Animal Welfare – die Zukunft der Landwirtschaft?

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Wie kann man denn diese Kühe essen? Die sind doch so süß. Welche Tiere süß sind und welche nicht, das hängt natürlich immer vom Betrachter ab. Manche finden auch Schlangen oder Echsen süß, die dann auch mal zur Begeisterung der Nachbarn und Unterhaltung der Feuerwehr einfach ausbüchsen. Sicher, Ferkel und Kälber sind sicherlich massen-konpatibler als eine Python, wenn es um den "Awww-Effekt" geht. Mag die Frage also vordergründig Sinn ergeben, hat sie doch einen logischen Knick.  Was das wiederum mit Animal Welfare zu tun hat, versuche ich in diesem für 2010 letzten Artikel darzulegen.

Ehrlich gesagt sehe ich das ähnlich. Ich finde Kühe und Schweine ebenfalls durchaus putzig und von kleinen Kälbern und Ferkeln fange ich erst gar nicht an. Allerdings ist den Beständen der verschiedenen Kuh-, Schweine- und anderen Tier-Rassen nicht geholfen, wenn sie keiner mehr essen bzw. ihre Milch verwenden würde. Diese Tiere sind eben nicht nur süüüüß, sondern schlicht Tiere, die nur deshalb so aussehen und so vielfältig sind, weil sie von Menschen über Jahrtausende domestiziert wurden. Der etwas pragmatische und nicht unbedingt schöne Ausdruck dafür lautet "Nutztier". Nur deshalb gibt es zum Beispiel bei Kühen spezielle Milch- und Fleischrassen und nicht einfach nur den Auerochsen, von dem die heutigen Tiere abstammen und der übrigens schon ausgestorben ist. Leider. Bestünde also theoretisch kein Bedarf mehr nach diesen Lebensmitteln, wären auch diese Rassen verschwunden und uns blieben nur noch Bildbände aus vergangenen Zeiten. Vielleicht gäbe es noch Tiere in Zoos oder Hobby-Halter, aber mehr wäre dann nicht mehr übrig. Der ungarischen Mangalitza-Schweinerasse wäre beinahe genau das passiert. Die Tiere wurden im Zuge der Hochleistungs-Landwirtschaft nicht mehr benötigt und folglich auch nicht mehr wirklich im großen Stil gezüchtet. Erst mit Aufkommen des Animal Welfare als Bestandteil der Landwirtschaft und daraus resultierenden neuen Ideen wie der "Draußenhaltung" erlebt diese Schweinerasse eine Art Renaissance, können diese flauschigen Schweine doch auch bei unschönen Wetterbedingungen draußen bleiben – im Gegensatz zu ihren Artgenossen der Hochleistungs-Rassen.

Animal Welfare in der Landwirtschaft

Um die Bedeutung und Rolle des Animal Welfare in der Landwirtschaft bzw. die Vor- und Nachteile verschiedener Haltungsmethoden zu erläutern, möchte ich noch ein wenig bei den Schweinen bleiben. Dabei beginnt alles mit der Frage, wann sich so ein Schwein denn wohlfühlt. Wirft man einen Blick auf die in unseren Wäldern lebenden Wildschweine, stellt man fest, dass diese in Rotten leben. Schweine sind also soziale Tiere. Ist eine Sau schwanger und stellt fest, dass die Geburt bevor steht, entfernt sie sich von der Gruppe und baut ein Nest, um dort ihre Jungen geschützt zur Welt zu bringen. In der Landwirtschaft mit ihren domestizierten Tieren sieht das dann meist etwas anders aus. Sauen werden einzeln gehalten, können sich nur bedingt bewegen und auch der Kontakt zu Artgenossen ist nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Geburt der Ferkel gelangen die Sauen dann in eine Art Käfig. Dort liegen sie auf der Seite, während die Ferkel an den Zitzen Milch saugen können. Für diese Art der Haltung spricht, dass die Tiere sich nicht streiten und gegenseitig verletzen können, was in einer Gruppe durchaus vorkommen kann, während der Sauenkäfig die Ferkel schützt. Er verhindert, dass die Sau beim Hinlegen versehentlich eins der Ferkel zerdrückt. Das klingt erstmal pragmatisch und durchaus plausibel. Wer möchte nicht, dass möglichst viele Ferkel überleben? Leider ist diese Art der Haltung nicht ganz unproblematisch. Dadurch können die Tiere viele natürliche Verhaltensweisen wie soziale Interaktion, Nestbau vor Beginn der Geburt oder schlichtes Wühlen im Boden nicht ausüben, was dann letztlich zu Verhaltensstörungen führt. Ein Signal für eine solche Störung ist zum Beispiel das Stangenbeißen. Lässt man die Tiere grundsätzlich draußen, kann das zu Parasitenbefall führen. Auf youtube gibt es dazu einen schönen Beitrag über verschiedene Haltungsformen und ihre Vor- und Nachteile am Beispiel Australiens:

Ich finde diesen Beitrag sehr beeindruckend, da hier sehr unaufgeregt dargelegt wird, was es bei der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu beachten gilt. Der Freistaat Sachsen hat dazu eine PDF-Broschüre bereitgestellt, die unter anderem auch beschreibt, wer welche Anforderungen an die Tierhaltung stellt. So möchte der Verbraucher sichere und gesunde Produkte haben zu einem günstigen Preis erwerben, vielleicht auch die Herkunft des Fleisches oder der Milch kennen und vor allem sollte die persönliche Wohnqualität durch die Landwirtschaft nicht gestört werden. Gleichzeitig spielt der Schutz der Umwelt eine große Rolle. Emissionen sollten möglichst gering gehalten werden, Gewässer sauber bleiben und Biotope von der Landwirtschaft unberührt bleiben. Und dann wären da natürlich noch die Tiere, die selbstverständlich artgerecht gehalten werden sollen. Animal Wefare muss also den Spagat schaffen zwischen Verbrauchern, Umwelt und Landwirten. Alles muss unter einen Hut. Dass das durchaus funktionieren kann, hatte ich schon mal anhand eines Milchvieh-Betriebes beschrieben.

