Neue Ära der Klimapolitik

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In seiner gestrigen Antrittsrede hat der neue US-Präsident Barack Obama nochmals bekräftigt, dass mit dem Regierungswechsel eine radikale Wende in der US-Klimapolitik eingeläutet wird. Gleich zu Anfang schildert Obama die "Krise", in der die USA sich befinden. Neben Kriegen und Wirtschaftskrise gehört zu dieser Diagnose auch:

Jeder Tag beweist aufs Neue, dass die Art und Weise unseres Energieverbrauchs unsere Gegner stärkt und unseren Planeten bedroht.

Zur Lösung setzt Obama auf wissenschaftliche Rationalität:

Wir werden der Wissenschaft ihren rechtmäßigen Platz zurückgeben.

Das ist eine unverhohlene Anspielung auf die Wissenschaftsfeindlichkeit der Bush-Administration, die bis hin zur Unterdrückung unliebsamer Forschungsergebnisse ging. Wenn ich in den vergangenen Jahren auf Konferenzen mit amerikanischen Kollegen sprach, habe ich viele konkrete Beispiele dafür gehört, wie Klimaforschern an Regierungsinstituten Pressekontakte untersagt wurden, weil ihre Ergebnisse die globale Erwärmung und ihre Folgen belegten.

Seine Antworten auf den Klimawandel benennt Obama in der Antrittsrede noch konkreter:

Wir werden Sonne, Wind und Ackerboden nutzbar machen, um unsere Autos und Fabriken anzutreiben.

Obama will durch kluge Investitionen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Wirtschaft beleben und dabei u.a. die Stromnetze ausbauen – das ist eine wichtige Voraussetzung für den Umstieg auf erneuerbare Energien, in den USA ebenso wie in Europa. Davon könnte sich auch die Bundesregierung eine Scheibe abschneiden.

Obama betonte weiter die "neue Ära der Verantwortung" und die Verpflichtungen gegenüber der Welt, die die amerikanischen Bürger haben.

Mit alten Freunden und früheren Gegnern werden wir unermüdlich arbeiten, um die nukleare Bedrohung zu verringern und die Gefahr der globalen Erwärmung einzudämmen. 

Neben Obamas gestriger Rede und seiner ausführlicheren Klimaschutzrede vom November ist es auch die Wahl seiner Berater und Minister, die eine fundamentale Wende andeutet. Energieminister ist der Physik-Nobelpreisträger Steven Chu, von dem eine Wende in der Energiepolitik zu Gunsten der erneuerbaren Energien erwartet wird.

Wissenschaftsberater ist der Harvard-Professor John Holdren, Direktor des Woods Hole Research Center und ein langjähriger Kenner der Klimaforschung. Zu Obamas Beraterteam gehört seit langem auch Daniel Kammen, Direktor des Renewable and Appropriate Energy Laboratory der University of California in Berkeley. Kammen konnten wir hier in Potsdam im Oktober 2007 zur Nobelpreisträgertagung A Nobel Cause begrüßen.

Alle Anzeichen deuten daher darauf hin, dass in den USA heute eine neue Ära in der Klimaschutzpolitik begonnen hat. Dies dürfte auch den internationalen Klimaschutzbemühungen neuen Schwung verleihen – vor der entscheidenden Konferenz zur nächsten Phase des Kyotoprotokolls in Kopenhagen im kommenden Dezember ist dies auch dringend nötig.

Update 28. Januar: Die Obama-Administration hat jetzt einen Sondergesandten für Klimawandel ernannt: Todd Stern. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte bei seiner Vorstellung:

As should be evident by now, the President and I believe that American leadership is essential to meeting the challenges of the 21st century. And chief among those is the complex, urgent, and global threat of climate change.

 (…)

So the urgency of the global climate crisis must not be underestimated, nor should the science behind it or the facts on the ground be ignored or dismissed. The time for realism and action is now.

Todd Stern (übrigens nicht verwandt mit dem Briten Sir Nicholas Stern) hat 2007 einen Plan veröffentlicht, wie eine "low-carbon economy" geschaffen werden kann – also eine Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß.

Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

35 Kommentare

  1. Na mal abwarten, welche Taten den Worten folgen. Eine Nagelprobe wird z.B. sein ob man der Energieverschwendung durch eine Besteuerung des Sprits entgegen tritt. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass die US-Konsumenten den Weltmeistertitel in der Energieverschwendung abgeben.

  2. Neue Ära der Klimapolitik?

    Jetzt wird sich zeigen, wie stark die Gegenkräfte aus den Reihen der atomar-fossilen Industrien sind. Dort gibt es zwar schon jüngere Manager, die anders denken, aber die überwiegende Mehrzahl der Industriebosse in der konventionellen Energiewirtschaft setzt noch auf die Gewinne mit den “alten Energietechniken”.
    Der ökologische Realismus von Obama wird hoffentlich in den USA bestehen bleiben und so auf Europa ausstrahlen.
    Es war ja geradezu aberwitzig, dass im Land der Nobelpreisträger gerade die Klimaforschung unterdrückt und schikaniert wurde.
    Die Welt hat wegen des Schwindens der Energieressourcen (Geologie) und der damit verbundenen Preissteigerungen und politischen Konflikte (Ökonomie), überlagert vom beherrschenden Thema dieses Jahrhunderts, dem Klimawandel (Ökologie), nur eine einzige Chance:
    Mit bewährten und hinzukommenden neuen Technologien (Quantenphysik und Nanotechnologie) die solare Effizienzrevolution einleiten und die Zivilgesellschaft ökologisieren.

  3. Erneuerbare Energien

    ” … das ist eine wichtige Voraussetzung für den Umstieg auf erneuerbare Energien, in den USA ebenso wie in Europa.”

    Mir ist schleierhaft, wie ein Naturwissenschaftler angesichts der bekannten Ernergieerhaltungssätze derart unkritisch das Wort von den “erneuerbaren” Energien benützen kann. Schon Hegel hat uns in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes gelehrt, wie wichtig die Arbeit am Begriff ist.

    [Antwort: Aus Sicht des Erdbewohners ist es durchaus sinnvoll zu unterscheiden zwischen solchen Energieformen, von denen wir nur begrenzte Vorräte auf unserem Planeten haben, und solchen, die ständig neu von außen auf die Erde gelangen (Sonnenstrahlung). Ein Windrad oder eine Solaranlage “verbrauchen” eben keine Energievorräte, von denen wir hinterher weniger haben. Wenn Sie das nicht erneuerbar nennen wollen, welches ist Ihr Vorschlag? Stefan Rahmstorf]

  4. Erneuerbare Energien

    Sehr geehrter Herr Prof. Rahmstorf,

    das Wort “erneuerbare Energien” ist ein politisch motiviertes Täuschewort, kein exakter wissenschaftlicher Begriff. Es gibt das falsche Signal aus, dass Energien erneuert werden könnten. “Erneuerbare Energie” ist sprachlich sehr verwandt mit den “Perpeteum mobile”-Träumereien vergangener Jahrhunderte.

    Ein ähnlicher Traum ist heute die Vorstellung, Wind, Sonne und Energiepflanzen könnten auf absehbare Zeit einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung einer wachsenden Menschheit leisten. Und dieser Traum wird durch die wissenschaftlich unhaltbare Formel von den “erneuerbaren” Energien gefördert.

    Solange für Energie und insbesondere für elektrische Energie keine ausreichenden und effektiven Speicherungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sind Wind und Sonne für die Grundversorgung ungeeignet. So konnten die Tausende von Windräder in den ersten Hochdruckwetterwochen dieses Jahres praktisch ohne Wind nicht mehr als ein paar hundert Megawatt Leistung bereitstellen – von der großflächigen Verschandelung der wunderschönen norddeutschen Landschaft einmal ganz zu schweigen. Und was die Energie vom Acker betrifft, die Präsident Obama angesprochen hat: Solange die landwirtschaftlich nutzbare Fläche auf der Erde begrenzt ist – und das wird sie wohl immer sein – wird die Beschlagnahme von Ackerflächen für Energiepflanzen die ohnehin bestehenden Hunger- und Ernährungsprobleme in der Welt nur verschärfen. Das kann kein vernünftiger Mensch wollen. Und niemand sollte durch ein Täuschewort wie das von den “erneuerbaren” Energien derartiges befördern.

    Auf Ihre Frage, welche andere Begrifflichkeit mir denn vorschwebe, nur eine kurze Antwort: Solange man keinen wissenschaftlich verantwortbaren Begriff für hat, unter dem man die Energiegewinnung aus Wind, Sonne oder Ackerbau subsumieren kann, soll man in einem Blog mit wissenschaftlichem Anspruch die einzelnen Dinge konkret benennen. Sprachliche Verwischungen und Täuschungen sollte man Politikern und politischen Blogs überlassen.

