Die Politik der Sowjetunion in Afrika

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Südafrika stimmt gerade über eine neue Regierung ab. Wahlsieger wird aller Wahrscheinlichkeit nach wieder der African National Congress (ANC). Interessanterweise wurde der ANC in seinem Widerstandskampf gegen das Apartheitsregime in Südafrika lange Jahre von der ehemaligen Sowjetunion finanziell unterstützt. Die Politik der Sowjetunion in Afrika scheint nur noch für Historiker relevant zu sein, trägt aber entscheidend dazu bei, heutige politische Strukturen besser zu verstehen.

Das zaristische Russland und die ehemalige Sowjetunion besaßen zu keiner Zeit Kolonien in Afrika. Die Sowjetunion sah sich deshalb Mitte des vergangenen Jahrhunderts als natürlicher Verbündeter der afrikanischen Staaten. Vor allem nach dem Ende des Kolonialismus in den 1950er und 1960er Jahren drängte die Sowjetunion auf mehr politischen Einfluss in Afrika, einerseits als Gegengewicht gegenüber den USA und China und andererseits, um militärische und strategische Vorteile zu erringen. Aus diesem Grund ging die Sowjetunion auch enge Verbindungen mit radikalen Machthabern in Ghana, Guinea, Mali und später in Angola, Mozambique und Äthiopien ein, konnte von diesem Engagement aber nicht in der erhofften Weise profitieren.
Besonders aktiv war die Sowjetunion im angolanischen Bürgerkrieg 1975 – 1976 und am Horn von Afrika. Der politische Einfluss der Sowjetunion endete schlagartig mit dem Fall des eisernen Vorhangs und der Auflösung der Sowjetunion in den frühen 1990er Jahren und führte in Afrika zu einer Reihe von Regimewechseln.

Die Politik der Sowjetunion in Afrika in den 1970er und 1980er Jahren

In der bipolaren Welt nach dem Ende des zweiten Weltkrieges stieg die Sowjetunion sowohl zu einer politischen als auch militärischen Großmacht auf. Geographisch gesehen war das Land jedoch stark benachteiligt, da es keinen direkten Zugang zum Mittelmeer, dem Atlantik und dem Indischen Ozean besaß. Selbst der Zugang zum Pazifik war durch die periphere Lage der sowjetischen Häfen wie beispielsweise Wladiwostok stark erschwert. Besonders im Bereich der Seestreitkräfte wirkte sich diese Situation strategisch nachteilig aus, zusätzlich erschwert dadurch, dass die Häfen des Nordpolarmeeres in den Wintermonaten nicht zugänglich waren. Aus diesem Grund suchte die Sowjetunion politische Verbündete, deren See- und Flughäfen für die Rote Armee offen standen. Besonders nach dem Zerwürfnis mit China Ende der 1950er sah sich die Sowjetunion gezwungen, neue Verbündete zu finden. Die Sowjetunion fokussierte sich fortan stärker auf die Länder Afrikas.
Nach einer passiven Rolle in den 1950ern spielte die Sowjetunion in den 1960er Jahren und vor allem in den 1970er Jahren eine sehr aktive Rolle in der afrikanischen Politik. Deutlich wird diese Entwicklung durch den Abschluß des Freundschaftsvertrags mit Angola 1976, der explizit die Nutzung der See- und Flughäfen seitens der Roten Armee vorsah. Ähnliche Verträge schloss die Sowjetunion mit Mozambique (1976), Äthiopien (1978) und dem Kongo (1981).  

Die Sowjetunion bemühte sich nicht nur, sich militärisch strategische Vorteile zu verschaffen, sondern auch den kommunistischen Machtbereich auszuweiten. Da die Länder südlich der Sahara nach der Kolonialzeit häufig durch politische und wirtschaftliche Instabilität geprägt waren, unterstützte die Sowjetunion aktiv kommunistische Oppositionsgruppen mit Geld und Waffen. Zudem investierte sie große Summen für die Entwicklungshilfe, in der Hoffnung auf Regimewechsel und der Etablierung kommunistischer Staaten auf dem afrikanischen Kontinent. Die Hauptrivalen zu dieser Zeit waren die USA und die Volksrepublik China. China sah sich, als größtes Entwicklungsland der damaligen Zeit, als legitimer Vertreter der Entwicklungsländer. Aus dieser Konstellation eskalierten regionale Konflikte und weiteten sich zu Stellvertreterkriegen aus.

