Quatsch mit Umfragen

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Umfragen sind äußerst beliebt, wenn es darum geht, die eigene Meinung mit Argumenten zu stärken. Sie sind schnell erstellt und außerdem kommt es immer gut an, wenn Menschen auf der Straße oder im Internet das Gefühl der Mitbestimmung haben. In diesem Artikel soll es um das Thema Klonfleisch gehen. Ich hatte schon mal in einem vorigen Beitrag erwähnt, um was es sich dabei handelt und wieso mir die ethischen Bedenken nicht unbedingt einleuchten, was aber keineswegs eine wie auch immer geartete Verwendung legitimieren soll. Spielte dabei die wissenschaftliche Argumentation des Ethik-Rates die Hauptrolle, soll es hier um Darstellung des Klonens für den "normalen" Leser gehen – sozusagen um die Art der Kommunikation dieses wissenschaftlichen Themas in Kombination mit einer Umfrage.

Ich hatte mir dazu schon mal einen Link zurückgelegt mit Textausschnitt. Allerdings ist das schon ein gutes halbes Jahr her, sodass der Artikel der FTD nicht mehr kostenlos erreichbar ist. Ich zitiere trotzdem mal das, was ich davon noch habe:

Es schmeckt wie normales Fleich, es sieht aus wie normales Fleisch, und doch liegt allein die Vorstellung von Klonfleisch vielen Verbrauchern schwer im Magen, wie eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag von Greenpeace aus dem Jahr 2008 zeigt. Knapp 65% der Befragten würden demnach beim Kauf von Fleisch und Milchprodukten bevorzugt zu einem als "gentechnikfrei" ausgewiesenen Produkt greifen.

(Hervorhebung durch mich)

Gut, Gentechnik und Klonen haben nichts miteinander zu tun, aber das ist nur eine Kleinigkeit bezüglich der Meinunsbildung des Lesers…Im Übrigen überrascht mich das Ergebnis der Umfrage überhaupt nicht. Etwas, das man nicht kennt, wird eben erstmal skeptisch angegangen, was man als durchaus normal bezeichnen könnte. Und ich bezweifle stark, dass die Teilnehmer zuvor ausführlich über die Vorgänge des Klonens und die Mechanismen der Gentechnik aufgeklärt wurden. Damit Ihr. liebe Leser, nicht glaubt, ich hätte beim obigen Zitat die Hegemann gemacht, habe ich mal ein wenig gesucht und bin tatsächlich bei der Welt fündig geworden. Auch in diesem Artikel werden Klonen und Gentechnik etwas konfus derart vermischt, dass sich der geneigte Leser am Ende des Textes vermutlich arg gruselt, wenn er an Klonfleisch denkt. 

Und dann wundert einen auch nicht mehr das Ergebnis der eingebauten Umfrage, ob die Leser Fleisch geklonter Tiere essen würden. Gerade mal 22% haben "Ja" angeklickt, während sich 75% sicher sind, dass ihnen sowas nicht über die Lippen kommt. Auch hier überrascht das Ergebnis der Umfrage in keinster Weise und ist ähnlich dem der GfK, auch wenn Erstellung und Durchführung sicherlich in keinster Weise in einem Verhältnis zueinander stehen.

Ich hatte es in der Einleitung schon geschrieben: Umfragen sind beliebt. Irgendwo kann man immer klicken oder anrufen oder man wird auf der Straße angequatscht. Anhand der genannten Beispiele sollte man allerdings vorher sicher gehen, dass unter den Befragten einigermaßen klar ist, um was es eigentlich geht. Diffuses Durcheinanderwürfeln verschiedener Bereiche führt da bestimmt nicht zum Ziel – zumal Gentechnik ohnehin ein Reizthema ist.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

9 Kommentare

  1. Ganz klar:

    Die Deutschen befürworten mit großer Mehrheit die Einführung des gentechnikfreien Klonfleisches, wie Greenpeace mit dieser Umfrage zweifelsfrei nachweist.

    Gute Sache!