    [Antwort: Dies sind reale Probleme der erneuerbaren Energien, aber sie sind nicht unüberwindlich und auch nicht erst seit gestern bekannt, sodass Ingenieure bereits Lösungsoptionen erarbeitet haben – “Träumer” sind das übrigens nicht. In einem System, das Europa zu 100% mit Strom aus Erneuerbaren versorgt, benötigen Sie noch ca. 20% an speicherbarer Regelenergie, die aus Wasserkraft und Biomasse kommen kann. Voraussetzung ist ein europaweites Netz, um lokale Windschwankungen durch Horizontalausgleich abzupuffern. Die Elektromobilität wäre eine ideale Ergänzung, weil dann ständig millionen Autobatterien als Speicher am Netz hängen.

    Was das nachhaltige Potenzial der Bioenergie angeht (ohne Einschränkungen bei der Nahrungsversorgung), dazu hat der WBGU übrigens gerade ein ausführliches Gutachten publiziert. Stefan Rahmstorf]

  5. Obama Urgent on Warming, Public Cool

    Der Wähler hat sich zwar für Obama entschieden, er hat aber seine eigenen Probleme schreibt Andrew C. Revkin auf dot.earth:

    According to the survey of 1,503 adults, global warming, on its own, ranks last out of 20 surveyed issues. Here’s the list from top to bottom, with the economy listed as a top priority by 85 percent of those polled and global warming 30 percent: the economy, jobs, terrorism, Social Security, education, energy, Medicare, health care, deficit reduction, health insurance, helping the poor, crime, moral decline, military, tax cuts, environment, immigration, lobbyists, trade policy, global warming.

    aus:
    http://dotearth.blogs.nytimes.com/2009/01/22/obamas-urgency-on-warming-meets-cool-public/?hp

  6. @ rainer Vogels :
    Hinsichtlich Windenergie zweifelt man ob eine flächendeckende Nutzung nicht Einfluß auf die Erdumdrehung, welche ja den Wind erzeugt, haben könnte. Vielleicht ist dieses unter “erneuerbar” gemeint ?

    Lediglich Sonnenenergie kann wohl selbst bei größter Ausbeute als problemlos erneuerbar eingestuft werden.

    Ansonsten stehe ich den Aussagen Obamas ebenso kritisch entgegen wie den Wahlversprechen der SPD und CSU. Derzeit vergeht kaum eine Stunde in der nicht wieder eine “Eilmeldung” aus Amerika kommt was gemacht werden soll. Wenn das so weitergeht ist die Welt in biblischen 7 Tagen gerettet.

  7. Erneuerbare (?) Energien

    Können wir uns darauf verständigen, dass nach menschlichem Vorstellungsvermögen die solaren Energien uns noch unendlich lang, ca. 4 Milliarden Jahre, erhalten bleiben.
    Solange jedenfalls, bis die Energie der Sonne in einen anderen Zustand übergeht und sich in andere Welten verlagert.
    Grundsätzlich können aber auch Philosophen ganz gewaltig irren, haben sie denn nicht alle, inklusive Ernst Bloch, in den 50er Jahren die schöne neue Atomherrlichkeit beschrieben mit geradezu paradiesischen Zuständen für die menschliche Zivilisation.

  8. Begriffsdeutung Erneuerbare

    Herr Vogels betreibt – wohl mangels wirklicher Argumente – reine Wortklauberei.

    Würde man seinen Maßstab anlegen, dann dürften wir auch die Begriffe Sauerstoff oder Oxygenium nicht verwenden, denn er erzeugt keine Säuren, das Wort Atom wäre falsch, denn es ist doch teilbar, auch schon der Sonnenauf- und -untergang wäre “täuschende” Begriffe.

    Herr Vogles will nur verhehlen, dass ihm die ganze Richtung nicht passt und er sucht nach Ansatzpunkten um seine Vorurteile gegen diese Energieform zu rationalisieren.

    Dies wird ihm wohl kaum gelingen, dazu ist die Entwicklung der Erneuerbaren schon viel zu weit fortgeschritten und belastbare Alternativen dazu gibt es praktisch nicht.

  9. Täuschende Begriffe

    Als man Sauerstoff entdeckt hatte, nannte man dieses Gas “Sauer”-stoff, weil man glaubte, dass es säurebildend sei. Als man den Sonnenaufgang Sonnen-“aufgang” nannte, glaubte man, dass tatsächlich morgens die Sonne aufgeht. Als man das, was man heute als Atom bezeichnet, entdeckt hatte und es in Erinnerung an Demokrit “Atom” nannte, glaubte man, tatsächlich den kleinsten, nicht mehr weiter teilbaren Bestandteil der Materie vor sich zu haben.

    Als man jedoch Wind- Sonnen- und Bioenergie “erneuerbare” Energien nannte, kannte man den Energieerhaltungssatz und wusste, dass man Energien nicht erneuern kann.

    Indem man dennoch diesen Begriff gewählt hat, hat man ein sprachliches Perpeteum-mobile-Signal mit dieser Art von Energie verbunden. So wurde “erneuerbare” Energie ein täuschender, letzlich Illusionen fördernder Begriff.

    Man unterschätze die Arbeit am Begriff nicht. Sprache formt Denken: Kluge Herrscher haben daher zu allen Zeiten versucht, nicht nur äußerlich mit Polizei und Armee ihre Herrschaft zu sichern, sondern schon im Vorfeld dadurch, dass sie mit der Durchsetzung bestimmter Begriffe und Sprachrelegungen ihre Herrschaft in den Köpfen der Menschen verankerten. Beispiele für diese Strategie kennt jeder in großer Zahl aus den politischen Debatten unserer Zeit.

  10. @ Klaus Natmann

    “Herr Vogels betreibt – wohl mangels wirklicher Argumente – reine Wortklauberei.”

    Ja, deshalb ist Herr Vogels auch Vertreter des Kreationismus. Wunschdenken steht hier wie da leider über wissenschaftlichen Fakten.

    Was Barack Obama betrifft, so bin ich hier recht optimistisch. Sicherlich wird auch er auf Widerstände stoßen und nicht alles direkt umsetzen können, aber im Vergleich zu seinem Vorgänger kann sich die Klimaschutzpolitik der USA nur in die richtige Richtung bewegen.

  11. Erdumdrehung

    @ Optimum

    “Hinsichtlich Windenergie zweifelt man ob eine flächendeckende Nutzung nicht Einfluß auf die Erdumdrehung, welche ja den Wind erzeugt, haben könnte. Vielleicht ist dieses unter “erneuerbar” gemeint ?”

    Wenn Windräder tatsächlich nennenswerten Einfluss auf die Erdumdrehung haben sollen, dann dürfen wir auch keine Bäume mehr pflanzen, denn jeder Baum erhöht den Reibungswiderstand der Erde! Jeder Wald ist ein wahrer Erddrehungsbremsklotz. Ganz zu schweigen von Hochhäusern, Brücken, Kirchen- und Kühltürmen. Als sich die Alpen emporhoben muss es eine wahre Vollbremsung gegeben haben.

  12. Biomasse Potenzial

    Biosprit ist bestenfalls die drittbeste Möglichkeit, Energie aus Biomasse zu gewinnen. Die derzeit effektivste Methode ist, per Pyrolyse die Biomasse in Biogas zu verwandeln und damit Strom zu erzeugen. Bei diesem Vorgang fallen als Nebenprodukte noch Asche, Holzkohle, Teere (alles als Dünger verwertbar) und Abwärme (z.B. für Trockenanlagen) an. Fossile Energien sind nicht erforderlich.

    Meines Wissens geht das z.Z. nur mit relativ kleinen Anlagen von max. 100 KW, die derzeit um die 50.000 EURO kosten. Die Stromerzeugung erfolgt also dezentral und deshalb gibt es relativ geringe Übertragungsverluste und Transportkosten für die Biomasse.

    Ein wichtiger Aspekt ist dabei, dass diese Art der Stromerzeugung Grund- Mittel- und Spitzenlast abdecken kann, da sich das Biogas speichern lässt. Damit stellt es eine perfekte Ergänzung zu Wind- und PV-Strom dar.

    Besonders geeignet sind diese Anlagen in den warmen Regionen weil dort ganzjährig Biomasse anfällt und es daher keine Lagerungskosten gibt. Es kann jede Art von Biomasse verwendet werden, also auch Abfallstoffe wie Blätter, Getreidehülsen, Fäkalien usw.

    Diese Technik ist bereits heute ohne Subventionen konkurrenzfähig und hat zudem ein enormes Potenzial, den Lebensstandard und die Kaufkraft der Landbevölkerung in der Dritten Welt zu steigern, weil die massenhaft anfallenden Abfälle plötzlich einen Wert bekommen.