Animal Welfare nach Grandin

Geht es nach Temple Grandin, gibt es zwei Kategorien von Fehlern, die Menschen den Tieren gegenüber begehen können und damit den Wohlfühlfaktor der Tiere einschränken. Zur ersten Kategorie gehört das Schlagen der Tiere, Ziehen gefallener Tiere, Werfen von Jungtieren – kurz gesagt: eine generell raue Behandlung im Betrieb, während des Transports und im Schlachthof. Zur zweiten Kategorie gehören Einflüsse, die zwar nicht direkt Schmerzen verursachen, sich aber durchaus negativ auf das Verhalten der Tiere auswirken kann. Das wären zum Beispiel mangelnde Reize (fehlende Kommunikation) oder auch das Unterdrücken von Instinken (Nestbau vor der Geburt). Dazu zählt zum Beispiel das oben schon erwähnte Stangenbeißen als Folge.

Meiner Meinung nach ist es unschwer zu erkennen, dass uns auf dem Gebiet des Animal Welfare spannende Zeiten bevorstehen, die ich natürlich auch 2011 weiter an dieser Stelle begleiten werde. Bis dahin wünsche ich Euch, liebe Leserinnen und Leser, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch!


Wie immer verweise ich hier auf meinen Stall-Bericht, außerdem auf Temple Grandins zwei Kategorien zu Animal Welfare und hier findet sich die Broschüre (PDF) zur Landwirtschaft in Sachsen.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

28 Kommentare

  1. Das Rottenverhalten wird doch in der modernen Landwirtschaft auch ermöglicht. Ab 2011 oder 2012 (bin mir da nicht so sicher) müssen die Muttersauen in Gruppen (mit individuellen Rückzugsorten) gehalten werden. Zur Geburt werden diese dann erst getrennt. Hier stimmt es das keine “Nester” gebaut werden können. Auch sollen die “Geburts”-Buchten vor allem die Ferkel schützen, welche auch natürlich in freier Wildbahn von den Muttertieren erdrückt werden. Alternativ zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann man auch den Tierschutz der Ferkel erwähnen.
    Nach meinen früheren Beobachtungen trat das Stangenbeißen vor allem in der “Einzelhaft” in den Wartenstallungen auf. Dies ist in Zukunft (wie oben erwähnt) verboten. Auch das romantische Stroh hat meines erachten nichts im Stall verloren, da z.B. das diesjährige Wetter zur Ernte zu einem extrem “verpilzten” Stroh (besonders Bio-Stroh) führte. Ist es mit dem Tierschutz vertretbar die Tiere diesen Giften auszusetzen?
    Auch ist z.B. die Klauengesundheit bei Schweinen welche auf Stroh (keine natürliche Abnutzung/Verkürzung) gehalten werden um ein vielfaches schlechter als auf modernen Teilspalten-Stallungen. Sind somit kaputte Klauen im Sinne des Tierschutzes?
    Um es nochmals klarzustellen. Ich setze mich für artgerechte Tierhaltung ein. Doch jegliche Tierhaltung (auch Haustiere) ist immer ein Kompromiss zw. Wirtschaftlichkeit und Tierbedürfnissen. Deshalb müssen immer alle Aspekte beachtet werden.

  2. Haltungs-Konzepte

    Hallo Maulwurf,

    wie immer ein anregender Kommentar. Danke dafür!
    Natürlich ist der Ferkelschutz wichtig. Allerdings werden mit genau diesem Argument auch die Sauenkäfige gerechtfertigt. Diese beißen sich aber ganze gewaltig mit den Wohlfühl-Bedürfnissen der Sau.
    Du hast natürlich auch recht, wenn Du schreibst, dass Stroh nicht ganz unproblematisch ist aufgrund teilweise starker Verpilzung. Im Zuge meiner Recherchen zu diesem Artikel hatte ich eine spannende Haltungsmethode entdeckt, die auch in dem Video vorkommt. Schweine werden in einer überdachten Stallung mit sauberer Einstreu gehalten, die regelmäßig gewechselt wird. So zumindest hab ich das verstanden…spannende Sache. Zur Spaltenhaltung: wäre es nicht eine interesante Idee, den Tiere eine komfortable Liegemöglichkeit wie bei Milchrindern einzurichten? Gummimatten wären da perfekt.

    Ach, und einen schönen 4. Advent wünsche ich noch!

  3. Hallo Soeren,
    Dies mit der Strohhaltung ist wirklich eine spannende Sache. Doch ich bin immer noch der Meinung das vor allem im Geburtsbereich das Stroh nichts zu suchen hat. Denn Tierhaltung ist nie natürlich und man muss unterscheiden was wichtiger ist. Kranke aber “artgerecht” gehaltene Tiere empfinde ich auch genau so schlecht oder gut wie umgekehrt. Auch wenn das Stroh Pilzfrei ist so weist es doch einen hohen Staubanteil auf. Welches Tier befindet sich freiwillig den ganzen Tag in einer Umgebung mit hoher Staubbelastung? Auch gedeihen vor allem in den Strohballen (zur Einhausung verwendet) sehr viele Krankheitserreger und welches Schwein würde zwischen drei und fünf Wochen (Dauer der Säugezeit) an einem Ort bleiben mit hohem “Krankheitsdruck” bleiben? Zu beachten gilt ja auch die Verweildauer der Mutterschweine in diesen “Abferkelbuchten”. Diese beträgt, wie oben beschrieben, zw. 3 und 5 Wochen (je nach System). Bei ca. 2.5 Aufenthalte der Mutterschweine pro Jahr in diesen Buchten macht das also sehr schlecht gerechnet max. 15 Wochen. Die restlichen 37 Wochen pro Jahr müssen sich die Schweine frei bewegen können (die im Film beschriebene Warteboxen sind in DE ja demnächst Verboten)
    Ja auch an verschiedenen Bodenbelägen wird gearbeitet und Gummimatten bzw. weiche Kunststoffböden mit Kühlung/Heizfunktion werden heute schon eingebaut.
    Doch wieder gilt hier. Tierhaltung ist immer ein Kompromiss zw. Artgerecht, Tiergesundheit und Wirtschaftlichkeit. Da das Fleisch als Lebensmittel verwendet wird, liegt der Schwerpunkt auf Gesundheit und auf Wirtschaftlichkeit. Doch wie schon erwähnt, die Fortschritte welche heutige Haltungssysteme im Vergleich zu früher machten sind verdammt hoch.
    Freilandhaltung von Schweinen und Geflügel lehne ich persönlich strikt ab, denn ich bin der Meinung dass es besser wäre die hierfür benötigte Fläche der Natur zurückzugeben.