  2. Noch ein kleiner Zusatz

    @ Lars:

    Dazu fällt mir dann nur noch – frei nach Herbert Knebel – ein:
    Interpretation ist Bandbreite.

    Noch ein kleiner Zusatz:

    Das Einbeziehen von Studien in die eigene Argumentation ergibt also erst dann Sinn, wenn man sich die Bedingungen anschaut, unter welchen diese Umfragen/Studien entstanden sind. Das wird umso wichtiger, wenn betont wird, was die Verbraucher wollen.

  3. @ – Sören – Umfragen

    Ich gebe Dir recht: In aller Regel haben die Befragten nicht die geringste Ahnung, worum es eigentlich geht – sie hören “Gen”, “Klon” & “Technik” und sehen rot.

  4. @ – Sören: Umfragen

    Zur “Verteidigung” von Umfragen muss ich hinzufügen, dass ich selbst sehr viele durchgeführt habe, und zwar unter schwangeren Frauen in Deutschland, in Großbritannien, den USA, im Jordan, in Pakistan und zuletzt auf Trinidad/Tobago. In all diesen Umfragen ging es darum herauszubekommen, inwieweit Frauen an der Nutzung einer Technologie zur präkonzeptionellen Geschlechtswahl interessiert sind und welche Geschlechterpräferenzen sie haben.

    Die alles entscheidende Frage ist für mich jedoch: Welche Bedeutung wollen wir den Umfrageergebnissen beimessen? Die meisten Leute glauben, dass wenn die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Wahl des Geschlechts von Kindern ist, muss sie auch verboten werden. Sie betrachten dies sogar als den Sinn von Demokratie. Doch dies ist barer Unsinn! Selbst wenn 99,9% der Bevölkerung für die Todesstrafe wäre, wäre dies kein hinreichender Grund für ihre Wiedereinführung.

  5. Unwissenheit gleich Interesse

    Lieber Edgar,

    erstmal ein Danke für Deine Kommentare. Dann gehen wir mal durch:

    Erster Kommentar: einverstanden, genau darauf wollte ich hinaus, obwohl mir mein Artikel im Nachhinein auch etwas konus erscheint…

    Zweiter Kommntar: Das Interessante ist, dass es ja immer nur ein paar Tausend Befragte sind. Natürlich kann man nicht jeden Einwohner einzeln befragen, aber so wird das Ergebnis einiger Tausend zu der Meinung ALLER.
    Was die Bedeutung angeht, habe ich das meiner Meinung nach etwas schlapp erwähnt. Es ist schließlich so, dass Umfragen in Form von Studien in sofern eine Bedeutung beigemessen wird, dass die Ergebnisse in die Argumentation eingebaut wird. So wird Unwissenheit zu Verbraucher-Interesse und das ist meiner Meinung nach ziemlich fatal.

  6. @ – Sören: Umfragen

    Angeblich sollen die von Allensbach, Forsa u.a. durchgeführten Bevölkerungsumfragen ja wirklich “repräsentativ” sein. Ich habe dies bislang nie in Frage gestellt. Muss ich?

  7. Fähigkeit der Beurteilung

    Huch, nu wirds aber kompliziert und das ganz ungewollt…wie bist Du denn vorgegangen, als Du Deine Umfragen durchgeführt hast? Hast Du dabei auch etwas über die Frauen erfahren? Ich will keineswegs andeuten, dass die Menschen alle doof sind und sich nur deshalb so klar gegen Klonfleisch oder Gentechnik positionieren, man kann eben nicht immer über alles Bescheid wissen. Wer garantiert mir also, dass die Teilnehmer einer Studie genau wissen, was sie da beurteilen?

  8. Churchill hat doch gesagt, das er keiner umfrage traut, die er nicht selbst gefälscht hat. Ich sehe es ähnlich.

  9. @Verbrauchermax

    Mir geht das nicht um das Fälschen von Umfragen, sondern darum, dass viele Umfragen schlicht obsolet sind, wenn die Befragten zuvor nicht ausreichend über das Thema aufgeklärt wurden…

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