Hongkong, Taiwan und das Perlflussdelta

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Für die Entwicklung der Städte im Perlflussdelta, haben besonders Unternehmen aus Hongkong und Taiwan zum großen Teil beigetragen. Die Region hat sich dabei innerhalb von dreißig Jahren aus einer landwirtschaftlich geprägten Landschaft in eine mega-urbane Struktur verwandelt, in der mittlerweile mehr als 50 Millionen Menschen leben. Aus früheren Dörfern sind Millionenstädte geworden, die sich hauptsächlich auf die Produktion von Elektronikgütern, Möbeln, Textilien und  Spielwaren spezialisierten.
 
Interne Struktur des Perlflussdeltas
Das Perlflussdelta befindet sich im Süden Chinas in der Provinz Guangdong und lässt sich grob in zwei Bereiche unterteilen. Am Ostufer des Perlflusses befindet sich ein urbaner Korridor, der sich von Shenzen, an der Grenze Hongkongs, über Dongguan bis nach Guangzhou zieht. Ein Übergang zwischen den Städten besteht nicht. Mir schien es, als würde ich eine riesige Stadt nicht verlassen. Um die Ausmaße zu verdeutlichen, sei angemerkt, dass die Strecke von Shenzen nach Guangzhou mehr als 100 Kilometer beträgt. Am Highway reihen sich unendlich scheinende Fabriken aneinander. Die Bezeichnung „Fabrik der Welt“ hat diese Region wahrlich verdient.
Am Westufer des Perlflusses ist ein ähnliches Bild zu sehen. Auch hier bildete sich ein urbaner Korridor heraus, der von Zuhai, an der Grenze Macaos nach Jiangmen, Foshan und nach Guangzhou führt. Es schien auch dort so, als würde ich diese riesige Stadt nie verlassen. Das beeindruckende dabei ist, dass alle hier genannten Städte mehrere Millionen Einwohner haben. An einem Tag ist es hier möglich, mehrere Millionenstädte zu besuchen. Auf der Welt sicherlich einmalig.

Ausländische Direktinvestitionen
Ein wichtiger Eckpfeiler der Entwicklung hier im Perlflussdelta waren und sind Ausländische Direktinvestitionen (ADI). Laut Definition sind dies grenzüberschreitende Investitionen, die das Ziel verfolgen Produktionskapazitäten aufzubauen oder sich an Unternehmen zu beteiligen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind ADI`s für Chinas wirtschaftlichen Aufstieg sehr wichtig. Die größten Empfängerregionen sind neben Shanghai und Beijing die Städte im Perlflussdelta.
Die Hauptquellen für ADI`s in dieser Region stammen hauptsächlich aus Taiwan, Hongkong, Macao und Singapore. Regionen also, in denen viele Auslandschinesen leben. Diese Strukturen sind darin begründet, dass Auslandschinesen häufig gute Kontakte in die Volksrepublik haben oder nach der wirtschaftlichen Öffnung des Landes diese aufbauen konnten. Ein Vorteil war natürlich die gemeinsame Sprache und die kulturellen Wurzeln. Hauptsächlich sind diese Kontakte informeller Natur. In der Literatur wird dies als „Guangxi“ bezeichnet. Enge Kontakte, die auf gegenseitige Gefälligkeiten oder auf einen gemeinsamen Herkunftsort beruhen. Bisher waren diese Kontakte sehr wichtig, da China ein unterentwickeltes Rechtssystem aufwies. In den Städten des Perlflussdeltas sind diese „Guangxi“ Kontakte zwischen Unternehmen aus Hongkong und Offiziellen besonders stark ausgeprägt, da Hongkonger ihre Wurzeln in der Provinz Guangdong haben. Dies natürlich durch die geographische Nähe begründet.
Im Zeitrum zwischen der wirtschaftlichen Öffnung der Volksrepublik im Jahr 1979 bis zum Eintritt  in die WTO im Jahr 2001 blieben die Strukturen der ADI`s relativ stabil. Unternehmen aus Hongkong spielten im Perlflussdelta eine wichtige Rolle, da sich diese schon früh strategische Vorteile sicherten. Nach dem Eintritt in die WTO jedoch, begann sich die Wirtschaft im Perlflussdelta stärker zu internationalisieren. Die Bedeutung von „Guangxi“ Kontakten nahm dabei stetig ab, auch bedingt durch den Aufbau formaler Institutionen und die Umsetzung eines funktionierenden Rechtssystems. Durch diesen Wandel, konnten auch Unternehmen aus Europa, Nordamerika und Japan möglichst sicher im Perlflussdelta investieren. Unternehmen aus Taiwan  bauten allerdings ihre Kapazitäten am stärksten aus. Diese Entwicklung lässt sich besonders gut am Beispiel Dongguan aufzeigen.  

