Was hat eigentlich der Mond mit der Kernfusion zu tun?

BLOG: Formbar

Plasmen im Mittelpunkt
Formbar

Ist das jetzt das letzte Aufbäumen des Sommers oder eher der Übergang in einen herrlich langen Spätsommer? Wie auch immer die Antwort ausfallen mag, man sollte sich beeilen, wenn man noch etwas in das sich schließende Sommerloch hineinwerfen möchte. Das klingt doch nach einer guten Gelegenheit, sich nach etwa 2-monatiger Pause wieder zurückzumelden 😉

Vielleicht hat es ja der eine oder andere tatsächlich nicht mitbekommen, oder es schon wieder verdrängt: In diesem Jahr feierte die Mondlandung 40jähriges Jubiläum! Für diejenigen, die sich gerade nicht daran erinnern können, sei die englische Zeitung The Onion empfohlen, welche diesem geschichtsträchtigen Ereignis die entsprechendem Worte zukommen lässt.

Auch der Autor dieses Blogs konnte sich der medialen Präsens des Mondes nicht verschließen und blieb gebannt bei der einen oder anderen nächtlichen Doku hängen und hat sich sogar ein Buch über den Mond gekauft. Nun war ich nicht der einzige der dieses mediale Ereignis wahrnahm und bekam irgendwann den Hinweis, dass da in der Doku letzte Nacht auf einer der deutschen Nachrichtensender der Mond mit der Kernfusion in Verbindung gebracht wurde. Im Detail ging es dabei um Helium-3, einem auf der Erde extrem seltenen Isotop des Heliums, welches aus 2 Protonen und nur einem Neutron besteht. Das zweite stabile Isotop des Helium, das Helium-4, kommt etwa 1 Million mal häufiger auf der Erde vor.

Was hat nun Helium-3 mit der Kernfusion zu tun? In Frankreich wird momentan der Versuchsreaktor ITER  gebaut. Iter soll einen wichtigen Schritt in Richtung des Prototyps für ein Fusionskraftwerk, genannt DEMO, machen. Der Fusionsprozess, den man dabei nutzen möchte, wird der Deuterium-Tritium-Prozess sein: Hier fusionieren Deuterium und Tritium, beides Isotope des Wasserstoffs, miteinander. Dabei entstehen ein alpha-Teilchen, also ein Helium-4 Kern und ein Neutron, auf welche sich die zusätzliche freiwerdende Energie von 17.59 MeV verteilt. Dieser Prozess wird deswegen favorisiert, weil er bei den niedrigsten Energieen den höchsten Wirkungsquerschnitt hat und niedrige Energie der Reaktionspartner nun einmal leichter zu realisieren sind, als hohe Temperaturen.

Wo kommt denn jetzt endlich das Helium-3 ins Spiel? Also gut: Ein weiterer möglicher Fusionsprozess sieht so aus, dass aus Deuterium und Helium-3 ein alpha-Teilchen und ein Proton sowie 18.35 MeV Energie entstehen. Aha, man brauch also kein Tritium verwenden, was leicht radioaktiv ist (keine Sorge, die Halbwertszeit ist mit ca. 12 Jahren noch recht überschauber) und hat auch kein hochenergetisches Neutron, was sich aufgrund der fehlenden Ladung nur schlecht kontrollieren lässt (im Gegensatz zu dem Proton) und damit eventuell unerwünschte Schäden anrichten kann.

 

Der Haken ist nun die Tatsache, dass dieser Fusionsprozess erst bei erheblich höheren Temperaturen (ca. 1 Größenordnungen mehr) vernünftige Wirkungsquerschnitte hat. Aktuelle Fusionsexperimente sind auf diese Temperaturen nicht ausgelegt, dass heisst man braucht ein neues, oder zumindest ein stark überarbeitetes Reaktorkonzept. Zudem entpuppt sich der vermeintlich Vorteil, dass hier kein Neutron entsteht, in dem aktuellen Reaktorkonzept als weiterer Nachteil: Die Neutronen sollen nämlich in dem sogenannten Blanket abgebremst werden und dieses damit erhitzen. Diese Wärmeenergie soll dann in elektrische Energie umgewandelt werden und dem Verbraucher damit schöne Fusionselektronen nach hause liefern. Fehlen diese Neutronen, muss man sich ein anderes Konzept der Wärmeentnahme überlegen.