    Auch einen schönen 4. (Advents)Sonntag

  4. Grabenkämpfe

    Ich hatte das drüben bei Martin schon geschrieben: ich denke, dass die Debatte zwischen komventioneller und ökologischer Landwirtschaft den Fortschritt gerade bezüglich Animal Welfare eher behindert.
    Eine etwas freiere und objektivere Herangehensweise würd ich deutlich besser finden – gerade bezüglich des Managements, denn wenn die Arbeitsabläufe nicht funktionieren, klappen auch die besten Ideen nicht.

  5. d’accord

    Ja, stimme Dir zu Deiner Aussage komplett zu. Auch ich bin der Meinung, dass die Debatte zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft den Fortschritt bezüglich Animal Welfare eher behindert.
    Wobei ich so ein böser Mensch bin der behauptet dass bei weitem die ökologische Landwirtschaft nicht per se artgerecht ist. Die meisten Richtlinien dort sind mE dem romantischen Bild der kleinbäuerlichen Landwirtschaft geschuldet, als dem Animal Welfare (Beispiele gibt es genug).
    Da fällt mir gerade eine Frage ein welche ich Dir stellen wollte. Was hältst Du von den Kleinvolieren für die Legehennenhaltung. Kürzlich hat ja erst das BVG diese Haltungsform für unzulässig erklärt.

  6. Geflügel

    Schwierig. Habe mich mit der Thematik bei Geflügeln noch nicht so sehr befasst. Einen recht interessanten Artikel zur Einordnung in den Kontext gibt es bei Animal Health Online:

    http://www.animal-health-online.de/…helte/15362/

    Ich beurteile jetzt einfach mal ins Blaue hinein und sage, dass diese Haltungsform sicherlich sichere Lebensmittel gewährleistet und die Tiere in einer hygienischen Umgebung “leben”. Bezüglich Animal Welfare kann ich das aber nur schwer glauben, werden hier doch Verhaltensweisen wie zB. das Scharren völlig unterdrückt. Interessant wäre jetzt herauszufinden, inwieweit es noch Verbesserungs-Potential in der Bodenhaltung gibt.

  7. Kleiner Nachtrag:
    Es gibt bei Puten gewisse Orientierungspunkte während der Mast. So sollten die Tiere in den Stallung vor Zugluft geschützt werden, bei konstanten – warmen – Temperaturen gehalten werden und auch das Personal sollte während der Mast-Zeit nicht wechseln. Eine gute Wasser- und Futterversorgung sollte obligatorisch sein…

    Wobei das natürlich auch wieder schwierig ist. Gerade Tiere der Rasse Big Six, bei denen die Männchen ei Gewicht von über 20 kg erreichen können und dann nur noch liegend vegitieren, weil die Beine das Gewicht nicht mehr tragen können bzw. Herzprobleme zum Tod führen können, dann hat das auch wieder nix mit Animal Welfare zu tun. Da verspricht die ökologische Haltung tatsächlich bessere Möglichkeiten. Und das natürlich auch wieder nur mit einem angepassten Management.

    Das wollte ich nur noch anfügen, über Putenhaltung habe ich schon mal eine Studie gelesen, über Hühner noch nicht…

  8. das gesunde Geflügel

    Gerade die Putenmast ist ein klassisches Beispiel das eben die Tiere in der Bio-Mast nicht besser gehalten werden als in der konv. Mast.
    Die überwiegende Mehrheit der Bio-Mäster verwendet die Rasse Big Six (hoher Brustfleisch-Anteil).
    Schlechtes Futter, da Puten als „Mischköstler“ eine etwas andere AS-Zusammensetzung benötigen. Deshalb wird ja in der konv. Mast dem Futter AS.
    Kot fällt genauso an und die Biostallungen werden auch nicht gemistet und durch die längere Mastdauer sind die Tiere länger in den Stallungen.
    Das Endgewicht der Puter gleicht sich immer mehr dem der konv. Puter an. Deshalb leiden die Tiere länger.
    Klar gibt es auch andere Biobetriebe, doch dies sind in der Regel Vorzeigebetriebe.
    mE wäre es sinnvoller eine Schlachtgewichtbegrenzung einzuführen. Dies hätte jedoch drei Nachteile zur Folge. Das Geflügelfleisch würde etwas teuerer und die Putenbrust wird etwas kleiner und der Futteraufwand pro kg Putenfleisch wird erhöht. Alternativ könnten auch wieder robustere Rassen gezüchtet werden (ist heute eine Zuchtziel). In der Schweinehaltung hat dies ja auch geklappt und heutige Schweine haben im vergl. zum 80er Jahre Schwein eine hohe Stress-Toleranz.

