Warum Hartz IV uns alle angeht – gesellschaftliche Ungleichheit und Gesundheit

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Es gilt als ausgemachte Sache, dass eine Gesellschaft profitiert, wenn Wirtschaftsleistung und Pro-Kopf-Einkommen steigen. Auf der Basis dieser Annahme präsentieren die Medien Wirtschaftswachstum als Erfolg und rechtfertigen soziale Härten – denn wächst die Wirtschaft, profitieren letztendlich alle. Weltweit, auch in Deutschland, erkaufen Wirtschaftspolitiker Wachstum allerdings inzwischen mit steigender Ungleichheit. Der Abstand zwischen Arm und Reich stieg in Deutschland zwischen 2000 und 2005 stärker als in den 15 Jahren zuvor.

Für die Wirtschaftsdaten ist das zuerst einmal egal, doch ob der Gesellschaft als Gesamtheit mit dieser Wachstumsfixierung gedient ist, erscheint zweifelhaft. Inzwischen deuten immer mehr Studien darauf hin, dass nicht so sehr die Wirtschaftsleistung das Wohlergehen von Gesellschaften bestimmt, sondern vielmehr die ökonomische Ungleichheit zwischen den Einkommensgruppen.

Wilkinson und Pickett vom Equality Trust haben eine ganze Liste von gesellschaftlichen Parametern zusammengestellt, die durch allgemeine Ungleichheit negativ beeinflusst werden, vom Kindeswohl bis zur Gewaltkriminalität. Der interessanteste Punkt aber ist einer, der wirklich alle angeht: Die Gesundheit. Ungleichheit, das ist die These, macht alle krank, auch die Reichen.

Armut und Gesundheit
Viele Untersuchungen stützen inzwischen diese schwer zu belegende Hypothese. Dass größere Ungleichheit bei einem gegebenen Pro-Kopf-Einkommen die gesundheitliche Gesamtsituation einer Gesellschaft tendenziell verschlechtert, hat zuerst einmal einen ganz trivialen Grund: Der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Gesundheit ist nicht linear. Während bei den Ärmsten der Armen schon kleine Beträge, zum Beispiel für Impfstoffe, eine beträchtliche Verbesserung bewirken, bringt bei den höheren Einkommensklassen mehr Geld einen immer geringeren gesundheitlichen Zusatznutzen. Grob gesagt verschiebt größere Ungleichheit Geld von dem Teil der Gesellschaft, in dem es die allgemeine Gesundheit signifikant verbessert, in jenen Teil, der zumindest aus medizinischer Sicht wenig zusätzlichen Nutzen davon hat.

Das allerdings ist erst der Anfang, denn während Armut insgesamt bekanntermaßen zu einem schlechteren Gesundheitszustand führt, gibt es auch für die umgekehrte Kausalität, nämlich dass schlechtere Gesundheit Armut begünstigt, belastbare Indizien (leider im Abstract nicht erwähnt). Die Ungleichheit verstärkt sich so selbst, indem sie den zurückfallenden Teil der Gesellschaft doppelt trifft. Die Schwachen fallen tiefer als die Starken aufsteigen.

Aber auch über diese Effekte hinaus mehren sich die Indizien, dass Ungleichheit in einer Gesellschaft wirklich alle trifft. Untersuchungen legen nahe, dass ein gegebenes Einkommen in ungleichen Gesellschaften allgemein mit einem schlechteren Gesundheitszustand einhergeht als das gleiche Einkommen in einer weniger ungleichen Gesellschaft. In den letzten Jahrzehnten haben viele Forscherteams diesen seit geraumer Zeit vermuteten Zusammenhang erforscht und seine Existenz bestätigt.