Das Beispiel Dongguan
Dongguan befindet sich zwischen Shenzen und Guangzhou am Ostufer des Perlflusses. Schätzungsweise sieben bis zehn Millionen Menschen arbeiten und leben in dieser Stadt, die sich aus mehreren Dörfern heraus entwickelte. Mit absoluter Sicherheit weiß niemand die exakte Einwohnerzahl der Stadt, da hier viele Migranten illegal arbeiten und leben. Offiziellen Angaben zufolge sind nur etwa zwei Millionen Menschen als Stadtbewohner in Dongguan registriert. In China wird zwischen Stadt- und Landbevölkerung stark differenziert (sog. Hokou-System). Seltsamerweise erschien mir Dongguan bei meinen Aufenthalten fast menschenleer. Dies beruht darauf, dass viele Unternehmen auf ihrem Werksgelände Wohneinheiten für Arbeiter zur Verfügung stellen. Größere Unternehmen verfügen auch über Restaurants, Supermärkte und Freizeiteinrichtungen, damit die Arbeiter das Firmengelände nicht verlassen brauchen. Die Unternehmen in Dongguans haben sich hauptsächlich auf Elektronikgüter wie Computerhardware, Monitore und Haushaltsgeräte spezialisiert.  
Für die Entwicklung der Stadt waren Unternehmen aus Hongkong besonders wichtig, da diese schon früh ihre arbeitsintensive Produktion von Hongkong nach Dongguan verlagerten. Ausländische Unternehmen aus Europa, Nordamerika und Japan errichteten erst sehr viel später Produktionseinheiten in der Stadt. Obwohl Unternehmen aus Hongkong schon früh wichtige Standorte in der Nähe des Highways besetzten und Beziehungen zu lokalen Zulieferern und Offiziellen aufbauten, schwindet aktuell deren Bedeutung. Stattdessen bauen vor allem Unternehmen aus Taiwan ihre Kapazitäten stark aus. Wie lässt sich dies erklären?     
Unternehmen aus Hongkong waren zwar die „early birds“ in der Stadt, konnten ihre Produktion aber nicht auf höherwertige Produkte umstellen. Der Grund hierfür begründet sich in der wirtschaftlichen Spezialisierung Hongkongs selber, die einen Status als Finanz- und Dienstleistungsmetropole einnimmt. Dies zeigt sich besonders in der Ausrichtung der Universitäten in der ehemaligen Kronkolonie, die besonders stark in den Bereichen BWL und Finanzen sind. Ingenieurwissenschaften und Elektrotechnik, besonders wichtig für Forschung und Entwicklung im Elektroniksektor, sind stark unterrepräsentiert. Taiwan dagegen verfügt in diesen Bereichen über eine starke Tradition und Unternehmen, die besonders innovativ sind. Das Resultat dessen ist, dass Unternehmen aus Taiwan ihre Produkte viel einfacher weiterentwickeln können, als Unternehmen aus Hongkong.
Bei allgemein ansteigenden Lohnkosten in Dongguan, führt dies dazu, dass sich die Produktion für Unternehmen aus Hongkong, also eine arbeitsintensive Produktion von einfachen Elektrogütern, in der Stadt nicht mehr rechnet und die Unternehmen eine Verlagerung der Produktion vornehmen müssen, um weiterhin rentabel zu bleiben.

Für Unternehmen aus Hongkong liegt daher die große Hoffnung in der Errichtung der Brücke von Hongkong nach Macao, bzw. Zuhai. Dieses milliardenschwere Großprojekt soll eine sog. Y-Verbindung zwischen den Städte herstellen, die hauptsächlich für den LKW-Transport errichtet wird. Mit dieser Brücke hätten Unternehmen aus Hongkong die Möglichkeit ihre Produktion an das Westufer des Perlflusses zu verlagern, um von den niedrigen Löhnen in Zuhai und Jiangmen zu profitieren. Die Löhne in diesen Städten liegen um ein vielfaches unter den Löhnen in Shenzen und Dongguan. Der Transportweg zu den Häfen in Hongkong und Shenzen würde mit dieser Lösung nicht besonders ansteigen.   

Für die Entwicklung der Städte im Perlflussdelta spielten Unternehmen aus Hongkong und Taiwan eine wichtige Rolle. In der Frühphase der Entwicklung waren vor allem Unternehmen aus Hongkong wichtig, da diese aufgrund der geographische Nähe sehr schnell wichtige Kontakte zu Zulieferern und Offiziellen aufbauen konnten. Seitdem die Internationalisierung der chinesischen Wirtschaft voranschreitet, errichten vermehrt internationale Unternehmen Produktionseinheiten im Perlflussdelta; vor allem Unternehmen aus Taiwan. Die Bedeutung von Unternehmen aus Hongkong nimmt gleichzeitig stark ab, da viele Unternehmen aufgrund steigender Löhne gezwungen sind, ihre Produktion in andere Regionen mit niedrigeren Lohnkosten zu verlagern. Diese Entwicklung könnte einen Entwicklungsschub für das bisher unterentwickelte Westufer des Perlflusses darstellen.

Grenze zwischen Shenzen und Hongkong

 

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

1 Kommentar

  1. Minestlohn im Perlflussdelta

    Achso, hab ich ganz vergessen zu schreiben. Nachdem dieses Jahr ein neues Arbeitsgesetz erlassen wurde, stieg der monatliche Mindestlohn auf ca. 730 Yuan (ca. 73€). Von den Unternehmen erhalten die Arbeiter häufig noch Unterkunft und freies Essen. Viele Unternehmen berechnen so ca. 1100 Yuan. Für unsere Verhältnisse seltsam, dass ein Teil des Lohnes zweckgebunden ist, hier aber normal. Viele Arbeiter in Dongguan und Shenzen erhalten allerdings einen weitaus höheren Lohn, vor allem die besser qualifizierten Arbeiter. In Städten wie Jiangmen, Zuhai und Foshan wird weitestgehend noch der Mindestlohn gezahlt. Da versteht es sich, dass viele Unternehmen Standorte vorziehen, an denen dieser Mindestlohn gezahlt wird.

    Von den 730 Yuan geben die Arbeiter allerdings nur wenig aus, da sie einen großen Anteil dessen nach Hause in ihre Dörfere schicken. 730 Yuan hören sich im Perlflussdelta zwar nicht viel an (ein Big Mac bei McDonalds kostet 14 Yuan), auf dem Land ermöglicht dieser Lohn der Familie allerdings ein gesichertes Einkommen. Viele der Arbeiter verweilen demnach auch nur wenige Jahre im Perlflussdelta. Von den Ersparnissen werden häufig nötige Mittel für die Landwirtschaft oder die Schulbildung des Sohnes finanziert.

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