  9. Gewichts-Grenze

    Hallo Maulwurf,

    von der LMU München wurde tatsächlich mal eine Studie durchgeführt, bei der eine Gruppe Big Six-Puten und Kelly Bronze-Puten (traditionelle Rase) parallel ökologisch gemästet wurden. So weit ich mich erinnern kann, gab es bei der Mastgeschwindigkeit keinen Unterschied. Die Tiere der Big Six nahmen genauso schnell zu und erreichten ein ähnliches Gewicht wie die Tiere der traditionellen Rasse.
    Das bringt mich zu dem Schluss, dass hier die ökologische Haltung unter optimalen Management-Bedingungen bezüglich Animal Welfare eindeutig die bessere Variante ist.
    Deine Idee einer Gewichtsbegrenzung ist interessant, da es tatsächlich schon seit einiger Zeit ein großes Thema ist, wo die Reise in der Tierzucht hingehen soll. Gerade bei der Leistung ist da momentan kaum noch Potential…

  10. Hallo Soeren,
    Auch ich kenne diese Studie der LMU München. Doch wie ich schon schrieb, es werden auch in der Biomast hauptsächlich Big Six-Puten gehalten und nicht die Kelly Bronze-Puten. Grund, der Verbraucher möchte Putenbrüste die die Größe eines Schweineschinkens aufweisen.
    Würden Kelly Bronze Puten auch in der konv. Mast gemästet werden, dann wäre dort ja auch die Probleme geringer.
    Dies ist ja genau mein Kritikpunkt an der Biolandwirtschaft. Es wird angenommen ohne das die Mehrheit die tatsächlichen Haltebedinungen / verwendete Rassen kennt.
    Deshalb hat für mich Bio nichts mit Animal Welfare gemein. Bio ist in meinen Augen nur eine Glaubensrichtung die durch geniales Marketing einen Status erreichte der nicht mehr hinterfragt wird.
    P.s. ich hoffe ich nerve Dich nicht zu sehr mit meinen Kommentaren.

  11. Ziel: eine freie Debatte

    N´Abend Maulwurf,

    vorweg: Nein, Du nervst nicht. Ich schätze Deine Kommentare sogar sehr. Und was wäre ein Debatten-Thema ohne Kommentare?^^

    Zu Deinem Kommentar:
    Es ist sicher richtig, dass “Bio” einen sehr positiven Ruf besitzt, der u.a. auch durch Marketing erreicht wurde. Auch stimmt es, dass viele Verbraucher nicht hinterfragen, was Bo genau bedeutet.
    Trotzdem würde ich nicht so weit gehen und Bio abtun. Dann gerät die Debatte wieder schnell in eine Sackgasse – so wie jetzt, wo sich alles nur zwischen den beiden Formen der Landwirtschaft abspielt.
    Eine offene Debatte mit allen Anforderungen wäre mitunter ein wirklicher Fortschritt.
    Ich würde mich darüber sehr freuen…

  12. fröhliche Feiertage

    Hey Soeren (wird wider etwas länger, Schuld ist diesmal der Glühwein 😉
    Wie Du vielleicht gemerkt hast habe ich mit Bio so meine Probleme. Mein Hauptkritikpunkt ist hierbei, dass bei dieser veralteten Produktionsmethode irgendetwas behauptet wird ohne es beweisen zu können. Beim Pflanzenbau ist z.B. das aus der konv. Landw. stammende Verfahren „ Precision Farming“ dem Bioanbau (und auch der konv. Landw.) in allen Punkten überlegen. Diese Methode ist sogar so effizient das noch mehr Naturschutzgebiete in DE eingerichtet werden könnten.
    Auch bei der Tierhaltung habe ich so meine Probleme mit Bio. Denn nur weil es schön ausschaut ist es nicht notwendigerweise Tiergerecht. Strohhaltung ist z.B. im Sommer die reinste Qual für die Schweine da diese Stallungen nicht ordentlich gekühlt werden können und dadurch sind die Schweine einem hohen Hitzestress ausgesetzt (Schweine können nicht schwitzen). Auch im Biostall ist keine Schlammsuhle vorhanden. Wird Freilandhaltung betrieben dann führen diese „Weiden“ zu lokalen abartig hohen Nitratbelastungen. Denn auf einer Schweineweide wächst nichts mehr. Dies hat dann natürlich einen negativen Impact auf die angrenzende natürliche Tierwelt. Auch die Gefahr das diese Tiere an Schweinepest oder Aujeszky erkranken und andere Tiere anstecken ist um ein vielfaches höher (die folgenden Großflächigen Keulungen – glaube 6 km Umkreis – von allen Schweinen sind auch nicht schön). Von den ganzen anderen Ausnahmegenehmigungen (z.B. Anbindehaltung bei Kühen) in der Bio-Tierhaltung ganz abgesehen.
    Deshalb mag und schätze ich ja die Arbeit von Temple Grandin. Denn diese Frau setzt sich für eine Verbesserung der Haltebedingungen ein, entwickelt bessere Systeme ohne andere, vor allem wildlebende Tiere zu gefährden.
    Ein anderes Beispiel für die Verlogenheit des Tierschutzes in DE ist die Käfighaltung von Hühnern, da es ja nur ein Haltungsverbot aber kein Käfigeierverbot existiert. Die Hühner werden derzeit schön z.B. in Holland / Polen oder der Tschechien gehalten und dann die pasteurisieren Eiprodukte (Eiklar und Eigelb) in Tanklastzüge oder Tetrapacks nach DE importiert und verwendet. Denn der Frischeieranteil (sind die ganzen Eier) ist sehr gering. Nach 2012 wird dies natürlich außerhalb der EU durchgeführt weshalb ja in den EU- Anrainerstaaten „wie doof“ Legebatterien gebaut werden. Da frage ich mich dann schon, gibt es einen Unterschied zwischen EU und nicht EU Hühnern. Benötigt eine Henne in Russland keine Sitzstangen oder Scharflächen? Vor allem leben die Hühner in einem Land mit kaum vorhanden Tierschutz besser in den Käfigen als in der EU mit relativ hohen Standards? Weshalb gab es denn kein Käfigeierverbot? Wäre es nicht besser für alle Hühner gewesen, nur Eier, die von Hühnern die min. in Kleinvolieren (die Sitzstangen, Legenester und einen Scharbereich aufweisen müssen) gehalten werden zu erlauben?
    Dies ist ein weiterer Grund weshalb ich Arbeiten von Temple Grandin schätze. Diese Frau erreicht etwas für alle Tiere etwas. Was in DE häufig als Tieschutz verkauft wird bringt max. eine Verbesserung für wenige privilegierte „deutsche“ Tiere aber zu lasten der restlichen Tiere. Deshalb sehe ich auch die Biolandwirtschaft so kritisch.