Das Engagement am Horn von Afrika und in Angola

Die Stellvertreterkriege am Horn von Afrika und in Angola veranschaulichen, dass es der Sowjetunion um den politischen Einfluss, den Zugriff auf Rohstoffe und um strategische Vorteile ging. Allerdings zielte die sowjetische Politik hauptsächlich darauf, kurzfristige Ziele zu erreichen.  
Besonders deutlich wird dies in ihrem Engagement am Horn von Afrika. Während der frühen 1970er Jahre rüstete die Sowjetunion Somalia mit Waffen und technischer Unterstützung auf, obwohl bekannt war, dass das Land Territorium in Äthiopien für sich beanspruchte, in dem die Sowjetunion wiederum oppositionelle Gruppen unter dem späteren Diktatur Mengistu unterstützte. Gleichzeitig machte sich die Sowjetunion stark für Eritreas Unabhängigkeit von Äthiopien. Nach der Machtübernahme durch Mengistu 1974 wurde die Sowjetunion Hauptwaffenlieferant der neuen äthiopischen Regierung in Addis Abeba. Das Ziel, eine Gruppe von kommunistischen Staaten am Horn von Afrika zu etablieren, war ein großer Fehlschlag, da sich Somalia und Eritrea 1977 von der Sowjetunion abwandten und alle politischen Berater des Landes verwiesen. Um sich gegen den Expansionsdrang Äthiopiens zu schützen, suchten sowohl Somalia als auch Eritrea die politische Nähe zu den USA.

Nach 1977 konzentrierte sich die Sowjetunion auf die Unterstützung des Mengistu Regimes, sowohl militärisch als auch technischer Natur. Die Sowjetunion entsandte etwa 1.800 Soldaten im anschließenden Krieg Äthiopiens mit Somalia und Kuba entsandte zusätzlich ca. 1.000 Truppen, die unter Mengistu kämpften. Nach dem militärischen Sieg über Somalia stützte die Sowjetunion die Mengistu Regierung mit hohen Geldbeträgen und Waffenlieferungen. Durch diese Unterstützung hielt sich das Mengistu-Regime bis 1991 an der Macht. Erst als die Hilfszahlungen und Waffenlieferungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ausblieben, konnte sich der Diktator nicht mehr an der Macht halten. Der Regierungswechsel in Äthiopien erfolgte einen Monat nachdem die sowjetischen Hilfsgelder eingestellt wurden.
Es lässt sich festhalten, dass die Kriege am Horn von Afrika der Sowjetunion weder strategische Vorteile brachten, noch mit einem Machtgewinn in Afrika einhergingen. Rückblickend war dieses Engagement für die Sowjetunion ein herber Fehlschlag, der zudem einherging mit einem massiven Ansehensverlust, da mit Mengistu ein grausamer Diktator in Äthiopien regierte, unter dessen Herrschaft, aktuellen Schätzungen zufolge, eine halbe Millionen Menschen ihr Leben verloren.

 

 

 

Die Kriege am Horn von Afrika waren allerdings nicht der einzige Fehlschlag der sowjetischen Politik in Afrika. Der Bürgerkrieg in Angola von 1975–1976 verdeutlicht noch einmal, dass es sich um Stellvertreterkriege zwischen den USA, China und der Sowjetunion handelte, die zwar militärisch gewonnen wurden, aber der Sowjetunion keine Vorteile einbrachten.
Nach dem Zusammenbruch der portugiesischen Diktatur des „Estado Novo“ 1974, ausgelöst durch die Nelkenrevolution, strebten die portugiesischen Kolonien Angola, Mozambique und Sao Tome in die Unabhängigkeit. Besonders in Angola entfaltete sich ein Bürgerkrieg, um die Vorherrschaft über das Land. Es bildeten sich unterschiedliche Parteien, die einen Machtanspruch über Angola erhoben. 1975 kam es zwischen diesen Parteien zum Bürgerkrieg, im dem die Sowjetunion die marxistisch ausgerichtete MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola) unterstützte, die einen kommunistischen Staat in Angola errichten wollte. Die Unterstützung wurde sowohl in Waffen als auch in der Entsendung von Truppen geleistet. Während des Bürgerkrieges befanden sich ca. 10.000 sowjetische und kubanische Soldaten in Angola, die auf der Seite der MPLA kämpften. Die USA unterstützte hingegen die FNLA (Frente Nacional da Libertação de Angola) und China die UNITA (União Nacional para a Independência Total de Angola). Während die drei Parteien mit Portugal noch über die Unabhängigkeit und freie Wahlen verhandelten, lieferten die drei Mächte im Hintergrund bereits Waffen und Truppenverbände.
Aufgrund der massiven Unterstützung seitens der Sowjetunion, erlangte die MPLA bereits sehr früh die Kontrolle über eine Mehrzahl der angolanischen Provinzen, einschließlich der Hauptstadt Luanda. Auf Seiten der Sowjetunion bestand die Hoffnung, dass ein kommunistischer Staat in Angola einen Dominoeffekt in Westafrika auslösen würde, in dessen Folge auch die Staaten Mozambique, Sao Tome und andere Länder kommunistische Regierungen herausbilden würden. Gleichzeitig erhoffte sich die Sowjetunion Zugriff auf die zahlreichen Erdöl- und Rohstoffvorkommen in diesen Ländern.

