Globale Umweltbewegung – ein moderner Mythos?

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UmweltbewegungGreenpeace, BUND, Bund für Umweltschutz und die Grünen haben eins gemeinsam. Sie entstanden als Folge einer rasch zunehmenden Umweltbewegung, die seit 1970 starken Zulauf erhielt. Wieso entstand gerade 1970 diese Bewegung und was waren ihre Leitmotive? Diesen Fragen ging Prof. Dr. Joachim Radkau am Mittwoch am Institut für Fachjournalistik Geschichte an der Universität Gießen nach.

Prof. Radkau ist einer der führenden Gegenwartshistoriker und dürfte in Fachkreisen besonders für seine Biographie über Max Weber, den Werken über Aufstieg und Fall der Atomwirtschaft in der BRD und seinen Arbeiten über die Geschichte der Ökologie bekannt sein. Aktuell arbeitet er an einer Geschichte der globalen Umweltbewegung. Er nutzte seinen Vortrag, um sowohl Einblicke in seine Arbeit zu geben als auch Anregungen für diese zu erhalten.

Bereits die Ausgangsfrage barg erheblichen Diskussionbedarf. Gibt es eine globale Umweltbewegung? Oder ist dies nur eine Konstruktion, um unterschiedliche Phänomene unter einem Schlagwort zu vereinen? Seit 1970 erhielten Umweltorganisationen massiven Zulauf, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Viele bekannte Umweltorganisationen entstanden in dieser Zeit und bestehen bis heute. Das Jahr 1970 gilt als Wasserscheide der Umweltbewegung.
Allerdings ist höchst fraglich, ob das Interesse an Umweltthemen erst 1970 entstand. Bereits um das Jahr 1900 gründeten sich viele Umweltorganisationen in Deutschland. Eines der bekanntesten Organisationen aus dieser Zeit ist NABU (gegründet 1899). Die Ziele der Umweltorganisationen dieser Zeit waren der Wald- und Vogelschutz. Diese Ziele wurden auch teilweise während des Dritten Reichs von der NSDAP vertreten. Vertreter des Umweltschutzes in der Nachkriegszeit waren hauptsächlich konservative und christliche Kreise. Ein Zusammenhang von Religion und Umweltschutz ist nicht abwegig, da ein zentrales Element im christlichen Glauben die Bewahrung der Schöpfung ist. Im Jahr 1970 erlebte der Umweltschutz allerdings einen großen Umbruch. Die neugegründeten Organisationen der 1970er Jahre fühlten sich eher dem linken Spektrum zugeordnet, zudem hielt das Thema Umwelt Einzug in große gesellschaftliche Diskussionen.  

Wieso bildet das Jahr 1970 diesen großen Umbruch? Prof. Radkau formulierte hierzu drei Thesen:

1.    Die Umweltbewegung der 1970er war nur eine Fortführung der Bewegungen, die zuvor bestanden. In den Aufbaujahren nach dem 2. Weltkrieg standen andere Themen in Europa und den USA im Vordergrund. Die Umweltbewegungen der 1950er und 1960er verfügten nicht über entsprechende Kontakte zu den Massenmedien.

2.    Das Interesse an ökologischen Themen kam auf, da die dominierenden Ängste der Zeit ökologisch geprägt waren. Diese unterschieden sich stark von den Ängsten der 1950er und 1960er, in denen Infektionskrankheiten (z.B. TBC und Malaria) und ein atomarer Krieg  wesentlich prominenter vertreten waren. Zusätzlich war die massive Verschmutzung des Planeten nicht mehr zu übersehen.

3.    Es bildete sich eine globale Umweltbewegung heraus, da besonders Umweltthemen nicht national isoliert betrachtet werden konnten. Es bedurfte internationale Lösungen und somit auch globale Kommunikationswege, die starken Einfluss auf lokale Gruppen ausübte. Ein modernes Schlagwort  hierfür ist „think global, act local“.
 
Prof. Radkau vermutet, dass unterschiedliche Ursachen verantwortlich waren für die Entstehung der Umweltbewegung. Es war anscheinend eine günstige Zeit für Umweltthemen. Der Vietnamkrieg stand kurz vor seinem Ende, durch die 68er entstanden neue Organisations- und Aktionsstrukturen und die Massenmedien setzten verstärkt auf neue Themen. Ironischerweise gab das Innenministerium in Bonn einen ersten Startschuss zur Renaissance von Umweltthemen. Bereits 1969 erarbeitete das Ministerium mögliche Maßnahmen zum Umweltschutz. Einer der Initiatoren dieser Pläne war Hans-Dietrich Genscher. Politisch wurden diese Ideen aber nur teilweise fortgeführt, da es besonders ab Mitte der 1970er Jahre starke Vorbehalte gegenüber grünen Themen gab. Helmut Schmidt betitelte später Umweltaktivisten sogar als Spinner.

Besteht nun eine homogene globale Umweltbewegung? Prof. Radkau verwies auf unterschiedlichste internationale Ausprägungen. In den 1970er Jahren bildeten sich in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Gruppierungen und Themen heraus. In den USA kämpften Organisationen für den  Waldschutz, auf den Philippinen dagegen organisierten sich Umweltgruppen, um gegen den Bergbau zu protestieren.  Die dominierende Bewegung in Deutschland war die Anti-AKW Bewegung. Von Homogenität kann also nicht gesprochen werden, da die Bewegungen problemorientiert entstanden.

Foto: pixelio.de

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

1 Kommentar

  1. “Prof. Radkau vermutet, dass unterschiedliche Ursachen verantwortlich waren für die Entstehung der Umweltbewegung. Es war anscheinend eine günstige Zeit für Umweltthemen. …”

    Es war nicht nur eine günstige Zeit für Umweltthemen, sondern auch eine notwendige. In den Aufbaujahren nach dem zweiten Weltkrieg und dem anschließenden Wirtschaftboom gab es ja so gut wie überhaupt kein Umweltbewusstsein. Durch die “Wegwerfgesellschaft” kam es zu massiven Umweltproblemen, wie man sie heute noch in sog. “Aufsteigerstaaten” beobachten kann.
    In den 1970er Jahren gab es erstmals eine ökonomische Stagnation, sowie die zunehmende Einsicht, dass Wachstum nicht grenzenlos sein kann. Dazu kam die Ölkrise:
    http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lkrise
    Welche zusammen mit der 68er-Bewegung eine Zeitenwende einläutete, dahingehend, dass sich ziviler Ungehorsam in weiten Teilen der Bevölkerung etablierte.
    Durch die immer bessere globale Vernetzung, wurde überregionale Unterstützung von der Ausnahme zur Regel. Eine homogene globale Umweltbewegung kann es nicht geben, da ja größtenteils auf Probleme vor Ort reagiert wird. Parallel dazu entwickeln sich aber immer mehr Organisationen welche das ‚allgemeine Wohl’ im Auge haben, wie z.B. den Schutz des Regenwaldes. Für diesen kann man sich heutzutage schon engagieren, indem man die richtige Suchmaschine benutzt: http://de.forestle.org/

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