    Mit den Kosten für die Bali-Klimakonferenz hätte man vermutlich tausende solcher Anlagen vorfinanzieren können. Ich hoffe sehr, dass Obama dafür sorgt dass mehr gehandelt und weniger debattiert wird.

    @ Prof. Rahmstorf: Vieleicht wäre es eine gute Idee, zum Thema Biomasse einen separaten Artikel zu erstellen, denn es ist ein extrem komplexes Thema. Vermutlich kennen Sie bereits folgende Seite:

    http://terrapreta.bioenergylists.org/…y/term/166

    Falls nicht, kann ich nur wärmstens empfehlen, dort ein wenig zu stöbern, vor allem die Artikel in Bezug auf Kunstdünger-Ersatz. Auf dem Gebiet bin ich selber tätig und kann aus eigenen Erfahrungen viele der Forschungsergebnisse bestätigen.

  13. Erneuerbare Energien, Obamas Strategie

    Beim Begriff “erneuerbare” Energien zeigt sich, wie mit sprachlicher Unschärfe Politik gemacht und Stimmungen und Emotionen erzeugt werden.

    Wer die Begriffe definiert, wer die Deutungshoheit hat, der hat schon den halben Weg zurückgelegt, seine Agenda auch durchzusetzen.

    Ein korrekter Gebrauch der deutschen Sprache wäre, von erneuerbaren Energien als solchen zu sprechen, deren Energieträger der Mensch durch aktiven Eingriff nach Verwendung “erneuern”, also wiederherstellen kann.

    Da ist mir nur eine bekannt: Kernspaltung (Wiederaufbereitung der Brennstäbe).

    Die gemeinhin als “erneuerbar” bezeichneten Energien sind bei exaktem Gebrauch der deutschen Sprache solche, deren Energieträger “sich erneuern”. Das ist aber etwas völlig anderes. Neben Wind und Sonne gehören eben auch Öl, Kohle und Erdgas zu den “sich erneuernden” Energien.

    Obama wird Sie bitter enttäuschen, Herr Rahmstorf. Er ist Amerikaner – und Erzkapitalist. Es sollte doch aufgefallen sein, daß er in seiner Rede zwar von Energieerzeugung, nicht aber von “globaler Erwärmung” gesprochen hat.

    Alles, was ich sonst von seiner Administration gelesen habe, deutet auf einen in der Tat radikalen Wechsel in der Klimapolitik hin. Aber nicht so, wie Sie sich das vorstellen, Herr Rahmstorf.

    Im Gegensatz zu Bush, der Klimafragen schlicht ignoriert hat, wird Obama versuchen, diese für sich zu instrumentalisieren. Er wird eine neue Ära der amerikanischen Dominanz einleiten, in dem er versucht, von der Klimadebatte so viel wie möglich (ökonomisch und machtpolitisch) zu profitieren. Er ist eben Amerikaner. Und als solcher sozialisiert, das muß man beachten.

    Obamas Administration wird eine klare Anpassungsstrategie fahren. Und keine Vermeidungspolitik in Gang setzen. Und man wird die Chancen versuchen zu definieren und zu nutzen, die in einem Klimawandel bestehen. Für Landwirtschaft und Bergbau ebenso, wie für sicherheitspolitische Interessen.

    Obamas Administration wird klar “böse” Technologien, wie Gentechnik und Kernkraft protegieren.

    Und man wird eben die Definitionshoheit über den Begriff “Klimaschutz” versuchen, zurückzugewinnen.

    Nicht mehr “Schutz des Klimas vor dem Menschen”, sondern “Schutz des Menschen vor dem Klima (sprich: vor schlechtem Wetter)” wird das Thema sein.

    Obama wird gestalten, wo andere nur reagieren.

    Womit wir wieder beim exakten Sprachgebrauch wären: Sonnenschutz, Regenschutz, Windschutz – wir wissen, wie diese Begriffe zu deuten sind.

    Bald werden wir also auch wieder wissen, was unter “Klimaschutz” wirklich zu verstehen ist, wenn sich die Amerikaner dessen annehmen.

  14. 100%-Erneuerbare-Szenarien

    Herr Rahmstorf,

    Sie kommentierten oben:

    “In einem System, das Europa zu 100% mit Strom aus Erneuerbaren versorgt, benötigen Sie noch ca. 20% an speicherbarer Regelenergie, die aus Wasserkraft und Biomasse kommen kann.”

    Könnten Sie mir sagen, auf welche Untersuchungen/Arbeiten Sie sich in Ihrer Aussage beziehen?

    “Voraussetzung ist ein europaweites Netz, um lokale Windschwankungen durch Horizontalausgleich abzupuffern.”

    Da stelle ich Ihnen die Frage, wo in Europa ertragsreiche Standorte zu finden sind, deren Windverhältnisse statistisch ausreichend antikorreliert sind.

    Schon eine einfache Prüfung von Monatsmittelwerten der Windgeschwindigkeit macht deutlich, daß die Windgeschwindigkeiten in ganz Mitteleuropa überwiegend positiv korreliert sind und Standorte mit Ausgleichspotential rar sind:
    http://i171.photobucket.com/…ndEuropaWindfin.png

    Auch Herr Czisch, der in einer seiner Veröffentlichungen vorschlug, Zirkumpolar- und Passatwindzonen zum Ausgleich heranzuziehen, stellte in der Simulation deutliche Leistungsenbrüche fest. Leider verzichtet auch Herr Czisch auf die Darstellung der Leistungsdauerlinie eines solchen Szenarios (wie nahezu alle ähnlichen Arbeiten auch).

    Mir wurde unlängst ein Vorschlag für einen EE-Mix unterbreitet, den ich wie folgt überschlagen habe:
    http://i171.photobucket.com/…U-Sperling-Mix1.png
    http://i171.photobucket.com/…U-Sperling-Mix2.png

    Die erforderlichen Speicherkapazitäten hätten überschlägig 20TWh betragen, Verluste noch nicht berücksichtigt.

    “Die Elektromobilität wäre eine ideale Ergänzung, weil dann ständig millionen Autobatterien als Speicher am Netz hängen.”

    Herr Rahmstorf, Akkus verschleißen, ihre Lebensdauer wird ganz überwiegend von der Zahl der Lade- und Entladezyklen bestimmt. Die Energiemenge, die Sie über einen Akku schleusen können, ist also endlich – in diesem Sinne ähnelt er einer Batterie. Jede Nutzung von Akkukapazitäten ist deshalb mit (versteckten) Verschleißkosten verbunden.

    Wenn ein E-Mobilakku also zB eine Lebensdauer von ~10 Jahren bei ~10% echter Nutzungszeit des Fahrzeuges aufweist, so wird sich die Lebensdauer auf 1 Jahr verkürzen, wenn das E-Werk die übrige Zeit damit ‘spazierenfahren’ will.

    Es ist also unmittelbar einsichtig, daß sich das E-Werk genausogut mit eigenen Akkukapazitäten eindecken könnte – das könnte es wegen Skalierungseffekten wahrscheinlich sogar wesentlich preiswerter tun als ein E-Mobil-Besitzer. Davon ist nun nicht die Rede, weil die Branche auf Freifahrten beim Kunden spekuliert.

  15. @Prof. Rahmstorf

    In Ihrer Antwort zum Beitrag Rainer Vogels – Erneuerbare Energien schreiben Sie, Zitat:
    “Voraussetzung ist ein europaweites Netz, um lokale Windschwankungen durch Horizontalausgleich abzupuffern.”

    Das europaweite Energieverbundsystem, so wie es existiert ist dazu weder konzipiert noch in der Lage. Um dieses Netz so auszubauen, das Strom je nach Bedarf vom einen Ende Europas zum anderen durchgeleitet werden könnte, kämen auf die Stromversorger (bzw. auf den jeweiligen Staatshaushalt) Investitionskosten im mehrstelligen Milliardenbereich zu. Dies ist nicht zuletzt angesichts der derzeitigen Finanzkrise völlig illusionär!

    [Antwort: Warum sollte man ähnliche Beträge, wie man sie jetzt in einem Jahr zur Rettung von einigen Banken einzusetzen bereit ist, nicht auch über Jahrzehnte gestreckt dafür investieren können, um Europa eine nachhaltige Energieversorgung zu geben? Stefan Rahmstorf]

  16. @Prof. Rahmstorf, Ihr Artikel

    Herr Prof.Rahmstorf,
    in Ihrem Beitrag schreiben Sie, Zitat:
    “Neben Obamas gestriger Rede und seiner ausführlicheren Klimaschutzrede vom November ist es auch die Wahl seiner Berater und Minister, die eine fundamentale Wende andeutet. Energieminister ist der Physik-Nobelpreisträger Steven Chu, von dem eine Wende in der Energiepolitik zu Gunsten der erneuerbaren Energien erwartet wird.”