Wo kommt denn jetzt endlich der Mond ins Spiel? Ok, nehmen wir einmal an, die eben genannten Probleme seien alle gelöst und ein Reaktor auf Basis der Deuterium-Helium-3 Reaktion ist technisch realisierbar. Dann brauch man nur noch Helium-3. Genau das ist aber auf der Erde so extrem selten, dass die Erwägung, es vom Mond abzubauen, wirtschaftlich interessant werden könnte. Dazu muss man natürlich ein ausgereiftes Shuttle-System haben, was sehr zuverlässig zwischen Erde und Mond verkehrt. So, jetzt haben wir also endlich den Zusammenhang hergestellt und den Bogen geschlossen. Damit können wir jetzt also zusammenfassend sagen, dass die Idee, Helium-3 auf dem Mond zu schürfen und zur Erde zu transportieren, um die dortigen Fusionsreaktoren zu befeuern, noch extrem visionären Charakter und mit Sicherheit noch viele Jahrzehnte von ernsthaften Überlegungen entfernt sind.

Gegen Visionen habe ich natürlich nichts, solange sie als solche gekennzeichnet sind, werden Menschen doch häufig erst dadurch auf andere Ideen gebracht,  Wer seiner Zeit bereits voraus sein will, kann indes das Schürfen von Helium3 in einem flash-game trainieren.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

6 Kommentare

  1. Gauss-Katapult

    Um etwas billig vom Mond zur Erde zu transportieren benötigt man keine Shuttles.

    In der Mitte der Vorderseite des Mondes wird ein auf dem Äquator aufliegendes Gauss-Katapult gebaut, das gegen die Umlaufrichtung des Mondes feuern kann, und das von Solarzellen versorgt wird.

    Dadurch kann Baumaterial für eine L5-Station transportiert werden, und sogar Material zur Erde geschickt werden.

    Man benötigt Kapseln aus meteoritischem Eisen, das Rohmaterial liegt auf der Mondoberfläche, und das meteoritische Eisen kann man mit Magneten leicht aus dem Mondstaub holen und im Sonnenofen schmelzen.

    Berechnung der Länge des Gauss-Katapults:

    Für Personentransport mit 10 m/s^2 Beschleunigung und 238 s Beschleunigungsdauer (v=a*t), also rund 4 Minuten, beträgt die Länge 283 km (s=(a/2)*t^2).

    Diese Beschleunigung schafft sogar der Transrapid, und mit mehr Beschleunigung verkürzt sich diese Länge.

    Für die Energieversorgung würde ein 400 m breiter und 250 km langer Streifen von Solarzellen entlang des Gauss-Katapults ausreichen.

    Die Eisenkapseln müssen im Perigäum (Erdnähe) atmosphärisch abgebremst werden, denn sonst liegt ihr Apogäum (Erdferne) wieder auf der Mondbahn.

    Berechnung des Leistungsbedarfs:

    2.380 m/s Fluchtgeschwindigkeit vom Mond, 2.832.200 J/kg Fluchtenergie vom Mond (m*v^2/2).

    1.370 W/m^2 Solarkonstante, im Mittel aber nur 436 W/m^2 durch die Rotation des Mondes relativ zur Sonne (d/Pi).

    436.084.544 W/km^2 geteilt durch 2.832.200 J/kg ergeben bei 100 % Wirkungsgrad 154 kg/s abgeschossenes Material.

    Bei einem realistischen Gesamtwirkungsgrad von Solarzellen und Gauss-Katapult von 10 % und bei geforderten 1.540 kg/s benötigt man daher 100 km^2 Solarzellen, also z. B. 250 km * 0,4 km.

