Die Suche nach außerirdischem Leben – ein neuer Ansatz

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Traditionell war die Suche nach außerirdischem Leben lange Zeit eine Domäne von Astronomie und Astrophysik. Um nicht zu sagen: Bloßer Spekulation. Während des größten Teils des 20. Jahrhunderts waren sowohl das Weltall noch als auch das Leben selbst noch weitgehend unerforscht und rätselhaft. Deswegen waren die Aliens das Ressort der Leute, die generelle Daten über Himmelskörper sammelten und zumindest auf dieser dünnen Basis mal grob überlegen konnten, was da draußen außer kleinen Lichtpunkten wohl sonst noch so ist.

Das hat sich grundlegend geändert. Fast 400 extrasolare Planeten kennt man inzwischen, Raumsonden sind im Kohlenwasserstoffregen von Titan gelandet, haben Kometen besucht und Carbonate auf dem Mars gefunden. Milliarden Tonnen komplexer organischer Verbindungen schweben zwischen den Sternen herum. Trotz all dieser revolutionären Entdeckungen wird die Erforschung extraterrestrischen Lebens nach wie vor als Domäne von Physik und Astronomie betrachtet – besonders von Physikern und Astronomen.

Biologen finden das meist nicht besonders amüsant. Der Autor Terry Pratchett zum Beispiel berichtet in einem seiner Bücher[1] von einem Biologen, der auf einer Konferenz Physiker und Astronomen vor Publikum über außerirdisches Leben philosophieren sieht und darüber nicht wirklich erfreut ist.

Inzwischen weiß man genug über das Weltall, um sich sehr konkret mit den Bedingungen zu beschäftigen, unter denen präbiotische und biologische Prozesse anderswo im Universum – sei es auf Planeten oder an Staubpartikeln – stattfinden können. Und das hat kaum noch etwas mit Physik oder Astronomie zu tun.

Das ist bei vielen Wissenschaftlern noch nicht so wirklich eingesunken, weswegen sich das National Research Council der amerikanischen National Academies vor einer Weile bemüßigt fühlte, in einer umfangreichen Studie sanft auf diesen Umstand hinzuweisen. Die Suche nach extraterrestrischen Lebensformen, so die Studie, sollte vorerst in irdischen Labors fortgesetzt werden.

Dieser Empfehlung liegt ein drastisch verändertes Bild des Weltalls zugrunde, das in der öffentlichen Wahrnehmung noch kaum angekommen ist. Die populärwissenschaftlichen Literatur bewegt sich da meistens im Bermuda-Dreieck zwischen Urknall, Schwarzen Löchern und Galaxien, der wesentliche Wandel im Weltbild betrifft jedoch die Chemie.

Früher galt der interstellare Raum als Reich der Physik, in der Gravitation und Elektromagnetismus bestimmten, was mit der Materie passiert. Inzwischen weiß man: Das Weltall beherbergt eine ausgesprochen komplexe Chemie, die mit dem, was wir von der Erde kennen, kaum etwas zu tun hat. Die Hauptakteure dabei sind Staubteilchen. An ihnen kondensieren die im interstellaren Raum rumschwirrenden Gase und bilden eine Schicht schmutzigen Eises, das jede Menge Siff enthält.

Danach braucht es nur noch energiereiche Strahlung und – weil das ganze in einem ultrakalten Eisklumpen passiert – jede Menge Zeit. Beides ist im Überfluss vorhanden, und so entstehen unter dem Einfluss von UV-Licht aus den vorhandenen einfachen Chemikalien ziemlich komplexe und hochgradig reaktive organische Moleküle, die dann haufenweise auf planetare Körper runterrieseln. Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Suche nach Leben, wie wir es kennen, schlicht am Kern der Sache vorbei geht.

Ungeahnte chemische Vielfalt
Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass sich außerirdische Lebensformen grundsätzlich von irdischem Leben unterscheiden könnten. Es besteht deswegen die Gefahr, so die Schlussfolgerung, dass Leben auf anderen Planeten schlicht übersehen werden könnte.

Die ersten und bis heute bekanntesten Überlegungen zur probiotischen Chemie von Miller, Urey und ihren Nachfolgern sind jedenfalls längst von der interstellaren Realität überrollt – komplexe Chemikalien müssen nicht mühselig aus Bestandteilen der Atmosphäre zusammengekocht werden, sie kommen bis heute aus dem Weltall zur Erde. Und so langsam gewinnt die Vermutung an Boden, dass viele der in heutigen Lebewesen vorhandenen Stoffklassen wie Aminosäuren und Nucleobasen an der Lebensentstehung wohl gar nicht beteiligt waren. 

Möglicherweise ist ein ganz anderes Szenario plausibel: Die ersten selbsterhaltenden chemischen Systeme entstehen aus den Bausteinen interstellarer Chemie und entwickeln später einen für jeden Ort spezifischen Chemismus. Das würde zum Beispiel erklären, weshalb ein so unpraktisches Element wie Phosphor für irdisches Leben unverzichtbar ist, während Aluminium – immerhin das dritthäufigste Element der Erdkruste – gar nicht auftaucht. Es wären quasi die eingefrorenen Bedingungen an einem ganz spezifischen Punkt der chemischen Evolution; und die können auf anderen Planeten völlig anders aussehen.

