recht großen Kalb, das Schlachtgewicht erreicht hat und selbst schon lange keine Milch mehr trinkt).
    Gentechnisch hergestelltes Lab gibt es auch, kommt zunehmend in der konventionellen industriellen Käserei zum Einsatz, in Nordamerika z.B. gibt es soweit ich weiß keinen konventionellen Käse mehr ohne, aber bei uns ist das bisher noch eher die Ausnahme.
    Also, nicht jedes mikrobielle Lab ist gentechnisch hergestellt, es gibt Mikropilze, die auch von sich aus, ohne genetischen Eingriff, einen Chymosin-artigen Stoff erzeugen.
    Dann gibt es noch Pfanzenlab (danach forsche ich gerade, darum bin ich eigentlich auf diese Seite gerutscht). Ich kenne zur Zeit einen italienisch Bio-Käse (Pecorino Dele Balze Volterrane von Lischeto), der mit einem Lab aus Artischocken hergestellt wird. ansonsten wird Artischocken-Lab bei einigen traditionellen Käsereien in Portugal eingesetzt. Allerdings ist pflanzliches Lab deutlich unzuverlässiger und braucht länger für die Milchgerinnung, was der Grund sein dürfte, dass es in nur so wenigen kommerziellen Käsereien eingesetzt wird. Es ist aber bestimmt ein spannendes Experimentierfeld für die Käseherstellung zu Hause.

  12. Liebe Jutta,

    danke für Deinen sehr ausführlichen und aufschlussreichen Kommentar. Mir ging es bei dem Thema GMO-Chymosin auch eher um die Tatsache, dass es das gibt und somit dieser Gentechnik-Bereich komplexer und größer ist als man es bei Debatten um Gen-Mais und Baumwolle denken könnte.

    Außerdem tu ich mich mit dieser Transparenz etwas schwer, die meiner Meinung nach ohne Aufklärung keinerlei Sinn ergibt.

    Auf jeden Fall hast Du meinen Artikel mit diesem Kommentar sehr bereichert. Danke!

  13. Verbraucherschutz greift ein!

    Die große Koalition hatte sich im letzten Jahr ein Etikett zur Kennzeichnung von Produkten “ohne Gentechnik” geeinigt. Ist daraus denn nicht geworden? Das würde lange Erklärungen ja überflüssig machen.

  14. Etikett ungleich Transparenz

    Lieber Herr Wender,

    aus der Idee der Kennzeichnung ist tatsächlich ein Etikett hervorgegangen. Das ändert aber nichts an dem, was mich an der Gentechnik-Debatte stört. In diesem bereich der Wissenschaft geht es eben nicht nur um Genmais, -soja oder -baumwolle. Und genau das wollte ich mit meinem Artikel erreichen bzw. etwas in den Fokus rücken, wenn Sie so wollen.

    Was genau nun mit diesem Etikett versehen wird und was nicht, können Sie gerne nochmal hier nachlesen:

    http://www.transgen.de/…nzeichnung/280.doku.html

    Überflüssig macht dieses Etikett keine einzige Diskussion, denn – wie Sie dem verlinkten Artikel entnehmen können – heißt “ohne Gentechnik” nicht, dass zB. Tiere nie damit in Kontakt gekommen sind und auf das Käse-Beispiel bin ich ja oben eingegangen.

  15. Wörter sind wichtig

    Es wäre viel gewonnen, wenn die wesentlichen Unterschiede zwischen Gentechnik und Gentechnik auch sinnvoll benannt würden. Da auch die klassische Zucht [Pflanzen und Tiere] den Genpool der jeweiligen Arten mehr oder weniger gezielt verändert, wäre das ja wohl auch eine gentechnische Veränderung. wir hätten größere Schwierigkeiten, Malthus mathematische Projektion hinauszuzögern, gäbe es das nicht; wir hätten schon Schwierigkeiten Brot zu backen.

    Was viele Menschen beunruhigt sind die nach Frankenstein klingenden Vermischungen von Genen unterschiedlicher Arten, gar verschiedener höherer Taxa bis hin zu Reichen. Natürlich klingt es seltsam, dass irgendwelche Insektengene in Mais auftauchen oder Schimmelpilzgene in Rindviechern. Also transgene Techniken machen Angst.

    Erinnert mich daran, dass die meisten Menschen wenig Ekel aufbringen, wenn sie Industrieerdbeerjoghurt mit natürlichen Aromen futtern …

  16. Hallo Dierk,

    ich zitiere:
    “Was viele Menschen beunruhigt sind die nach Frankenstein klingenden Vermischungen von Genen unterschiedlicher Arten, gar verschiedener höherer Taxa bis hin zu Reichen. Natürlich klingt es seltsam, dass irgendwelche Insektengene in Mais auftauchen oder Schimmelpilzgene in Rindviechern. Also transgene Techniken machen Angst.”

    Völlig einverstanden, ich kann sogar verstehen, dass das einigen Menschen Angst macht. Da muss man dran bleiben bezüglich der Kommunikation. Leider flüchten sich viele Menschen auch in eine eigene Welt aus Gut und Böse, die weitgehend jenseits der Realität ist…

    Schade eigentlich.

  17. Was mich an der ganzen Debatte stört ist, dass man nicht vernünftig darüber informiert wird.
    Dieser Artikel ist nun schon 8 Jahre alt und noch immer ist Gentechnik nicht ausreichend diskutiert.
    Die wenigsten Menschen auf der Straße wisse über dieses Thema bescheid. Es gibt Argumente dafür und dagegen. Wir können aber nicht erwarten, dass sich jeder Mensch eigenständig darüber informiert und anschließend die Politik beeinflusst.

Schreibe einen Kommentar