Unwägbarkeiten
Die Ergebnisse sind keineswegs auf den ersten Blick eindeutig, denn unterschiedliche Einflüsse überlagern und verzerren den gesuchten Effekt. Die Probleme beginnen schon damit, den Gesundheitszustand der Bevölkerung und allgemeine Ungleichheit eindeutig zu erfassen. Es gibt ja keine flächendeckenden Statistiken über alle Krankheiten und Wehwehchen, und die Sterblichkeit allein ist ein zu grobes Maß für ein so vielschichtiges Phänomen. Forscher greifen deswegen notgedrungen oft auf repräsentative Umfragen zurück, in denen die Teilnehmer ihren Gesundheitszustand auf einer Skala von 1 bis 5 subjektiv bewerten sollen.

Hier spielen natürlich kulturelle Unterschiede zwischen Regionen ebenso hinein wie grundsätzliche Unwägbarkeiten bei Selbstauskünften aller Art, die zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt. Ganz abgesehen davon, dass der Begriff Gesundheit sehr viele unterschiedliche Aspekte umfasst, die nicht zwangsläufig miteinander zu tun haben und schon gar nicht in gleicher Weise von einem äußeren Faktor wie Ungleichheit beeinflusst werden.

Und was ist schon Ungleichheit? Die Forschung greift bevorzugt auf den Gini-Koeffizienten zurück. Den erhält man, indem man das kumulative Einkommen der Bevölkerungsanteile als Kurve aufträgt und mit der Kurve einer Gesellschaft mit völlig gleich verteiltem Einkommen vergleicht. Die Details (und Grenzen) der Methode sind bei Wikipedia beschrieben. Der Gini-Koeffizient ist eine dimensionslose Zahl zwischen 0 und 1 mit der man Länder einfach nach Ungleichheit ordnen kann.

Strittig ist, wie belastbar diese Zahl ist. Ein offensichtliches Problem ist, dass es theoretisch unendlich viele Einkommensverteilungen mit dem gleichen Gini-Koeffizienten gibt. Bei der Bestimmung dieser Zahl geht sehr viel Information über die betrachtete Gesellschaft verloren. Zu viel?

Trotz dieser Unwägbarkeiten zeichnet sich in der Gesamtschau ab, dass es einen Zusammenhang gibt – egalitäre Gesellschaften sind insgesamt gesünder. Die Gründer des Equality Trust stellen in einem Literaturreview von 2006 fest, dass mehr als 70 Prozent aller Studien zum Thema zu dem Schluss kommen, dass ungleiche Gesellschaften einen Gesundheits-Malus haben (pdf), und zwar durch alle Einkommensschichten. Je größer die betrachteten Regionen sind, desto deutlicher wird der Effekt sichtbar.

Kindersterblichkeit nach Ländern, abhängig von der Ungleichheit. Zusammengestellt vom Equality Trust. Informationen zu Methoden und Quellen hier

Subramanian und Kawachi allerdings weisen darauf hin, dass die meisten westlichen Industrienationen zwar deutliche Unterschiede in der Einkommensverteilung aufweisen (in Schweden besitzen die obersten zehn Prozent etwa drei mal so viel verfügbares Einkommen wie die unteren zehn Prozent, in den USA ist es etwa sieben Mal so viel), beim Gesundheitsstatus jedoch innerhalb der beträchtlichen Schwankungsbreite gleichauf liegen.

Sowohl soziale Veränderungen als auch gesundheitliche Prozesse brauchen allerdings ihre Zeit – deswegen verzerrt der Vergleich sozialer und gesundheitlicher Parameter aus den gleichen Jahren den gesuchten Effekt wahrscheinlich. Eine Stichprobe der beiden Forscher ergab, dass in den USA die Gesundheitsdaten von 1995 am besten zu den sozialen Parametern von 1980 passen. Entsprechend besteht durchaus die Möglichkeit, dass die in den letzten Jahren rasant gestiegene Ungleichheit auch in den Industrienationen große gesundheitliche Auswirkungen auf uns alle hat – die aber liegen dann für uns noch in der Zukunft.