    Steven Chu hat sich aber in ganz anderer Weise geäussert, als Sie vermuten. Chu hat eine radikale Kehrtwendung vollzogen und bezeichnet die Kohlekraft jetzt als eine “grossartige natürliche Resource” und will deren Nutzung steigern !!!

    Chu, who said in a 2007 speech that coal was his “worst nightmare” because of its effect on climate change, said at the hearing the U.S. has an “opportunity” to develop technologies that would burn coal with fewer greenhouse-gas emissions.

    I feel very strongly that this is not only an opportunity, it’s something the U.S., with its great technological leadership, should rise to the occasion to develop,” Chu said.

    The country has the world’s largest coal reserves, holding about 27 percent of recoverable coal, according to the U.S. Energy Information Administration. Coal supplied 50 percent of the nation’s power in 2005, and accounted for 36 percent of total U.S. energy-related carbon dioxide emissions.

    “We will be using that great natural resource,” Chu said.

    Quelle: Bloomberg News, 13.Januar)

    Im Übrigen kann die von Ihnen zitierte Feststellung Obamas “Wir werden der Wissenschaft ihren rechtmäßigen Platz zurückgeben” auch so gedeutet werden, dass er eine reserviertere Haltung gegenüber der AGW-Klimadoktrin einnehmen wird, als Ihnen lieb sein kann.

    Freuen Sie sich also nicht zu früh!

  17. @ Peter Heller

    “Nicht mehr “Schutz des Klimas vor dem Menschen”, sondern “Schutz des Menschen vor dem Klima (sprich: vor schlechtem Wetter)” wird das Thema sein.”

    Ihre Interpretationsversuche zur Rede von Barack Obama in allen Ehren. Leider entspringen diese eher Ihrem Wunschdenken.

    Barack Obama hat sich klar zu Klimaskeptikern geäussert:

    “Zyniker, die nicht begreifen, dass die Erde unter ihnen gebebt hat und dass die faden politischen Argumente, die uns so lange beschäftigt haben, nicht länger zählen”.

    Und er hat sich klar zu anstehenden Klimaschutzmaßnahmen geäussert (und nicht zu Anpassungen an das Wetter):

    “Als eine seiner ersten Entscheidungen hat er eine Gesetzesinitiative angekündigt, um einen landesweiten Emissionshandel (“Cap&Trade”) für die USA einzuführen, der bis 2020 die jährlichen Emissionen wieder auf das Niveau von 1990 drücken soll. Dies ist viel, wenn man es mit den Ansätzen der bisherigen Regierung vergleicht. Auf langer Sicht verspricht Obama eine 80%-ige Treibhausgasreduktion in den USA bis 2050. Erreichen will er dies u.a. mit der Förderung von Erneuerbaren Energien, deren Anteil an der Stromproduktion bis 2025 auf 25% steigen soll. Staatliche Direktförderungen für Erneuerbare Energien wurden im Wahlkampf ebenso angekündigt wie schärfere Gesetze zu Abgasemissionen und Motoreneffizienz.
    Der US-Energieminister ist Nobelpreisträger Chu, ein starker und kompetenter Befürworter von Erneuerbaren Energien.”

    http://www.germanwatch.org/

    Das alles sieht nun wahrlich nicht danach aus, als ob Obama nur auf das Wetter reagieren wolle!

  18. Erneuerbare Energien

    @ Peter Heller

    “Die gemeinhin als “erneuerbar” bezeichneten Energien sind bei exaktem Gebrauch der deutschen Sprache solche, deren Energieträger “sich erneuern”. Das ist aber etwas völlig anderes. Neben Wind und Sonne gehören eben auch Öl, Kohle und Erdgas zu den “sich erneuernden” Energien.”

    Warum diese Spitzfinderei und Wortklauberei, Herr Heller?

    Vielleicht können wir uns auf die Definition bei Wikipedia verständigen:

    “Erneuerbare Energien, auch regenerative Energien oder Alternativenergien, sind aus nachhaltigen Quellen sich erneuernde Energien. Sie bleiben − nach menschlichen Zeiträumen gemessen − kontinuierlich verfügbar und stehen hiermit im Gegensatz zu fossilen Energieträgern und Kernbrennstoffen, deren Vorkommen bei kontinuierlicher Entnahme stetig abnimmt.”

    http://de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare_Energien

    Es kommt bei dem Begriff “erneuerbar” also nicht darauf an, ob sich diese Energieformen in irgendwelchen utopischen Zeiträumen erneuern sondern es kommt darauf an, ob sie sich in der Zeit gleichermaßen erneuern, in der wir sie verbrauchen/nutzen. Entscheidend ist hier der Begriff der Nachhaltigkeit.

    Jeder weiss heute, was mit Erneuerbaren Energien gemeint ist. Nicht dieser Begriff an sich ist “unscharf” sondern SIE sind es, der diesen Begriff gezielt “unscharf” zu machen versucht!

    Die Absicht dahinter ist offenkundig: Sie wollen die Erneuerbaren Energien diskreditieren. Einen anderen Zweck
    erkenne ich in Ihren Einwänden nicht!

  19. Keine Träumer

    “Dies sind reale Probleme der erneuerbaren Energien, aber sie sind nicht unüberwindlich und auch nicht erst seit gestern bekannt, sodass Ingenieure bereits Lösungsoptionen erarbeitet haben – “Träumer” sind das übrigens nicht.”

    Selbstverständlich sind die Ingenieure, die an den besagten Problemen arbeiten, keine Träumer. Ich bin sehr dafür, dass sie ihre Arbeit tun. Unrealistisch sind dagegen diejenigen, die meinen, dass diese Ingenieure in absehbarer Zeit zu Lösungen kommen könnten, die die Probleme beseitigen.

    Was die Speicherung von Energie betrifft – zur europaweiten Unzuverlässigkeit von Wind ist ja schon geschrieben worden – so wird, soweit ich sehen kann, an folgenden Konzepten gearbeitet:

    1. Pump-Wasserspeicher
    Daber wird Wasser auf ein höheres Niveau gepumpt, wenn Energie zur Verfügung seht, so dass es in energiearmen Zeiten durch Turbinen geschickt werden kann. Solche Speicher sind erprobt und funktionieren mit relativ geringen Verlusten. Sie benötigen allerdings einen geeigneten Standort. Praktisch gibt es in Europa keine Standorte, die zusätzlich zur Verfügung stünden.

    2. Wasserstoffspeicherung
    Dabei wird durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt, wenn der Wind weht, und dieser Wasserstoff steht dann später zur Energiegewinnung zur Verfügung. Diese Methode hat den Nachteil, dass ihr Wirkungsgrad weit unter 50% liegt.

    3. Druckluftspeicher
    Dabei wird Luft komprimiert und in unterirdischen Kavernen gelagert. Wenn man Strom braucht, wird die Luft abgelassen und durch Turbinen geschickt. Der Wirkungsgrad dieser Speicher ist nicht viel besser als der von Wasserstoffspeicherung. Luftdruckspeicher sind großtechnische Energieverschwender.

    4. Akku-Speicherung
    Dazu ist in diesem Blog schon einiges geschrieben worden. Ich füge nur noch folgendes hinzu: Akkus sind sehr teuer. Außerdem ist ihr Einsatz bei mobilen Verbrauchern dadurch begrenzt, dass ihre Leistungsdichte gering ist. Die Ingenieure, die keine Träumer sind, wissen sehr wohl, warum sie von Akkus bisher nur im Blick auf kleine PKW sprechen, nicht aber von LKW, Baggern, Traktoren etc.

    Angesichts dieser Probleme ist es unredlich, den Eindruck zu erwecken, als brauche man nur ein paar Milliarden an Forschungs- und Entwicklungsaufwand, um die Energieversorgung einer wachsenden Menschheit mit Hilfe von Sonne und Wind sichern zu können. Es ist noch nicht einmal ausgemacht, dass es überhaupt in diesem Jahrhundert möglich sein wird.

  20. Prof. Rahmstorf Artikel

    Herr Professor Rahmstorf,

    bevor Sie Ihren Lesern phantastistische Wunschvorstellungen über eine 100%ige Energieversorgung Europas aus “erneuerbaren” Energien wie Sonne, Wind, Erdwärme, Biomasse usw. anbieten, sollten Sie sich, wenn Sie schon nicht über die energietechnischen Zusammenhänge informiert sind, wenigsten die energierwirtschaftlichen Konsequenzen überlegen. Ohne die Hypothese vom anthropogenen Klimawandel ist die Nutzung dieser Energien nicht zu rechtfertigen. Kein Mensch wird Energie aus diesen Quellen bezahlen wollen und können, wenn er nicht dazu (politisch) gezwungen wird. Teile der deutschen Wirtschaft denken bereits heute darüber nach und suchen nach anderen Investitionsstandorten. Auch Obama wird in Kürze zu der Erkenntnis gelangen, dass es für die USA wichtigeres gibt, als Geld für den Bau und Betrieb von Wind- und Solaranlagen zu verbrennen. Die raue Wirklichkeit der Wirtschaftskrise wird ihn sehr schnell zu dieser Einsicht zwingen!

