Der extremophile Pilz aus der Geschirrspülmaschine

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Heute bin ich auf eine Veröffentlichung gestoßen, die eine Lücke in meinem jüngsten Ausflug in die Mikrobiologie des Haushalts schließt. Sie befasst sich nämlich mit Geschirrspülmaschinen, und die sind etwas anspruchsvollere Lebensräume als die Orte, an denen ich meine Proben genommen habe. Deswegen findet man dort auch spannendere Organismen, in diesem Fall Pilze.

Was die Forscherinnen aus Slowenien dort gefunden haben ist denn auch etwas spannender als der Gießkannenschimmel, den ich aus meinem Kühlschrank gekratzt habe. Zalar und Kollegen entdeckten eine Reihe interessanter Hefen, von denen sogar einige eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sind, und mit Exophiala dermatitidis einen waschechten Extremophilen.

Letzteres ist natürlich besonders spannend, denn normalerweise findet man solche spezialisierten Organismen in Tiefseequellen, Salzseen oder unter Kilometern von Gestein. Dass eine Mikrobe mit solchen Eigenschaften, zumal noch ein Pilz, in menschlichen Behausungen auftaucht, damit hat man nicht unbedingt rechnen können.

Im Wesentlichen sind die Pilzforscher ziemlich genau so vorgegangen wie ich, sie haben mit einem sauberen Tuch den Schmier von der Gummidichtung gewischt und das ganze auf einer Kulturschale verteilt. Der wesentliche Unterschied ist, dass sie als Nährmedium Malzextraktagar verwendeten, der zusätzlich das Breitbandantibiotikum Chloramphenicol enthielt, um Bakterien fernzuhalten. Gut, mal abgesehen von dem Umstand dass ich meine Funde nicht anhand der Ribosomalen RNA identifiziert habe und wohl auch Ärger gekriegt hätte, wenn ich Teile der Kühlschrankdichtung rausgeschnitten und unters Rasterelektronenmikroskop gelegt hätte. Das kommt alles nächstes Mal.

Extreme Heimat für extreme Pilze
Dank der nährstoffreichen Essensreste ist die Spülmaschine natürlich attraktiv für Mikroben, auch wenn die sonstigen Bedingungen extrem sind. Das Wasser ist teilweise 80 Grad heiß und sprüht druckvoll durch die Gegend, aggressive Detergenzien bedrohen Mikroorganismen, Salzkonzentration und pH-Wert schwanken über große Bereiche. Mikroben haben es dort deswegen wesentlich schwieriger, sich zu halten – und das ist ja auch der Sinn der Sache. Allerdings kennen wir eigentlich für alle möglichen und unmöglichen Bedingungen Organismen, die sie vertragen, insofern ist es kaum überraschend, dass man etwas findet.

Auf jeden Fall haben Zalar und Kollegen 189 Geschirrspülmaschinen aus aller Welt untersucht, darunter fünf aus Deutschland. Was auffällt ist, dass trotz der insgesamt geringen Vielfalt gleich mehrere Pilze auftauchen, die als Krankheitserreger bekannt sind. Man fand zum Beispiel Candida parapsilosa und Fusarium dimerum, die beide Biofilme auf medizinischen Geräten wie Kathetern bilden und so in den Körper gelangen, dazu Magnusiomyces capitatus, der in immunschwachen Patienten die Atemwege befällt. Letzterer ist aus der freien Wildbahn praktisch nicht bekannt, möglicherweise ist er tatsächlich hauptsächlich in den Heißwassersystemen menschlicher Behausungen präsent.


Kolonien von Exophiala dermatitidis. Jede Kolonie ist etwa einen Milimeter groß. Quelle: Zalar P, et al., Fungal Biology 10.1016/j.funbio.2011.04.007, 2011

Ebenfalls unklar ist die Herkunft des bemerkenswertesten Fundes in der Studie, nämlich Exophalia dermatitidis, eine Schwarzhefe, die unter anderem Hirnabszesse auslöst und auch gesunde Menschen umbringen kann. Fallberichte gibt es vor allem in Ostasien, wo man den Pilz gelegentlich in Dampfbädern findet – dass er den Menschen besiedelt ist eher selten und nicht immer gefährlich, etwa 0,3 Prozent aller Europäer tragen ihn in ihrem Harntrakt mit sich herum. Und offenbar lebt er in weltweit etwa einem Drittel aller Geschirrspülmaschinen.

Mal abgesehen davon, dass er das Potential hat, arglose Spülmaschinenbesitzer niederzustrecken, ist Exophiala bemerkenswert, weil es sich um einen echten Extremophilen handelt. In Versuchen wachsen die gefundenen Stämme noch bei Temperaturen um 45 Grad und einige von ihnen vertragen pH-Werte zwischen 2,5 und 12,5 – das ist kein Tippfehler. Außerdem berichten die Forscher von pH-abhängigen Wachstumsformen: Im sauren Bereich wächst der Pilz in Form amorpher Klumpen, während er ab etwa 5,0 kettenförmig wächst und auch Sporen bildet. Die hohen Salzkonzentrationen, mit denen man in Spülmaschinen Kalkablagerungen vermeidet, scheint er auch gut abzukönnen.

Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist natürlich, ob dieser so speziell angepasste Pilz überhaupt noch Menschen befallen kann – der menschliche Körper ist ja auch ein extremer Lebensraum, allerdings ein völlig anderer als so eine Spülmaschine. Ich kann mir vorstellen, dass die Anpassungen, die sich über die Zeit entwickelt haben, dazu führen, dass diese Exophiala-Linien mit dem Immunsystem und anderen Besonderheiten des Warmblüter-Innenlebens nicht mehr so richtig gut klarkommen. Dafür spricht auch, dass die Pilze aus der Spülmaschine trotz ihrer Verbreitung und ihrer Nähe zum Menschen epidemiologisch noch nicht negativ aufgefallen sind – die beteiligten Wissenschaftlerinnen melden in dieser Frage zwar weiteren Forschungsbedarf, aber eine wirkliche Gefahr dürfte von den Pilzen nicht ausgehen.

Zalar, P., Novak, M., de Hoog, G., & Gunde-Cimerman, N. (2011). Dishwashers – A man-made ecological niche accommodating human opportunistic fungal pathogens Fungal Biology DOI: 10.1016/j.funbio.2011.04.007

4 Kommentare

  1. Hygiene Keimfrei

    @RD
    Wenn das Kleingeld stimmt nimm einen Autoklaven. Allerdings solltest du dein Geschirr dann natürlich auch in vollkommen steriler Umgebung lagern – die ganze Welt ist voll von bösen Bakterien und Pilzen! 😉

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