Warum Ungleichheit alle krank macht – mechanistische Überlegungen
Es gibt verschiedene Überlegungen dazu, wie Ungleichheit rein mechanistisch zu insgesamt schlechterer Gesundheit führt. Der strukturelle Weg nimmt an, dass Unterschiede im Einkommen dazu führen, dass sich Arme und Reiche schon räumlich stärker separieren. Dadurch, so die Vermutung, entstehen klassische Problemviertel, die selbst einen Faktor für eine schlechte allgemeine Gesundheit darstellen. Der zweite wesentliche Punkt ist Politik. In einer ungleichen Gesellschaft könnte die Politik dazu tendieren, das staatliche Gesundheitssystem zu vernachlässigen, weil diejenigen, die die Politik bestimmen, reich genug sind um sich selbst zu versorgen, und den Fokus der Politik auf niedrige Steuern legen. Die dritte Hypothese bezieht sich auf das soziale Kapital, ein Konzept, das vor ein paar Jahren aufgekommen ist und den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft beschreibt. Je ungleicher die Gesellschaft, desto stärker wird auch die Konkurrenz und der Zusammenhalt geht verloren, mit direkten Folgen für die Gesundheit des einzelnen.

Denn nicht nur das absolute Einkommen bedingt den individuellen Gesundheitszustand, sondern auch das relative Einkommen im Vergleich zum Rest der Gesellschaft, und eng verknüpft damit der relative Status. Beides ist allerdings schwer zu messen, denn die Vergleichsgruppe, die jeweils herangezogen werden muss, ist keineswegs offensichtlich.

Das Resultat ist, dass auch die wohlhabenderen Teile der Gesellschaft direkt negative Effekte einer ungleichen Einkommensverteilung zu spüren bekommen, denn sie haben auf einmal mehr zu verlieren. Je stärker die Schere zwischen Arm und Reich aufgeht, desto größer werden die Ängste vor dem sozialen Absturz und desto stärker die Statuskonkurrenz. Dass das auch Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit hat liegt nahe.

All das ist, naturgegeben, weitgehend spekulativ. Derartige Wirkungen streng nachzuweisen dürfte schwer werden, zumal all diese Effekte in gewissem Maße zusammen auftreten und nur schwer zu trennen sind. Insofern müssen die oben zitierten epidemiologischen Befunde zuerst einmal für sich sprechen. Für eine neue Politik sollte das reichen, trotz aller Unsicherheiten.

25 Kommentare

  1. Harz IV und Armut

    Ich verstehe nicht, was Harz IV mit Armut zu tun hat. Nach meinem Studium war ich 18 Monate auf Harz IV angewiesen. In dieser Zeit konnte ich fast jeden Monat € 100 sparen, so dass ich mir passend zu meinem ersten Job ein altes Auto kaufen konnte – und das von den € 345, die ich jeden Monat ausgezahlt bekam. Man hat als Harz IV Empfänger nicht viel Geld aber es reicht für eine Wohnung (wird vom Sozialamt bezahlt), Krankenversicherung (wird auch vom Sozialamt bezahlt), genügend zu essen und ein paar Bücher waren auch jeden Monat drin. Dazu hat man sehr viel Freizeit. Ich konnte in diser Zeit alles lernen was ich wollte und diese Zusatzqualifikationen, die ich mir dank freier Zeit selber beigebracht habe, haben mich in meinen ersten Job gebracht. Ein Harz IV Empfänger ist ganz bestimmt nicht reich aber er ist auch weit von echter Armut entfernt.

    Viele Grüße
    Hein

  2. Lieber Hein, ich möchte dir nicht unterstellen, dass du lügst. Aber was zählen schon Wünsche in diesem Leben – außer vielleicht zu Weihnachten. Sollte ein Studierter, der auch noch weitere anderthalb Jahre am Tropf meiner Steuergelder gehangen hat, nicht wissen, wie es korrekt geschrieben wird: Hartz IV? Eigentlich sollte er sogar von ALG II schreiben, oder?