  21. Speicher, Dauerlinien, Ausgleichseffekte

    @ Wolfgang Flamme

    Sie sprechen die Themen einer 100% erneuerbaren Stromversorgung, Speicherkapazitäten, Dauerlinien und Ausgleichseffekte an, zu denen ich hier etwas beitragen möchte.

    Ich habe eine Reihe von Szenarien einer vollständig erneuerbaren Stromversorgung Europas und seiner Nachbarn gerechnet. Ich wählte dazu einen Optimierungsansatz, wobei die Optimierung nach dem Kostenminimum unter den jeweiligen Szenariobedingungen suchte und dementsprechend das gesamte Versorgungssystem – Übertragungssystem, Erzeugungs- und Speicherkomponenten – dimensionierte und den Einsatz der Komponenten im Stundentakt optimierte. Eine Nebenbedingung, die dabei erfüllt sein musste, war die Lastdeckung. Das bedeutet, dass der Strombedarf jederzeit gedeckt werden musste.

    Ich kann hier nicht auf Details eingehen. Diese finden sich in meiner Dissertation, die Sie auf meiner Veröffentlichungsseite finden.

    Gregor Czisch: Meine Vorträge und Veröffentlichungen

    Eines der Szenarien nenne ich Grundszenario. Hier wird davon Ausgegangen, dass die Stromversorgung allein mit heute marktverfügbaren Technologien zur regenerativen Stromerzeugung, Transport und Speicherung bewältigt werden muss. Als Kosten werden die aktuellen Marktpreise dieser Technologien angesetzt. Es werden also keine Annahmen über zu erwartende Kostenreduktionen getroffen sondern es wird konservativ ohne Kostenreduktionen gerechnet. Damit liegen die Ergebnisse – was beispielsweise die Stromkosten angeht – auf der sicheren Seite. (Junge Technologien werden ja bekanntlich relativ schnell billiger. Und relativ jung sind die Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien ja.)

    Das Ergebnis der Optimierung für das Grundszenario ist eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien zu Stromkosten von ca. 4,6€ct/kWh bei Übergabe an die lokalen Drehstromsysteme, inklusive Speicherung und Backupaufgaben. Details entnehmen Sie bitte meiner Dissertation oder dem zusammenfassenden Artikel „Low Cost but Totally Renewable Electricity Supply for a Huge Supply Area“, den Sie auch unter meinen Veröffentlichungen finden.

    Die Erzeugung findet im Grundszenario zu 18% aus Biomasse, zu 14.7% aus schon heute bestehenden Wasserkraftwerken, zu 1.5% solarthermischen Kraftwerken und zu 66% aus Windenergie statt. Dabei stellen Biomassekraftwerke und die Speicherwasserkraftwerke (nicht zu verwechseln mit Pumpspeicherkraftwerken) unter den Wasserkraftwerken die wesentlichen Speicherkomponenten dar. Auch die solarthermischen Kraftwerke sind mit Speichern ausgestattet, deren „Volumen“ sich aber vergleichsweise gering ausnimmt.

    Was die Speicherkapazitäten angeht, so ist eines der Ergebnisse, dass die klassischen Pumpspeicherkraftwerke im Grundszenario kaum zum Einsatz kommen. Bezogen auf die reine Erzeugung also das Turbinieren ohne Pumpen liegt die Auslastung im Mittel gerade bei ca. 380 VLh (Vollaststunden). Der meiste Backupbedarf kann also durch den gezielten Einsatz der Speicherwasserkraftwerke und der Biomasseverstromung gedeckt werden und der verlustbehaftete Vorgang des Pumpens und späteren Turbinierens bei Pumpspeicherkraftwerken wird weitgehend vermieden. Das lässt natürlich auch Rückschlüsse auf Speichervarianten zu, die noch höhere Verluste aufweisen, wie z.B. Druckluftspeicher, Batteriespeicher … Je weniger sie genutzt werden müssen, desto besser. Dazu können Sie auch einen Blick in den Spiegelartikel „Wankelmut des Windes“

    Sie finden Ihn in meinem Medienspiegel

    Dass – wie meine Szenarien zeigen – so wenig von diesen Speichern genutzt werden muss, ist zum großen Teil dem Stromtransportsystem zu verdanken, das als Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-System (HGÜ-System) das ganze Szenariogebiet leistungsstark durchzieht. Es erschließt damit die großen Speicher der Speicherwasserkraftwerke im Szenariogebiet.

    Übrigens, allein im Skandinavischen Nordel-Verbund und im UCTE-Verbund belaufen sich die Speicherkapazitäten der Speicherwasserkraftwerke auf 123 und 57 TWh. Siehe: Folie

    Im gesamten Szenariogebiet sind es 241 TWh Speicherkapazität bei einer Leistung der Speicherkraftwerke von 133 GW und einer Jahreserzeugung von etwa 400 TWh. (s. Dissertation).

    Das HGÜ-System schafft aber auch einen großen Ausgleich der Stromerzeugung aus Windenergie, indem es Standorte mit verschiedenster Erzeugungscharakteristik so verbindet, dass sich ihre Erzeugung kostenoptimal in den Erzeugungsmix integriert.

    Die Ausgleichseffekte kann man anhand der Graphen von Monatsmittelwerten an ausgesuchten Standorten

    Folie 56
    bis
    Folie 58

    nachvollziehen. Anhand der Dauerlinien

    Folie 59
    .
    .
    Folie 65

    sind die Ausgleichseffekte auch anschaulich erklärt.

    Damit sind wir bei den – von Wolfgang Flamme – geforderten Dauerlinien.

    In der schon erwähnten Dissertation finden sich in den Kapiteln

    4.2.2 Photovoltaik in den Regionen des Szenariogebiets
    4.3.1.3 Solarrinnenkraftwerke in den Regionen des Szenariogebiets
    5.4.1 Zeitliche Charakteristika der Windstromproduktion im Szenariogebiet
    9.4 Fallwindkraftwerke in den Regionen des Szenariogebiets

    jeweils Zeitreihen und Dauerlinien der Erzeugung der verschiedenen erneuerbaren Energien, die die unterschiedlichen regionalen Charakteristika noch weiter illustrieren. Eine Veröffentlichung, die sich explizit mit dem Thema von Ausgleichseffekten der Windenergie beschäftigt ist „High wind power penetration by the systematic use of smoothing effects within huge catchment areas shown in a European example“. Sie findet sich unter den anderen Veröffentlichungen, ebenso wie „Potentiale der regenerativen Stromerzeugung in Nordafrika“ in der nochmals ein anderes interessantes Set von Grafiken mit Dauerlinien zu finden ist.

    Letztlich ist aber nicht die theoretische Beschäftigung mit der Stochastik der Stromerzeugung aus verschiedenen erneuerbaren Energien interessant sondern die Frage, wie man unter Berücksichtigung aller zeitlicher Dargebotseigenschaften eine kostengünstige Stromversorgung realisieren kann. Diese Frage ist mit den Szenarien gelöst. Sie enthalten die Lösung der mit der Stochastik verbundenen Fragen implizit. Eine rein regenerative Stromversorgung ist also absolut möglich und bezahlbar. Jetzt gilt es sie umzusetzen.

  22. Obamas Strategie

    1. Ich muß mich korrigieren. Obama hat in seiner Rede, die ich nun endlich auch im Original lesen konnte, tatsächlich das Wort „global warming“ gebraucht. Die (einzige) Stelle lautet:

    „…roll back the specter of global warming“

    Übersetzt: “…das Phantom (Geist, Gespenst) der globalen Erwärmung zurückdrängen.”

    Nun ist auch im Englischen ein Phantom/Geist/Gespenst etwas, das nicht wirklich, sondern nur in der Einbildung existiert. Ein Schelm, der Interessantes in diesem sehr doppeldeutigen Satz entdeckt.

    Wie in der deutschen Übersetzung von Spiegel Online, nach der ich bislang gegangen bin, daraus der Satz „die Gefahr des Klimawandels bekämpfen“ (auch das ist doppeldeutig und kann sehr wohl im Sinne einer Anpassungsstrategie verstanden werden) wurde, ist mir jetzt schleierhaft.

    2. Zu den oben von multiverus zitieren Aussagen Steven Chu’s paßt das Interview von Hillary Clinton’s Wissenschaftsberaterin (Spiegel Online, 20.01.2009) Nina Fedoroff, in dem sie den massiven Einsatz der grünen Gentechnik zur Herstellung von Pflanzen, die die Ernährung trotz Klimawandels sichern können, ankündigt. Auch hier: Anpassung statt Vermeidung.