Am 12. November 1976 rief die MPLA die Volksrepublik Angola aus, nachdem China und die USA die Unterstützung der FNLA und UNITA stoppten. Auf Seiten der USA wurde ein zweites Vietnam befürchtet und China richtete seinen Blick nach dem Tode Maos auf innenpolitische Entwicklungen. Einen Vorteil erlangte die Sowjetunion durch den Sieg der MPLA allerdings nicht, da die Regierung der MPLA sich ebenso als eine Diktatur herausstellte, unter deren Herrschaft das angolanische Volk starken Repressalien ausgesetzt war. Schätzungen zufolge starben 500.000 Menschen während des Bürgerkrieges und ca. 2,5 Millionen Menschen wurden vertrieben.
In den 1980er Jahren nahm das politische Engagement der Sowjetunion in Afrika zusehends ab. Die Gründe sind vielschichtig. Dieser Schritt war bedingt durch innere Krisen der Sowjetunion und dem Ende der Ära Breshnevs (1964–1982). Die Nachfolger Andropov (1982–1984) und Tschernenko (1984–1985) setzten in ihren kurzen Amtsperioden keinerlei neue Akzente in der Afrikapolitik. Hinzu kam, dass sich vor allem China aufgrund des Todes Maos (1976) aus der afrikanischen Politik zurück zog und somit kein aktives Gegengewicht aufrecht erhalten werden musste. Zusätzlich kam die Einsicht, dass die Sowjetunion nicht von den unterstützten Regierungen in Äthiopien, Uganda, Liberia, Ghana, Angola und Nigeria profitierte, da in diesen Ländern hauptsächlich Diktatoren herrschten, die nur dem Namen nach kommunistisch ausgerichtet waren und der Handel mit diesen Staaten hauptsächlich in der Lieferung von Waffen bestand.
Die Zusammenbrüche der Sowjetunion und der Warschauer-Pakt-Staaten in den frühen 1990er Jahren übten große Effekte auf die afrikanische Politik aus. Der Strom der Entwicklungshilfegelder und der Waffenlieferungen stoppte rapide. Nicht nur von sowjetischer Seite, sondern auch die USA reduzierten ihre Zahlungen. Afrika verlor in den Augen der USA und Europas stark an strategischer Bedeutung. Die ausbleibenden Hilfezahlungen führten zu einer Reihe von Regierungswechseln.

Schlussfolgerungen

Die Beweggründe der Einflussnahme der Sowjetunion auf die afrikanische Politik lassen sich in drei Schwerpunkte zusammenfassen. Erstens suchte die Sowjetunion militärische und strategische Vorteile für die eigenen Streitkräfte, in dem Verträge über Nutzungsrechte für Flug- und Seehäfen abgeschlossen wurden. In den 1970er Jahren wählte die Sowjetunion eine deutlich aktivere Rolle in der afrikanischen Politik als Reaktion auf die Ölpreiskrise 1973 und des Engagements der USA und Chinas auf dem afrikanischen Kontinent. In der Folge des Eingreifens der drei Großmächte wurden sowohl am Horn von Afrika als auch in Angola Stellvertreterkriege ausgefochten. Während sich die Hilfe der USA und Chinas hauptsächlich auf Entwicklungshilfegelder beschränkte, schickten die Sowjetunion und die Warschauer-Pakt-Staaten nicht nur technische Berater sondern auch Truppenverbände.
Rückblickend lässt sich festhalten, dass das Vorgehen der Sowjetunion auf kurzfristige Ziele ausgerichtet war und häufig Terrorregime unterstützt wurden. Aus diesem Grund, nahmen viele afrikanische Länder in den 1980ern eine neutrale Position gegenüber der USA und der Sowjetunion ein und verstärkten zusätzlich die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den ehemaligen Kolonialmächten.

verwendete Literatur

ALBRIGHT, D. 1980: Africa and International Communism. London: Indiana University Press.
GROMYKO, A.; WHITAKER, C.S. 1990: Agenda for Action, African-Soviet-U.S Cooperation. Lynne Rienner Publisher, Inc.: London.
HENDRIKSEN, H. 1981: Communist Powers and Sub-Saharan Africa. Hoover Institution Press: Stanford.
HUBAND, M. 2001: The skull beneath the skin: Africa after Cold War. Westview: Boulder City, Colorado.
KÜHNE, W. 1983: Die Politik der Sowjetunion in Afrika: Bedingungen und Dynamik ihres ideologischen, ökonomischen und militärischen Engagements. Nomos Verlagsgesellschaft: Baden Baden.
LEGUM, C., 1999: Africa since Independence. Indiana University Press: Bloomington.
NATION, R.; KAUPPI, M. 1984: The Soviet Impact in Africa. Lexongton Books: Toronto.
STEVENS, C. 1976: The Soviet Union and black Africa. The Macmillan Press LTD: London.
THOMSON, A. 2004: An Introduction to African Politics (2. Auflage). Routledge: London.

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

1 Kommentar

  1. Erwähnenswert ist noch, dass in Angola immer noch die MPLA die Regierung stellt. 2008 gab es freie Wahlen. Die MPLA erzielte dabei 82%, während die UNITA 10% der Stimmen auf sich vereinen konnte.

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