  13. Allgemeine Grundsätze als Lösung

    Ah, der Maulwurf hat wieder in die Tasten gehauen – freut mich!

    Ich ergänze Deinen Kommentar mit Temple Grandin mal so:
    Sie strebt Verbesserungen für die Tiere an, unabhängig von konventioneller/ökologischer Landwirtschaft.

    Und genau darum ging es mir hier auch. Du hast mit Deinem Kommentar natürlich recht. Und genau deshalb plädiere ich für eine Abschaffung der Grenzen zwischen Öko und konventionell. Schließlich wird kein Landwirt, der alle Regeln ökologischer LW erfüllt, das ersehnte Bio-Siegel durch kleine Optimierungen oder zumindest Änderungen gefährden. Deshalb sind diese Grenzen hinderlich.
    Natürlich ist es nicht schön, wenn umstrittene Haltungsmethoden hier verboten und dann im EU-Ausland einfach weiter genutzt werden.

    Irgendwie werde ich gerade das Gefühl nicht los, dass mich dieses Thema noch ein wenig begleiten wird. Außerdem aollte ich die Puten-Studie mit Big Six und Kelly Bronze wirklich mal verbloggen^^

    Jetzt wünsche ich Dir erstmal noch einen schönen zweiten Weihnachtstag!

  14. Konventioneller Agrarler unter sich

    Hallo,

    ich habe als Softwareentwickler für ein deutsches Schweinezuchtprogramm gearbeitet. Dabei hatte ich oft die Möglichkeit, die Ställe zu besuchen.

    Allein da fängts schon an: Desinfektionsmittel, Schutzbekleidung, damit die Turbo-Tiere nicht an Schnupfen sterben.
    Die Schweine stehen einzeln in Buchten die so klein sind, damit sie sich nicht drehen können.

    Die Aussage ist dann: wir dürfen die Tiere nicht zusammenstellen, weil sie sich dann gegenseitig beißen. Komisch, dass das in der Freilandtierhaltung nicht passiert.

    Ich esse auch Fleisch, aber wenig. Teures Fleisch, dass eine artgerechte Haltung nach sich zieht, wäre wohl der beste Weg.

  15. Ergänzung

    Hallo Sören, hallo Maulwurf,

    nach meinem kurzen Kommentar gestern kurz vor Feierabend nun doch nochmal etwas ausführlicher.

    Wie schon geschrieben habe ich die deutsche Schweinezucht (Zucht, nicht Mast) selbst erlebt. Die für die Mast hochwertigen Rassen (viele Ferkel, viele Rippen, schnelles Wachstum) führen absolut nicht dazu, dass die Tiere gesünder und sozialer werden. Bei dem Besuch eines Stalls meines damaligen Arbeitgebers konnte ich mir anschauen, dass die Sauen dort in Buchten standen, die so schmal waren, dass die Tiere sich gerade mal hinlegen konnten. Derzeit ist in der konventionellen Tierhaltung allein die Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend: platzsparend, schnell zu bewirtschaften. Daraus folgt: Spaltenböden oder Betonböden. Ganz gerührt berichtete die Inhaberin des neu gebauten Stalls damals, dass sie die Tiere sogar für eine Stunde pro Woche einmal in einen Auslauf geben können. Dort gibts dann sogar etwas Stroh. Natürlich auch dort wieder Beton.

    Nur wenige Schweine bekommen in der konventionellen Haltung die Möglichkeit, ihren natürlichen Trieben wie dem Wühlen in der Erde nachzugehen. Ich kenne leider keinen ökologisch wirtschaftenden Betrieb, von dem ich etwas Vergleichbares oder anderes behaupten kann.

    Ökologische Tierhaltung beinhaltet u.a., und das finde ich dabei am wichtigsten, dass die Nahrung der Tiere selbst angebaut werden muss und nicht als Soya-Schrot aus Brasilien dazugekauft wird.

    M.M.n. ist Fleisch zu billig, zum Massenprodukt, geworden. Das zieht die eigentlichen Probleme nach sich. Ich mache jedes Jahr Urlaub in Österreich, in Vorarlberg. Dort ist es wunderbar zu beobachten, wie die Tiere auf die Alm getrieben werden, dort grasen können und einer weitgehend natürlichen Lebensweise nachgehen können. Für den Winter wird Heu geerntet. Dann sind die Tiere im Stall.
    Damit kann ich als Fleischkonsument erheblich besser leben und zahle dafür gern den 5fachen Preis und esse dafür einfach seltener.

    All die wunderbaren Dinge, die Maulwurf behauptet, wird es, wenn überhaupt, erst in der Zukunft geben. Ich bin gespannt. Spaltenböden, Beton und enge Buchten gehören sicherlich nicht dazu.

    Massentierhaltung kann auch mit noch so großem Aufwand weder artgerecht noch ökologisch sinnvoll realisiert werden, nur ökonomisch. Einzige Ausnahme wäre hier der geringe Flächenverbrauch durch riesige Ställe, die zentrale Sammlung der Gülle (wenn sie dann auch noch sorgfältig entsorgt wird) und wahrscheinlich relativ geringe Energiekosten. Aber diese positiven Ergebnisse negieren nur wieder die artgerechte Tierhaltung.