Für die weitere Suche nach außerirdischem Leben ist also wichtig, dass sich die Forschung darüber klar wird, in welchen Formen Leben auftreten kann, welche Grundbedingungen belebte Systeme unabhängig von der Chemie erfüllen müssen und welche möglicherweise extrem exotischen Stoffwechsel in Frage kommen. Nur dann lässt sich eine Aussage darüber machen, wie man Leben auf anderen Planeten zuverlässig findet.

Die Antworten auf all diese Fragen, sagen die Wissenschaftler des NRC, finden sich nicht im Weltall. Lebende Systeme sind untrennbar mit dem chemischen Milieu verbunden, das sie hervorgebracht hat. Im Grunde läuft der Vorschlag der Studie darauf hinaus, diesen Aspekt zum Fixpunkt der Suche zu machen und damit die Exobiologie vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Die bestand bisher überwiegen aus der Suche nach Bedingungen, die „Leben ermöglichen“. Irdisches Leben, heißt das. Also flüssiges Wasser, Aminosäuren, bekannte Stoffwechselprodukte. Doch die modernen Erkenntnisse über die Möglichkeiten chemischen Evolution ziehen diesem Forschungsansatz effektiv den Boden unter den Füßen weg. Komplexe organische Chemie kann, das ist die Arbeitshypothese, Leben in ganz verschiedener Form hervorbringen.

Das verkompliziert die Suche nach außerirdischem Leben natürlich erheblich. Denn einfach nach bekannten Stoffwechselprodukten suchen, das kann man unter diesen Umständen vergessen.

Die Autoren der NRC-Studie schlagen deswegen einen neuen, dreifachen Ansatz vor. Zum einen sollen mögliche Komponenten belebter Systeme chemisch im Labor nachgebaut und analysiert werden, zum anderen versprechen sie sich von sorgfältigen Untersuchungen irdischer extremophiler Mikroorganismen Aufschlüsse darüber, wie Organismen mit unterschiedlichen chemischen Milieus umgehen. Auf diese Weise soll herausgefunden werden, wie Leben zum Beispiel in einem flüssigen Ammoniak-Wasser-Gemisch aussehen könnte, das auf kälteren Himmelskörpern vermutet wird (weil es auch bei tieferen Temperaturen noch flüssig ist). Die tatsächliche Suche nach außerirdischen Lebensformen soll sich dann an den Ergebnissen dieser Forschungen orientieren.

Vielleicht stellt sich dann ja heraus, dass wir sie bis jetzt nur übersehen haben.
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[1] The Science of Discworld

5 Kommentare

  1. Als jugendlicher…

    …habe ich mich immer gefragt, welche verschiedenen Formen (in dem Sinne wie im Artikel beschrieben, natürlich nicht in dieser Komplexität) von Leben wohl geben mag anderswo im Weltall. Diese Vorstellung rührt vielleicht teilweise sogar von einer alten Science-Fiction Serie die ich damals geschaut hab, in der sich die Menschen im Krieg mit Wesen einer anderen Welt befanden. Diese bezeichneten die Menschen als “Kohlestoffeinheiten”, sozusagen sich von den Menschen abzugrenzen, weil ihre Lebensform eine andere Grundlage hat.

    ….Bis ich diese Vorstellung in den letzten Jahren dann als naiv und unwissend abgestempelt hatte, weil man ja “weiß”, dass für Leben logischerweise Wasser, Aminosäuren, etc. vorhanden sein müssen.
    D.h. wenn es irgendwo Leben gibt, dann kann es ja nur in erdähnlichen Planeten entstanden und die Lebensformen können nicht grundlegend verschieden sein.

    Jetzt bin ich 28 und dieser Artikel rückt meine Vorstellung über das Leben wieder in die Gefilden meiner nicht allzufernen Jugend 🙂

  2. Ich würde sagen, hier handelt es sich um ein klassisches interdisziplinäres Feld. Nicht umsonst boomt die “Astrobiologie” bzw. “Astrochemie” in den letzten Jahre. Wenn man über Leben auf andern Planten Bescheid wissen will, muss eben Ahnung von Leben (Biologie/Chemie) UND anderen Planten (Astronomie/Physik) haben. Ich denke mal, in Zukunft wird es immer mehr Wissenschaftler geben, die auf beiden Gebieten kompetent sind und vielleicht entwickelt sich ja irgendwann auch mal eine eigenständige Disziplin (wie z.B. Geophysik oder Meteorologie).

  3. @Florian

    Grundsätzlich bin ich da einverstanden. Ich denke der Punkt ist einfach, dass der Astro-Teil der Exobiologie so einen enormen Vorsprung hat. Wenn man in der Kernfrage wirklich weiter kommen will, muss man auf chemisch/biologischer Seite erstmal so weit kommen, dass man mit dem gegenwärtigen Kenntnisstand etwas anfangen kann.

    @2minutehate
    Das scheint mir überall so zu sein: Es gab im 20. Jahrhundet zwischendurch eine Phase, in der die Breite des Möglichen durch die Wissenschaft immer stärker eingedampft schien

    Aber das war wohl Illusion: je mehr wir forschen, desto seltsamer und vielfältiger erscheint das Universum

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