    3.@Thorsten Seifert: Obamas Zitat über die Zyniker bezieht sich nicht auf Klimaskeptiker, sondern auf Protagonisten einer ökonomischen Deregulierung, die die personelle Aufstockung der Administration durch Obama kritisiert haben.

    4.@Thorsten Seifert: Hmm, ich erkenne nicht, warum „sich erneuernd“ eine Diskreditierung gegenüber „erneuerbar“ sein sollte. „Sich erneuernd“ finde ich exakt (und es hört sich doch auch sehr positiv an), „erneuerbar“ ist ideologisch motiviert und verfälscht die Zusammenhänge. Es ist nun mal leider so, daß in irrationalen Debatten (Klima und Umwelt, Gesundheit, Wirtschafts- und Sozialpolitik) mit Worten Tatsachsen verhüllt und die Unkenntnis der Bevölkerung instrumentalisiert werden sollen. Leider. Ich wehre mich dagegen, denn die „sich erneuernden“ Energien haben dies nicht nötig. Sie geraten damit nur auch in einen nutzlosen Glaubenskrieg. Ich bevorzuge übrigens tatsächlich die Begriffe „alternativ“ bzw. „neu“ und „konventionell“ bzw. „herkömmlich“. Diese sind aus meiner Sicht völlig neutral und ermöglichen einen rationalen Blick auf die Dinge. Es ist also nicht meine Absicht, irgendeine Technologie zu diskreditieren. Vielmehr bin ich der Auffassung, daß wir alle Technologien, die uns zur Verfügung stehen, ausbauen, verbessern und nutzen müssen. Alle. Kernenergie, Photovoltaik, Wasser, Geothermie, Öl, Gas, Kohle, einfach alle. Mit einer Ausnahme: Windenergie finde ich in der Tat dämlich. Aber das hat keine ideologischen Gründe, sondern fachlich-rationale. Ich bin aber nicht bereit, hier eine Debatte über Windenergie zu eröffnen. Das ist ja auch nicht das Thema.

    5.@Thorsten Seifert: Ein „Cap & Trade“-System, wie es in den USA etabliert werden soll, ist eine höchst komplexe und schwierige Angelegenheit. Es läßt sich leider nicht in wenigen Sätzen erläutern (jedenfalls kann ich das nicht). Die meisten Menschen diskutieren hier leider auch wieder über etwas, das sie nicht in seiner Gesamtheit überblicken und dessen Auswirkungen sie nicht in ihrer Gänze verstehen. Eines ist mir aber wichtig: Ein solches Emissionshandelssystem wird nicht zur Senkung des CO2-Ausstoßes beitragen. Es wird genau den gegenteiligen Effekt haben. Vielleicht hilft zur Verdeutlichung ein Vergleich mit der derzeitigen Bankenkrise. Auch hier wurde nämlich etwas, das keiner haben wollte, nämlich das „Kreditrisiko“, zu einer Handelsware umfunktioniert. Es bekam so einen Wert, und auf einmal bestand Bedarf an „Kreditrisiken“. Diese mußten also erzeugt werden, was der Anfang der Geschichte ist. Wenn man CO2-Emissionen zu einer Handelsware macht, wird gleiches geschehen. Es wird Bedarf an Emissionen geben…
    Herrn Rahmstorfs Kollege James Hansen, der nun wahrlich kein Skeptiker ist, hat dies bereits verstanden (nach vielen Jahren ;), s. seinen offenen Brief an Obama in dieser Frage (Weblink bitte selbst heraussuchen)…

    [Antwort: Sie vergessen, dass das Prinzip des Emissionshandels “cap and trade” lautet. D.h. die Gesamtmenge der erlaubten Emissionen wird von der Politik gedeckelt. Damit kann man effektiv die Emissionen gemäß der Klimaschutzanforderungen herunterfahren – vorausgesetzt die Politik ist konsequent genug, die Caps entsprechend zu setzen. Stefan Rahmstorf]

  23. Speicher

    Bei der Speicheraufzählung fehlt der wahrscheinlich in Zukuft wichtigste Speicher, der Supraleitungsspeichet.
    Bei Speicherdichten von 11kWh/m³ sind “relativ” kleine Volumen erforderlich um viel zu speichern.

    Probleme dabei sind die schlagartige Energiefreisetzung bei Defekten und die großen Kräfte. Der Energieverlust von 12%/Tag bezieht sich auf die Kühlverluste bei kleinen Anlagen.
    http://www.kurzefrage.de/…etrische-Energiedichte

    http://supraleitungsspeicher.informatik-info.net/

  24. Stromnetz, Supernetz und deren Kosten

    @ multiverus

    Ich möchte jetzt auch noch kurz auf die Frage nach den Kosten des benötigten Stromnetzes – Supernetzes – für die 100% regenerative Vollversorgung eingehen.

    Erst einmal zur momentanen Situation in Deutschland:

    Das Hochspannungs-Transportnetz verursacht derzeit “Kosten” von gut einem € ct/kWh. Das Verteilnetz, das den Strom zum Endkunden bringt, ist um ein Vielfaches teurer und verursacht derzeit “Kosten” von etwa 5½ € ct/kWh.

    In Deutschland haben wir derzeit etwa 101’000 km Hochspannungsleitungen installiert. Für eine regenerative Vollversorgung müssten von den derzeit effizientesten marktverfügbaren HGÜ-Systemen (Begriff siehe in meinem Beitrag von 26.01.2009 | 20:57) etwa weitere 8’000 km Freileitungen in Deutschland installiert werden, also weniger als 10% der derzeitigen Leitungslänge zusätzlich. (Mit herkömmlicher Drehstromtechnik wäre es ein Vielfaches, weshalb ein baldiger Paradigmenwechsel erforderlich ist, z.B. auch schon allein, um die großen angepeilten offshore Windenergie-Leistungen integrieren zu können.)

    Jetzt zu den Kosten des Stromtransports für die 100%-Lösung:

    Um Strom über weite Distanzen von teils tausenden Kilometern kostengünstig und verlustarm transportieren zu können, muss man auf die richtige Technik zurückgreifen. Diese ist dann unzweifelhaft die HGÜ-Technik.

    In meinen Szenarien habe ich mit der – vor einigen Jahren geeignetsten – ±600kV – HGÜ gerechnet. (Heute ist die ±800kV HGÜ verfügbar.)

    Das Ergebnis der Optimierung für das Grundszenario (siehe Erläuterungen und Links in meinem Kommentar von 26.01.2009 | 20:57) ist ein leistungsstarkes HGÜ-Netz, das die guten Erzeugungsstandorte und die Standorte der Speicherwasserkraftwerke leistungsstark mit den Verbrauchszentren verbindet. Ich nenne dieses Netzt Supernetz, weil es sich so eingebürgert hat und der Name die Funktion – die Überlagerung der bestehenden Netze und die Ein- und Aus-Speisung in und aus diesen – veranschaulicht.

    Damit wäre die Funktion dieses Netzes geklärt und auch die Frage, ob es ein neues Netz sein muss, ist positiv beantwortet.

    Was ist nun mit den Kosten?

    Die Kosten für den Stromtransport belaufen sich im Grundszenario auf 11% der Gesamtkosten. Die Kosten schlüsseln sich zu 4% Verlustkosten, 7% Freileitungs- und Kabelkosten und 2% Umrichterkosten (Transformation von Drehstrom nach Gleichstrom und vice versa) auf. Sie enthalten Zins, Tilgung, Wartungs-, Instandhaltungs- und Betriebskosten, sind also Vollkosten.

    Nimmt man die Stromkosten des Grundszenarios, die wie in meinem vorherigen Beitrag erläutert bei 4,6€ct/kWh liegen, belaufen sich die Kosten für den Transport via HGÜ-System gerade mal auf etwa 0,5 €ct/kWh. Damit liegen sie um eine Größenordnung unter den Kosten, die heute – wie oben erwähnt – bei den Verteilnetzen abfallen. Es handelt sich also um einen vergleichsweise kleinen Betrag.

    Was nun die Investitionen in die regenerative Vollversorgung angeht, so kann man dem Kapitalbedarf insgesamt gelassen entgegensehen.