  16. @ SvenGlueckspilz

    1) Der Grund für die Desinfektion und die Schutzkleidung besteht darin das keine Krankheiten eingeschleust werden. Dies ist eine alternative zur notwendigen Behandlung auftretender Krankheiten mittels Medikamente und somit sind auch die Rückstände im Lebensmittel Fleisch nicht vorhanden. Dies ist eine empfohlene Praxis in Bio und konv. Betrieben und gute Betriebe halten sich auch daran
    2) Die Schweinerassen sind zu >90% zwischen der Biolandwirtschaft und der konv. Landwirtschaft identisch. Nur die immer präsentierten Musterbetriebe halten alte Rassen.
    3) Die Zuchtschweine haben sowohl in den Biobetrieben als auch in den konv. Betrieben das gleiche Platzangebot. Einfach mal auf die Vielzahl der Ausnahmegenehmigungen schauen.
    4) wenn ich schreibe „ab 2012 oder 2013“ dann bedeutet es “in der Zukunft”. Nach meinem Wissenstand müssen dann alle (auch die bestehenden) Stallungen daran angepasst werden. Keine Sondergenehmigung
    5) Die Tiere beißen sich auch in der Freilandhaltung. Denn wenn erwachsene Tiere zusammengestellt werden dann gibt es Rangkämpfe. Deshalb sollen ja auch Rückzugsmöglichkeiten für rangniedere Tiere vorhanden sein. Zusätzlich sollen die Zuchtschweine in Gruppen gehalten werden. Doch dies geht nur ab einer gewissen Größe.
    6) Was hat der Eigenanbau von Futtermitteln mit Artgerechter Tierhaltung zu tun? Außerdem nicht einmal in der Biolandwirtschaft werden alle Futtermittel selbst angebaut und fallen mal wieder unter das Stichwort “gutes Biomarketing). [link=http://www.videoportal.sf.tv/video?id=cc4336e3-68b8-4cab-b1d4-2e8be74205e0]Infos hier[/link]
    7) Massentierhaltung ist so ein schwammiger Begriff. Sind 100 Schweine schon Massentierhaltung oder 200. Weshalb sollen 10’000 Schweine in Stallkomplexe (viele kleine Stallungen) nicht artgerecht sein? Der Sau ist es egal ob neben dem Stallabteil in dem sie untergebracht ist noch 100 weitere Abteile vorhanden sind. Auch der anfallende Dung kann in großen Stallungen mit deutlich besserer Technik (geringe Ammoniakverluste, geringer Bodendruck etc.) ausgebracht werden als in Kleinbetrieben. Gülle ist kein Müll sondern wertvoller Dünger.
    8) Auch die Schweine in der Mehrzahl der Biobetriebe können nicht “glücklich” in der Erde wühlen. Dies wird durchs Bundesemissionsgesetz und Bundesseuchengesetz reglementiert.
    9) Die Wirtschaftlichkeit ist auch bei den Biobetrieben das Maß aller Dinge. Deshalb gibt es ja die Vielzahl von Ausnahmegenehmigungen (Stallungen) und deshalb werden ja die Rassen der konv. Viehhaltung verwendet.
    10) Dein Beispiel mit Vorarlberg hinkt. Jede Kuh in DE welche in einem Boxenlaufstall sein darf und sich das ganze Jahr frei bewegen kann ist um ein vielfaches artgerechter gehalten als Kühe die im Sommer auf die Weide dürfen aber den ganzen Winter an einer Kette (länge ca. 1m) angebunden sind. Wenn sie dann noch durch einen Melkroboter (oder in großen Melkständen durch Profi-Melker im Schichtbetrieb) gemolken werden (bis zu 4 Mal am Tag, je nach Laktationsstadium) dann kommt dies sogar dem natürlichen Säugen näher als auf einem Bilderbuchbauernhof.

  17. Hallo Sven,

    freut mich, dass Du auch hergefunden hast. Ich gehe das mal durch. Du schreibst:

    “Ökologische Tierhaltung beinhaltet u.a., und das finde ich dabei am wichtigsten, dass die Nahrung der Tiere selbst angebaut werden muss und nicht als Soya-Schrot aus Brasilien dazugekauft wird.”

    Eigentlich gibt es dabei nur ein Ziel. Das Futter muss sicher sein, also frei von Mykotoxinen und anderen Giftstoffen. Herkunft ist dabei nicht so wichtig. Es sei denn, Du möchtest auf den dortigen Flächenverbrauch hinaus…

    “All die wunderbaren Dinge, die Maulwurf behauptet, wird es, wenn überhaupt, erst in der Zukunft geben. Ich bin gespannt. Spaltenböden, Beton und enge Buchten gehören sicherlich nicht dazu.”

    Schwierig. Hier kommt der Hygiene-Faktor zum Tragen und das nicht nur für den Verbraucher, auch Schweine sind reinliche Tiere. Dass die Haltung mit nicht vorhandener Bewegeungsfreiheit nicht toll ist, hast Du schon richtig erkannt.

    “Massentierhaltung kann auch mit noch so großem Aufwand weder artgerecht noch ökologisch sinnvoll realisiert werden, nur ökonomisch.”

    Kommt drauf an. Was ist Massentierhaltung? Sind das schon hundert Tiere? Dazu empfelhle ich meinen Stall-Besuch bei Milchkühen.

    Generell ist Animal Welfare ja nichts neues dank Temple Grandin. Und jetzt muss sich der Wohlfühl-Faktor zwischen all den andere Faktoren, die ich oben aufgelistet habe, durchsetzen. Das wird eine spannende Sache.

  18. @ Sören

    So weit liegen wir ja gar nicht auseinander. Den Punkt den ich in der Biolandwirtschaft jedoch für Kritisch erachte ist, dass vor allem die Bioverbände durch Marketing eine Tierhaltung in Ökobetrieben vortäuschen die gar nicht vorhanden ist.
    Jedes Jahr werden min. einmal die Bilder auf den Eierschachteln als irreführende Werbung erwähnt. Interessanterweise wird aber gleiche irreführende Werbung durch die Bioverbände nicht gebrandmarkt.
    Auch ich verstehe Temple Grandin so wie Du. Sie arbeitet für die Verbesserungen der Haltungssysteme für die Tiere, unabhängig von konventioneller/ökologischer Landwirtschaft.

  19. Maulwurf, du bist ja schwer auf Zack hier. Danke für die ausführliche Beantwortung der einzelnen Punkte!

    Ich widerspreche Dir ja auch nicht, sondern hatte manchmal ein bisschen das Gefühl Dich bremsen zu müssen. Sowohl bio als auch konventionelle LW bergen noch viele interessante Potentiale, die möglichst neutral untersucht und beurteilt werden sollten. Dabei werde ich zunehmend das Gefühl nicht los, dass hier eine Kombination das beste Resultat ergäbe.