    Das war ein leicht abgewandeltes Zitat aus meiner schönen Science-Fiction-Geschichte “Der Staub-Torus”:

    http://www.e-stories.de/…geschichten.phtml?26579

  2. @Karl

    Ein Gaußgewehr als riesige Kanone, da würde sich so mancher Bastler darum reißen, die bauen zu dürfen!
    Ein Solarzellenteppich von der notwendigen Größe sollte auch von der Solarzellenindustrie Beachtung finden. Wobei natürlich diese dann das Problem des Transportes auf den Mond hätten. Bei 100qkm Solarzellen kommt schließlich einiges zusammen.
    Ich weiß auch nicht, was die bemannte Raumfahrt von Ihrer Idee halten würde, da man ja doch einiges an Material zwischen Erde und Mond bringen würde.
    Wie ist denn der “Empfang” der Sendung auf der Erde zu bewerkstelligen? Sollen die Kapseln gerade so nicht ganz verglühen bei Wiedereintritt und dann deren Überreste (vermutlich eine Art Kern) vom Erdboden aufgelesen werden?

  3. Start und Landung

    Für die Landung auf der Erde genügt ein keramisches Hitzeschild und ein Fallschirm aus Glasfasern, beides wie die Eisenkapsel aus Mondmaterial hergestellt, und nicht weniger realistisch als die Landungen der Apollo-Raumkapseln.

    Natürlich wird auch das Gauss-Katapult und der grösste Teil der Solarzellen erst auf dem Mond aus Mondmaterial hergestellt, am besten durch selbsreproduzierende Automaten, denen man von der Erde aus relativ einfach Steuerbefehle senden kann.

  4. Energetische Amortisationszeit

    Die energetische Amortisationszeit von Photovoltaikanlagen auf der Erde liegt bei etwa 50 Monaten, und ihr Wirkungsgrad beträgt etwa 16 %.

    Die energetische Amortisationszeit von solarthermischen
    Parabolrinnenkraftwerken auf der Erde liegt bei etwa 5 Monaten, und ihr Wirkungsgrad beträgt etwa 15 %.

    Auf dem Mond werden beide energetische Amortisationszeiten vermutlich nur halb so lange dauern.

    Der Unterschied zwischen diesen beiden energetischen Amortisationszeiten liegt darin, dass man zum Bau von Photovoltaikanlagen viel hochwertigere Werkstoffe benötigt, als zum Bau von solarthermischen
    Parabolrinnenkraftwerken.

    Für selbstreproduzierende Automaten ist es daher etwa 10 mal günstiger, solarthermische
    Parabolrinnenkraftwerke zu verwenden.

  5. Werkstoffe

    Alle folgenden Werkstoffe kommmen auf dem Mond massenhaft vor:

    Flüssiges Wärme-Medium, Schmiermittel, und Dampf für die
    Dampfturbinen: Kalium, Schmelzpunkt 63 °C, Siedepunkt 759 °C,
    dieser Siedepunkt gilt nur bei einem Druck von 1 bar,
    und ist bei niedrigerem Druck auf dem Mond niedriger,
    Kalium ist nur auf der Erde hochgradig feuergefährlich.

    Rohre und Turbinen aus Eisen, Schmelzpunkt 1535 °C,
    Eisen reagiert nicht mit Kalium.

    Magnetkerne für Transformatoren und Motoren: Eisen-Nickel-
    und Eisen-Silizium-Legierungen, Ferrit (Eisen und Eisenoxid).

    Parabolrinnen-Spiegel und Stromleiter: Aluminium.

    Isolatoren: Aluminiumoxid, Siliziumoxid, Silikate aller Art.

    Gleichrichter: Silizium.

    Die Mikroprozessoren kann man einfach von der Erde senden,
    weil ihre Masse sehr gering ist.

    http://www.solarmillennium.de/…sol1-3deutsch.pdf

Schreibe einen Kommentar