    In der erwähnten Dissertation – siehe

    Gregor Czisch: Meine Vorträge und Veröffentlichungen

    Habe ich dieser Frage in der Zusammenfassung folgende Passage gewidmet:

    “Würde der Kraftwerks und Leitungspark [wie er sich anhand der Optimierung für das Grundszenario ergibt] allmählich – z.B. gleichmäßig verteilt über die kalkulatorische Lebensdauer der verschiedenen Komponenten – aufgebaut, beliefen sich die jährlichen Investitionskosten für die Neuanlagen beim Grundszenario im gesamten Szenariogebiet mit 52,1 Mrd. € für die Windkraftwerke, 16,2 Mrd. € für die Biomassekraftwerke, 6,4 Mrd. € für das HGÜ–Transport–System und 2,7 Mrd. € für die solarthermischen Kraftwerke auf insgesamt 77,5 Mrd. €. Das entspricht grob 6‰ des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Jahres 2002 im Szenariogebiet (vgl. z.B. [DOE04]), nimmt sich also gegenüber dem BIP relativ klein aus. Die Bruttoanlageinvestitionen der EU–15–Länder sowie der USA und Japans liegen mit Werten zwischen gut 16 und gut 25% des jeweiligen BIP grob um das 25 bis gut 40–Fache darüber [Pro04]. Damit liegen schon die Unterschiede der Bruttoanlageinvestitionen zwischen einzelnen Ländern um mehr als eine Größenordnung über dem nötigen Finanzierungsbedarf für die Neuanlagen des Grundszenarios und selbst die Schwankungen zwischen verschiedenen Quartalen innerhalb eines Jahres sind teilweise um ein Vielfaches größer. Unter diesen Gesichtspunkten kann die Höhe der notwendigen Investitionen nicht als besonders große volkswirtschaftliche Herausforderung eingestuft werden.”

    Übrigens, die Umsätze in der Strombranche liegen heute allein in Deutschlands bei ca. 80 Mrd. €.

  25. Alternative

    Die Diskussion geht völlig an unseren alltäglichen Problemen vorbei. Heute importieren wir deutlich über 100 Millionen Tonnen Rohöl und Rohölerzeugnisse. Davon verbrauchen wir rund 30 Millionen Tonnen für Dieselkraftstoff und 20 Millionen Tonnen für Benzin. Über 20 Millionen Tonnen leichtes Heizöl kommen dazu, ebenso künftig steigende Mengen an Erdgas. Lithium- Ionenbatterien haben eine Speicherdichte, die über 20 mal so schlecht ist wie bei Benzin oder Diesel. Um 5 Liter Benzin oder Diesel zu ersetzen, benötigt man eine Li- Batterie mit dem mindestens 20-fachen Volumen. Damit sollte auch jede Disykussion darüber erledigt sein, wie man elektrischen Strom aus dem Netz in solchen Batterien speichern will. Heute kostet die Li- Batterie für den in London laufenden Elektrosmart rund 6000 Euro. VW beziffert die Kosten der LI- Batterie für den Golf Twindrive auf 15 000 Euro. Reichweite für rein elektrisches Fahren: 50 km. Für den gleichen Preis erhält man ein komplettes Auto mit sparsamem Verbrennungsmotor. Besitzt es einen modernen Diesel, fährt es mit einer Tankfüllung von 50 Litern etwa 1000 km weit. Ob es jemals gelingt, Batterien wenigstens mit der zehnfachen Speicherdichte heutiger zu entwickeln, steht in den Sternen.
    Alles was heute an Elektro- Personenwagen vorgestellt wird, sind reine Imageprodukte, die noch tief in der Forschungsphase stecken. Dennoch hat Elektroantrieb seine Berechtigung etwa für kleine Transporter für Kommunen und den Verteilerverkehr in den Großstädten. Ob und wann es Elektro- Personenwagen geben wird, kann niemand voraussagen. Es gibt nur einen einzigen Weg, wie wir unsere Zukunft meistern können, nämlich die politischen Fesseln von Naturwissenschaften und Technik zu lösen. Erst dann ist mir um unsere Zukunft nicht mehr bange.

  26. Herr Czisch,

    zunächst vielen Dank für Ihre umfassende Stellungnahme. Ich hatte viele Ihrer aufgeführten Arbeiten schon vor geraumer Zeit studiert, andere (Folien) sind mir bei der Suche allerdings entgangen. Aus kürzlich geführter privater Korrespondenz mit Ihnen bin ich auch noch auf weitere Folien und auf Zeitreihenverzeichnisse gestoßen, die leider paßwortgeschützt waren.

    Ich werde etwas Zeit brauchen, um das Neue zu verarbeiten und das Bekannte nochmals aufzufrischen.

    Etwas sticht mir allerdings schon jetzt ins Auge, wo Sie’s explizit erwähnen:
    Sie behaupten eine konservative state-of-cost-Kostenschätzung von “erneuerbaren Energien zu Stromkosten von ca. 4,6€ct/kWh bei Übergabe an die lokalen Drehstromsysteme, inklusive Speicherung und Backupaufgaben”.

    Herr Czisch, wir wissen doch (hoffentlich) alle, was das EEG 2004 an Vergütung allein nur für die EE-Erzeuger vorsah. Haben Sie sich so gewaltig vertan bei Ihrer Abschätzung oder werden wir gerade nach Strich und Faden von den EE-Erzeugern abgezogen?

  27. Elektroautos

    @ Christian Bartsch

    “Reichweite für rein elektrisches Fahren: 50 km. […] Ob es jemals gelingt, Batterien wenigstens mit der zehnfachen Speicherdichte heutiger zu entwickeln, steht in den Sternen.”

    Und da die Sterne ja eher schweigsam sind, kann man alternativ auch mal Wikipedia fragen. Dort heißt unter der Rubrik Elektroautos:

    “Mit Lithium-Ionen-Akkumulatoren sind bereits Reichweiten von 400 km bei normalen Fahrleistungen möglich. Dabei bietet die Technik der Lithium-Ionen-Akkumulatoren noch erhebliche Entwicklungsmöglichkeiten. Es wurden schon Akkumulatoren mit der zehnfachen Energiedichte der heute handelsüblichen Typen vorgestellt.”

    Also nicht immer so schwarz sehen.

    Gruß
    Oliver

  28. Prognose

    Kein Mensch weiß, wann Erdöl wirklich knapp wird. Angesichts der unübersehbaren technischen Probleme der Elektroautos wage ich die Prognose, dass, wenn nicht völlig unvorhersehbare technische Entdeckungen geschehen, auch in einem solchen Fall Elektroautos nur eine Nischenexistenz haben werden. Das normale Auto wird auch dann noch von Verbrennungsmotoren angetrieben werden. Es gibt einfach keine für technische Anwendungen bessere Möglichkeit der Energiespeicherung als Kohlenwasserstoffe.

    Treibstoffe für die Motoren werden künstlich hergestellte flüssige oder gasförmige Kohlenwasserstoffe sein. Diese Treibstoffe wird man entweder nach dem seit 80 Jahren bekannten Fischer-Tropsch-Verfahren aus Kohle gewinnen oder aus Biomasse herstellen. Möglicherweise werden Industriestaaten, die in Sachen Kernenergie weniger ideologisiert sind als Deutschland, dies mit Hilfe von Prozesswärme aus Kernkraftwerken tun und sich dadurch entscheidende Wettbewerbsvorteile verschaffen.

    Der Parole jedenfalls, dass wieder einmal am deutschen Wesen die Welt genesen solle und dass alle Welt daher gefälligst dem deutschen Ausstieg aus der Kernenergie nachfolgen solle, werden die großen Industrienationen der Welt gewiss nicht folgen.

  29. Obamas Strategie

    @ Peter Heller

    “Obamas Zitat über die Zyniker bezieht sich nicht auf Klimaskeptiker, sondern auf Protagonisten einer ökonomischen Deregulierung”

    Stimmt, sorry, habe ich missverstanden, wobei ich denke, dass Obama über die sog. Klimaskeptiker ähnlich denken wird.

    Auch dürfte der von Obama eingeschlagene Kurs eindeutige Signale auch an diejenigen senden, die die Klimawissenschaft seit Jahren mit Laienwissen und Skeptizismus torpedieren:

    Obama setzt ja gerade auf die Expertise von hochrangigen Wissenschaftlern, die v.a. in Ökologie- und Klimafragen ausgewiesen sind.

    “Today, more than ever before, science holds the key to our survival as a planet and our security and prosperity as a nation. […] It’s time we once again put science at the top of our agenda and … worked to restore America’s place as the world leader in science and technology.”

    Obama bestätigt damit seinen Kurs, der eine Trendwende in der Energie- und Klimapolitik einleitet.

    Barack Obama beruft etliche renommierte Wissenschaftler in seinen Beraterstab.
    Den enormen Stellenwert der Klimapolitik unterstreicht Obama auch durch eine weitere Personalentscheidung: Jane Lubchenko, die derzeit Zoologin und Meeresforscherin an der Oregon State University ist, wird künftig Leiterin der nationalen Ozean- und Atmosphärenforschungsbehörde “Noaa” sein.

  30. Anpassung statt Vermeidung

    @Thorsten Seifert:

    Ich zweifle, das als kurze Antwort, nicht an, daß Obamas Administration aktive Klimapolitik als einen Schwerpunkt ihrer Arbeit betreiben wird.

