Nicht alles Gold was glänzt

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China trotzt der Krise und wächst immer noch um 7,9%. China baut massiv die Windenergie aus und strebt die Weltmarktführerschaft an. China errichtet weltweit die größte Werft für Containerschiffe und wird 2015 mehr Schiffe vom Stapel lassen, als alle anderen Nationen zusammen. Alles Superlative, die unglaublich erscheinen. Allerdings lohnt sich auch ein Blick hinter diese glänzenden Kulissen. Denn da ist nicht alles Gold was glänzt.

South China Mall in Dongguan

Die größte Mall (Einkaufszentrum) steht in Dongguan. Noch nie gehört? Dongguan ist eine der reichsten Städte Chinas und ein großer Gewinner der Globalisierung. Noch vor dreißig Jahren befanden sich auf dem heutigen Stadtgebiet nur ein paar Fischerdörfer und Reisbauern. Kennern war diese Region nur bekannt, da im Hafen Humen 1839 große Mengen Opium verbrannt wurden und dadurch der erste Opiumkrieg zwischen England und China ausgelöst wurde. Ansonsten bot die Region nur wenig. Heute leben in Dongguan ca. 8 Millionen Menschen. Viele Wanderarbeiter, die für einen Mindestlohn in Fabriken arbeiten, die Textilien, Schuhe oder Elektronikprodukte für den Export herstellen. Seit numehr zwanzig Jahren boomt und wächst Dongguan weiter. Unzählige Hochhäuser und Industrieparks entstanden in dieser Zeit. Doch mitten in dieser Erfolgsgeschichte entstand 2006, noch vor der Finanzkrise, das größte Einkaufszentrum der Welt. Die South China Mall bietet Einkaufsflächen von ca. 660.000 Quadratmeter. Zum Vergleich: eine relativ große innerstädtische Mall wie die Ernst August Galerie in Hannover bietet ca. 30.000 Quadratmeter Einkaufsfläche. Die South China Mall ist in vier Themenbereiche unterteilt: ein Nachbau des Canale Grande in Venedig, inklusive St. Marcusplatz und Turm, ägyptische Welt, die Grachten Amsterdams und ein französisches Viertel mitsamt Arc de Triomphe. Zusätzlich wurde ein Freizeitpark mitsamt Achterbahn errichtet, die sich sogar durch die Geschäfte schlängelt.

Auf dem Reisbrett sicherlich ein interessantes Konzept. Doch leider steht die gesamte Mall leer. Als wir gestern durch diese Geisterstadt gingen, zählten wir nur eine Handvoll Geschäfte. Dabei ist Platz für 1.500 Geschäfte und 300 Restaurants. Die Baumasse rottet nun vor sich hin.
Es stellt sich nun die Frage, wieso dieses 1,1 Milliarden Projekt solch ein Fehlschlag war? Unsere Vermutungen war, dass es in Dongguan einfach zu wenig Kaufkraft gibt, um solch eine Mall zu einem Erfolg zu verhelfen. Selbst große Metropolen wie London hätten sicherlich Probleme 600.000 Quadratmeter Einkaufsfläche neu zu besetzen. Und wir sprechen hier von Dongguan, mit ca. 5 Millionen Wanderarbeitern, die maximal 500 Euro im Monat verdienen, wenn überhaupt. Zudem war die Verkehrsanbindung der Mall recht schlecht. In der Nähe befand sich zwar ein größerer Busbahnhof. Verbunden waren Mall und Bahnhof aber nicht. Eine unüberwindbare  Autobahn verhinderte einen direkten Weg. Es erschien uns, als wäre die Mall einfach ohne städtische Planung errichtet worden.

Doch diese Mall ist nicht das einzige Megaprojekt, das in Dongguan fehlgeschlagen ist. Vor wenigen Jahren errichtete die Stadtverwaltung einen neuen Innenstadtbereich. Sozialistisch mit großen Plätzen und Mammutbauten. Eine riesige Achse aus Prestigebauten wie Stadium, Exibition Center und Konzerthalle, die sich mehr als einen Kilometer durch die Stadt zieht. Superlative auch hier. Das Problem war gestern nur, dass niemand dort war. Es muss darauf hingewiesen werden, dass Sonntag traditionell der Ausflugstag der Chinesen ist. Städte wie Shenzen und Guangzhou quellen an diesen Tagen aus allen Nähten. In der Innenstadt von Dongguan war fast keine Menschenseele. Eine Geisterstadt auch hier. Einzig die Wachleute und das Sicherheitspersonal beobachtete uns. In der Konzerthalle wird in den nächsten Monaten kein Auftritt stattfinden, jedenfalls war dies nicht erkenntlich. Auch im 65.000 Mann Stadium herrschte gähnende Leere und es gab keinen Hinweis auf Aktivitäten in der Zukunft. Ein Fußballteam besitzt Dongguan jedenfalls nicht. All diese Bauten rotteten langsam vor sich. Die Finanzkrise verstärkt diese Entwicklung sicherlich. Ein Fehlschlag waren sie aber schon vorher.

Ich könnte noch von vielen solchen Projekten berichten. Guangzhou beispielsweise hat vor wenigen Jahren eine Universitätsinsel errichtet. Hier sollen irgendwann mehr als 100.000 Studenten studieren und wohnen. Als wir letzte Woche durch die Straßen fuhren, konnten wir niemanden sehen. Nur einige Gärtner und eine Handvoll Touristen. Im Zentrum dieser Studentenstadt stand eine Exibition Hall, die in der Größe vergleichbar mit der O2 Halle in Berlin ist. Auf die Frage, welche Ausstellungen oder Aktivitäten in der Halle stattfinden, konnten uns unsere Begleiter keine Antwort geben. Bei aller Kritik muss ich allerdings erwähnen, dass in China gerade Semesterferien sind und viele Studenten in ihre Heimatstädte gefahren sind. Dies erklärt sicherlich die Leere. Aber man muss sich verdeutlichen, was hier geschieht. Eine Stadt für 100.000 Studenten und Bedienstete steht fünf Monate im Jahr leer, denn Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter ziehen es vor auf den innerstädtischen Campi zu bleiben.

Sicherlich ist der chinesische Aufstieg unglaublich. Aber er ist nicht so extrem, wie wir ihn in Europa, speziell in Deutschland wahrnehmen. China ist mittlerweile eine der größten Volkswirtschaften. Wir müssen uns aber die Frage stellen, ob Quantität alleine zählt.Das größte Irgendwas zu bauen, dass kann selbst ein Land wie Albanien. Denn was uns die South China Mall lehren sollte, ist, dass es nicht einfach reicht etwas zu bauen. Es muss den Bedürfnissen der Menschen angepasst sein. Zurück zur Ernst August Gallerie in Hannover. Die ist zwar nur ein zwanzigstel der South China Mall, aber scheint ein Erfolg zu sein, da das Konzept gut in die Stadt eingebettet ist. Vom Hauptbahnhof sind es nur wenige Meter bis zum Eingang.

Vergnügungspark in der South China Mall in Dongguang

 

Leerstehende South China Mall in Dongguan

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

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