    Muss das mal weiter verfolgen^^

  20. Tiere beißen sich auch in Freilandhaltun

    Hallo zusammen,

    wie sich die Haltungsbedingungen zwischen konv. und ökologischer LW unterscheiden, weiß ich nicht, das hatte ich auch versucht in einem Satz, wenn auch eventuell etwas undeutlich, abzuhandeln.

    Selbstverständlich möchte auch der Biobauer Kohle machen. Habe ich auch kein Problem damit. Ich gehe aber mal davon aus, dass Demeter- und Biolandbauern (ich hoffe es, jaja. Und ja: Demeter: bei Vollmond halbnackt im Kreis tanzend um das vergrabene Horn herum während man erntet. ich kann damit auch nicht viel anfangen) es mit der Tierliebe etwas genauer nehmen.

    Hygiene: nochmal: Freilandhaltung ist da anders und die einzig artgerechte haltung für Schweine. Werden wieder eher robuste Rassen eingesetzt, gäbe es auch weniger Hygieneauflagen. Die strengen Hygieneschutzbedingungen hängen ja nicht nur mit der Seuchenverbreitung zusammen sondern eben sehr wohl damit, dass die Tiere mitterweile an einem einfachen Schnupfen verrecken.

    Ich finde die konventionelle Tierhaltung, die ich kenne, zum Kotzen. Es gab einen ökologisch arbeitenenden Betrieb, der von uns mit Sperma beliefert wurde, und der hielt seine Tiere im Freien.

    Dass nicht alle Biobetriebe so sind, vor allem die Betriebe, die Supermarktketten beliefern, ist klar.

    Und das Thema Futter aus Übersee: Für mich gehört es zu einem nachhaltigen (jaja, sehr überstapaziert, der Begriff) Tiermanagement. Ich habe einfach ein Problem damit, die Biolandwirtschaft so runtergemacht zu bekommen. Irgendwie wittere ich da immer Lobbyistentum. Negativpunkte: klar, sowohl Flächenverbrauch als auch die ökologischen Wahnsinnskosten, die beim Transport entstehen. Der Verbrauch von Essensresten und Abfallprodukten aus der Nahrungsmittelindustrie sollte endlich wieder erlaubt sein.

    Kritische Stimmen aus der konv. LW hört man ja leider selten. Wer sägt schon am eigenen Ast. Und die Bauern, die ja mittlerweile keine mehr sind, sondern Landwirte (mit Betonung auf Wirt) verdrängen, was sie ihren Tieren antun.

    Also von mir aus bei Schweinen: lieber draußen halten, und nur 1/10 davon und die Bauern können wieder mehr Kohle für ihr Fleisch verlangen.

    Nur Naivlinge glauben, dass in der ÖLW alles HappyHappyBlümchenBlümchen ist. Tiere müssen auch da geschlachtet und gehalten und gemolken, geschoren und manchmal auch gespritzt werden. Zumindest ist dort aber ein gewisses Ideal noch in den Köpfen. Die konventionellen Bauern haben das längst verdrängt und produzieren Masse.

    Schuldfrage: Sind die Bauern schuld? Nein, nicht unbedingt. Sind die Politiker schuld? Nein, nicht unbedingt. Es sind doch wieder einmal die Verbraucher, die alles in der Hand haben. Wer lieber sein minderwertiges Fleisch für 90 Cent kauft, möchte wahrscheinlich auch gar nicht daran denken, wie ätzend das Tier gehalten wurde.

    Vorarlberg: die Ställe, die ich da gesehen habe, sehen anders aus. Außerdem reduziert sich die Stallhaltung auf 4 Monate im Jahr (lt. Auskunft der dortigen Bauern).

    verwendete Rassen: ja, das stimmt. Die vier bzw. fünf häufigsten Rassen werden in beiden Betrieben eingesetzt. Dennoch läßt sich m.M.n. ein deutlicher phänologischer Unterschied zw. den Tieren herstellen. Während in der konv. Haltung mehr und mehr auf Masse produziert wird (auf Kosten der Robustheit), wird meiner Erfahrung nach in wirklich ökologisch wirtschaftenden Betrieben etwas mehr auf umfassende Eigenschaften wert gelegt.

    Nicht umsonst sind die meisten Bio-Bauern meines Wissens nach nicht den großen Deutschen Zuchtverbänden wie pig und bhzp angeschlossen.

    Gülle: Gülle ist genau dann ein Riesenproblem, auch das dufte ich selbst erleben, wenn die Betriebe zu groß werden. Dann bleiben sie auf ihrer Gülle sitzen, weil es nicht genug Abnehmer in der Umgebung sind. Naja, und dann mauschelt man (weil Abnahme ja Pflicht ist) mit den angrenzenden Bauern, die das Zeug eben im Winter heimlich aufs Feld kippen.

    Mit Ställen von der Größe um die 100 bis 200 Tiere könnte ich gut leben. Aber leider werden auch diese Betriebe immer weniger. Betriebe mit 2000++ werden vor allem im Osten zum Problem. Würde man die Gülle als Biogas verwerten, wäre es evtl. etwas besser. Aber so entzieht man dem Boden als Gesamtsystem eine Unmenge an Nährstoffen.

    Abschließend nochmal: ich bin als Ex-Pseudo-Insider durchaus nicht naiv, was das Thema angeht. Auch bei Bio lohnt es sich, auf die Verpackung zu achten. Einige Verbände sind deutlich strenger als andere. Bio generell Manipulation vorzuwerfen, halte ich aber für völlig falsch. Qualität statt Quantität, das sollte gelten.