    Ich sehe nur, daß die Strategie nicht hauptsächlich, wie von der deutschen Ökobewegung gewünscht, auf “Vermeidung”, sondern vielmehr auf “Anpassung” ausgerichtet ist.

    Weiterhin ist Obamas Strategie nicht “sparen und verzichten”, wie viele das gerne hätten, sondern “effizienter werden und wachsen”.

    Und er setzt klar auf amerikanische Dominanz in allen Bereichen. Er will bspw. nicht nur an neuen internationalen Vereinbarungen beteiligt sein, nein, er will bestimmen, was darin steht. Und nach seiner Auffassung hat auch nur Amerika zu bestimmen, und sonst niemand.

    Viele amerika-kritische Zeitgenossen werden sich in einigen Jahren George Bush zurückwünschen, das ist meine Prophezeiung. Wo Bush sagte “interessiert mich nicht”, wird Obama sagen “ich lege fest und ihr habt zu folgen”.

    Er wird das natürlich diplomatisch in aller Freundschaft und mit amerikanisch-väterlicher-Kumpelattitüde machen, keine Frage. Aber er wird mit einem Lächeln knallhart sein.

    Das wird noch sehr spannend auf internationaler Ebene in den nächsten Jahren…

  31. Kosten für Windstrom inklusive Transport

    @ Wolfgang Flamme

    Die Kosten ergeben sich in meinen Szenarien als Vollkosten bei einem Realzins von 5% mit üblichen Kosten für Wartung und Instandhaltung bei marktüblichen Investitionskosten annuitätisch über die Lebensdauer der Anlagen gerechnet. Ein Privatanleger würde eher eine etwas höhere Rendite erwarten. Das treibt die Stromkosten etwas nach oben.

    Eine WKA mit einem Jahresertrag von 1600 Volllaststunden würde bei meinem Ansatz Strom zu etwa 6,5 € ct / kWh erzeugen. Bekanntlich wurde die Vergütung in Deutschland gerade von 8,03 € ct / kWh wohl insbesondere wegen kurzfristig gestiegener Materialkosten auf 9,2 € ct / kWh gesetzt. Meine Berechnungen habe ich vor dem wahrscheinlich nur kurzfristigen Kostenanstieg angestellt. Die Differenz zwischen den 6,5 € ct / kWh und den 8,03 € ct / kWh erklärt sich durch mehrerlei. Die Kosten für WKA liegen in Deutschland meist etwas höher als im Ausland. Die Einspeisevergütung des EEG ist so konzipiert, dass auch WKA an schlechteren Standorten also solchen mit weniger als 1600 Volllaststunden Jahresertrag noch wirtschaftlich sind. Die Renditeerwartungen, die das EEG abdeckt, liegen etwas höher. All dies mag zu dem relativ kleinen Kostenunterschied von ca. 1,5 € ct / kWh beitragen.

    Viel stärker wirkt sich bei der Kostenberechnung der Ertrag aus. Der liegt oftmals bei dem doppelten dessen, was in Deutschland im Mittel zu erwarten ist. Ein doppelter Ertrag führt ungefähr zu einer Halbierung der Kosten. Wenn wir also einen Standort nutzen, an dem 3200 Volllaststunden Jahresertrag erwirtschaften werden, dann liegen die Kosten vor Ort bei 3,25 € ct / kWh. Diesen Strom kann man schon über viele tausend Kilometer transportieren, bevor die Kostendifferenz wettgemacht ist.

    In Ägypten sind Standorte bekannt, an denen mit gleicher Technik bis zu 6100 Volllaststunden Jahresertrag erwirtschaften werden können.

    Übrigens ist die Finanzierungsstruktur sehr wichtig. Bei hohen Renditeerwartungen auf das eingesetzte Kapital können die Kosten sehr hoch werden. Dagegen wären die Kosten bei Investitionen ohne Renditeerwartung – beispielsweise staatliche Investitionen ohne Verzinsung und lediglich mit Rückzahlung der Investitionskosten über die Lebensdauer der Anlagen – sehr viel niedriger.

    Wir sollten uns m. E. fragen, ob es nicht angebracht wäre, auch auf staatliche Finanzierung oder Teilfinanzierung zurückzugreifen, um dem Ziel einer klimaschonenden Stromversorgung bei gleichzeitiger Ressourcenschonung und gleichzeitig sozialverträglichen Stromkosten gerecht zu werden.

    Für den Artikel “Der Griff nach dem Wüstenwind” in der Ausgabe 2/2009 von “Sonne Wind & Wärme” habe ich bei der Berechnung der Auswirkungen unterschiedlicher Finanzierungskonzepte assistiert. Die günstigste Variante ist Windstrom aus Ägypten (berechnet mit 5000 Volllaststunden), der – staatlich finanziert wie zuletzt besprochen – für 2,3 € ct / kWh in das Deutsche Drehstromnetz eingespeist werden könnte. Wie erwähnt, handelt es sich um Vollkosten, die alles inklusive Transportaufwendungen und Transportverluste der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) einbeziehen.

    Allerdings sind Standorte dieser Qualität nicht in meine Szenarien eingeflossen und auch die Finanzierungsbedingungen sind relativ konservativ angesetzt, weshalb sich hier im Mittel deutlich höhere Kosten ergeben.

  32. Herr Czisch,

    nach Ihrer Ansicht zahlen wir also für Windenergie 8ct/kWh zzgl. etwa 1,5…2ct/kWh ‘Systemdienstleistung’, obwohl wir das ganze Paket auch für 2,3ct/kWh bekommen könnten, richtig?

    Und das würde dann ja auch bedeuten, daß wir für’s gleiche Geld statt der ~8% problematisch auszugleichenden Windstroms eigentlich schon über 30% bedarfsgerecht veredelten Windstroms in unseren Netzen hätten haben können – was allerdings durch eine groteske Schieflage unserer EE-Förderpolitik verhindert wurde.

    Dann können wir ja wohl folgendes festhalten:
    Wenn Sie recht haben und ihr Konzept ist so realisierbar, dann findet derzeit eine enorme Verschwendung von Kapital und Potential statt, zu Lasten effektiven Klimaschutzes.
    Und wenn mein Verdacht stimmt, daß es weder auf die von Ihnen beschriebene Weise noch mit einem anderen mir bekannten Konzept geht, dann findet derzeit auch eine enorme Verschwendung von Kapital und Potential statt.

    Egal von welcher Seite man es also betrachtet, ein Großteil des Geldes, was wir derzeit für den Klimaschutz aufwenden, ist einfach zum Fenster hinausgeworfen. Und es gibt nicht wenige, die meinen, das müsse man noch intensivieren.

  33. @Thorsten Seiffert

    Sie schreiben in Ahnlehnung an Wikipedia:

    “Erneuerbare Energien, auch regenerative Energien oder Alternativenergien, sind aus nachhaltigen Quellen sich erneuernde Energien. Sie bleiben − nach menschlichen Zeiträumen gemessen − kontinuierlich verfügbar und stehen hiermit im Gegensatz zu fossilen Energieträgern und Kernbrennstoffen, deren Vorkommen bei kontinuierlicher Entnahme stetig abnimmt.”

    Ich muss Peter Heller zustimmen.

    Der Begriff “erneuerbare Energien” ist grob missverständlich.

    Gemeint sind damit doch letztendlich vor allem
    Solardirektnutzung, Windnutzung und Biomassenutzung (von Spielereien wie Wellen-, Gezeiten-, Erdwärmekraftwerken etc. mal abgesehen.

    Dies sind Nutzungsformen der Erdoberfläche, die nahezu ausschließlich vom permanenten solaren Energieeintrag abhängen.
    Daraus ergibt sich ihr Vorteil (prinzipiell tägliche Verfügbarkeit), aber auch ihr großer Nachteil (geringe verfügbare Flächenleistung sowie permanente Leistungsschwankungen).

    Dem stehen die in der Erdkruste, vermutlich auch im Erdmantel, gespeicherten Energieträger gegenüber: Kohle, Öl, Gas, Uran, Thorium. Mit hoher Leistungsdichte und dank der Speicherung praktisch ohne Leistungsschwankung.

    Um nun das Wesen der oberflächenabhängigen Energieträger zutreffend zu kennzeichnen, könnte ich mir eine Formulierung wie “additive Energiebereitstellung” vorstellen.
    Man könnte es auch “solargetriebene Niedrigleistungstechnologie” oder “Oberflächenenergieträgernutzung” nennen.

    Die Bezeichnung “erneuerbare Energien” ist jedenfalls begrifflich wie inhaltlich falsch.
    Nicht mal die Sonne selbst regeneriert sich.

    So viel begriffliche Klarheit sollte schon sein.