  21. Ziel der Debatte

    Hier ist in den Kommentaren ja schon so einiges an Text zusammengekommen, deshalb fasse ich einfach noch maal zusammen, auf was ich hinaus wollte:

    Beide – ökologische und konventionelle – Haltungsmethoden haben ihre Vor- und Nachteile. Wenn ich aber Debatten und Artikel zu diesem Thema verfolge, bewegt sich das für mich alles zu sehr um die Frage, welche Methode nun die bessere ist. Und genau das ist meiner Meinung nach nicht zielführend. Viel besser wäre eine Auflistung eben jener Vor- und Nachteile, gefolgt von der Frage, wie man jetzt das Beste rausholen kann – unter Einbezug oben genannter Interessen und jenen der Tiere (Animal Welfare). Aber das ist wohl einfacher gesagt als getan, denn wer lässt sich schon ein Bio-Siegel mit gutem Image durch die Finger gehen…

  22. Hi Sven,

    Zitat: “Bio generell Manipulation vorzuwerfen, halte ich aber für völlig falsch. Qualität statt Quantität, das sollte gelten.”

    ich glaube, Du hast da etwas falsch verstanden. Weder Maulwurf noch ich werfen “Bio” generell Manipulation vor. Dennoch wird dort durch Werbung eine gewisse Romatik vermittelt, die in den Verbrauchern vermutlich versteckte Sensüchte wecken und diese dann dazu bewegen, ein Bio-Produkt zu kaufen. Zu kritisieren ist hier also erstmal die Werbung und der Image-Aufbau.

    Du hast natürlich völlig recht, wenn Du schreibst, dass es uns mehr um Qualität als um Quantität gehen sollte. Aber darüber, wieviel Fleisch gegessen wird, entscheidet – wie Du auch richtig schreibst – der Verbraucher. Bei Schweinen in der Freilandhaltung kommt auch zu Parasitenbefall, die dann Atemwege und Organe befallen. Animal Welfare? Gesunde Tiere? Nö. Hier gilt es, Möglichkeiten zu entwickeln, die es den Tieren ermöglichen, ihre Verhaltensweisen einigermaßen ausleben zu können ohne eben diese Nachteile zu haben.

    Zitat: Der Verbrauch von Essensresten und Abfallprodukten aus der Nahrungsmittelindustrie sollte endlich wieder erlaubt sein.

    Hm, die können aber auch gammeln und schimmeln und dann ziemlich verdorben sein, wenn sie bei den Tieren ankommen. In großem Maßstab sehe ich da ehrlich gesagt schwarz.

  23. Aber dem Individuum

    “Ich finde Kühe und Schweine ebenfalls durchaus putzig und von kleinen Kälbern und Ferkeln fange ich erst gar nicht an. Allerdings ist den Beständen der verschiedenen Kuh-, Schweine- und anderen Tier-Rassen nicht geholfen, wenn sie keiner mehr essen bzw. ihre Milch verwenden würde.”
    Den Beständen nicht, aber dem Individuum. Es ist ein “saublödes” Argument die Arterhaltung zur Rechtfertigung der Sklavenhaltung von Tieren heranzuziehen.

    Vielleicht sollte man das auch in Bezug auf aussterbende menschliche Kulturen vorschlagen?

  24. Link auf Sendung auf WDR5

    Hi,

    http://medien.wdr.de/…spraeche_20101021_2100.mp3

    Ein Gespräch zum Thema Tiere essen allgemein, aber ganz speziell auch zum Thema Tierhaltung.

    @Freiland & Hygiene: Sören, bist du auf der Schiene, dass man in einer keimfreien Welt leben sollte? Nicht allzu verkorkste Rassen können natürlich wie gesunde Menschen mit den üblichen Keimen sehr gut umgehen. Genauso so wie Parasiten.

  25. Keine Rechtfertigung

    Hallo Julia,

    aussterbende menschliche Kulturen und Tier-Rassen sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich rechtfertige den Erhalt der Rassen keineswegs mit der Sklavenhaltung der Tiere. Es ist aber nun mal so, dass jede Rasse ihren Platz im Leben des Menschen hatte. Diesen Prozess nennt man Domestikation. Viele Tiere der heutigen Hochleistungsrassen können kaum noch ohne menschliche Obhut überleben.
    Du schreibst, dass dann zwar nicht den Beständen, dafür aber dem Individuum geholfen sei. Leider ist der Bestand einer Rasse aber nichts anderes als eine Ansamlung von Individuen. Je weniger es von diesen gibt (und das ist die logische Folge, wenn sie nicht mehr gebraucht werden), desto schwerer wird es auch, einen ausreichend großen Genpool zu erhalten. Und das bedeutet dann meist das Ende. Es sei denn, man versucht es noch mal mit Aus- und Einkreuzungen womöglich noch existierender Urpsprungsrassen, sodass man wieder genetisch “frische” Tiere bekommt. Das ist aber auch ein sehr langwieriger Prozess.
    Ansonsten bleibt nur noch eine Art Haustierzoo…

    Ich hoffe, ich konnte ein wenig weiterhelfen!

  26. Keine Schiene

    Hi Sven,

    ich bin auf gar keiner Schiene, mich nervt nur, dass sich Debatten zum Thema meist nur zwischen konventioneller und ökologischer Tierhaltung bewegen, anstatt beide Methoden mal zu unersuchen und dann das Maximum an Sicherheit, Qualität und Animal Welfare herauszuholen.
    Schau mal in der unter dem Artikel verlinkten Broschüre des Freistaates Sachsen. Dort ist sehr schön beschrieben, was alles in die Produktion von Lebensmitteln (egal ob tierisch oder pflanzlich) hineinspielt.
    Selbst wenn man Rassen auswählt, die “ökologisch” sehr gut leben können, gibt es immer noch den Faktor der Umwelt-Belastung durch Aussscheidungen der Tiere…eine lange Geschichte^^

  27. Dioxin und Animal Welfare

    Hallo Sören,

    welche Auswirkungen hat eigentlich Dioxin auf die Tiere in der Landwirtschaft? Die Tiere sind doch vor dem Menschen dem Dioxin ausgesetzt. Ich lese immer nur von Chlorakne bei den Menschen.

  28. Dioxin in Tieren

    Hi Joe,

    Ich bin tatsächlich am Thema dran in Verbindung mit sicheren Haltungssystemen. Etwas Zeit brauche ich aber noch…

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