    Wie gesagt, ich möchte ja nichts unterstellen. Doch darf ich dich auf etwas hinweisen, dass möglicherweise in dem von dir immer geschwänzten Einführungskurs in die Wissenschaftstheorie [an eurer Uni vielleicht 101 Epistemologie] gleich am Ende der ersten Sitzung vorkam: anekdotischer Beweis. Es ist tatsächlich völlig unerheblich ob du, Hein, frugal von meinen Steuergeldern leben konntest, auch noch so gut, dass du diesen Zuschuss zum Lebensunterhalt auch noch durchaus verwendungsfremd aufs Sparbuch packtest. Ohnehin gar unterhaltsam, dass du der einzige ALG-2-er bist, der nicht dauernd rumtigern musste, um Jobs zu finden, in irgendwelche lächerlichen Arbeitsagenturkurse zu gehen oder Stühle in Ämtern zu wärmen. Nein, denn du hast herumgefaulenzt. 18 Monate. Auf meine Kosten.

    Fazit: Du bist jener “Hartz’ler”, der uns gerne von BILD, FOCUS und Oswalt Metzger vorgeführt wird. Du machst es denen, die es wirklich schlecht haben, schwer würdevoll durchs Leben zu kommen.

  3. Aha

    So so, mit Hartz-IV kann man sich also Autos ansparen. Also doch spätdeutsche Dekadenz. Ab ins Lotterleben mit Hartz-IV. Yeah.

  4. Nur mal zur Klarstellung. Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich arbeitslos war. Wer sich mit der Hartz IV Diskussion auskennt, weiß schon wann der Satz bei € 345 lag. Aktuell arbeite ich im Ausland, da die Jobsituation für mich hier besser als in Deutschland ist.
    Das Auto war natürlich kein Neuwagen sondern ein alter Japaner, der mich € 1500 gekostet hat. Kein Wagen zum Angeben aber ein fahrbahrer Untersatz, der mich von A nach B gebracht hat.

    Die Gänge zum Arbeitsamt waren auch nicht weiter schlimm. Ich durfte dort alle 3 Monate dort auflaufen, eine Nummer ziehen und meinem Sachbearbeiter “Hallo” sagen. Das Arbeitsamt hat mir in den 18 Monaten genau kein Jobangebot gemacht. Ich wurde nicht zum Spargelstechen eingeladen und mir wurde auch sonst kein Vorschlag gemacht, wo ich denn arbeiten könnte.

    @ Anekdote und Beweis: natürlich bin ich nicht repräsentativ für alle Menschen, die je arbeitslos waren. Aber im Gegensatz zu anderen Menschen, die sich über die Höhe der Hilfszahlungen vom Staat aufregen, habe ich davon gelebt und weiß dass man nicht arm ist. Arm sind Leute, die sich Sorgen um ihr Essen, ein Dach über dem Kopf und ärztliche Versorgung machen müssen. All das ist für einen arbeitslosen Menschen in Deutschland kein Problem.

    @ Dierk: wo bitte siehst Du bei mir ein Fehlverhalten, wenn ich die viele freie Zeit, die ich nach meinem Studium hatte, für selbst finanzierte und organisierte Fortbildungen genutzt habe? Dieses selbst angeeignete Wissen war es, dass mir später als Zusatzqualifikation zum Studium, den entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Bewerbern eingebracht hatte. Die Kurse, die vom Arbeitsamt angeboten wurden, durfte ich 1. erst nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit nutzen und 2. waren sie allesamt nicht zu gebrauchen.

    Viele Grüße
    Hein

  5. Hart IV ist Armut

    Hallo Hein,

    Das ein junger Student wie jeder andere “Lebensanfänger” mit HartzIV auskommt, halte ich eigentlich für selbstverständlich.
    Was aber, wenn Sie bereits in einer größeren Wohnung wohnen, die Ihnen mehr Nebenkosten beschert oder sie als erwerbstätiger andere Verbindlichkeiten eingegangen sind (Verträge, Versicherungen usw.). Dazu kommen später noch Medikamente/best. Ernährung.
    Auch ist es später schwierig, mit gesellschaftl. Verpflichtungen Schritt zu halten (Feierlichkeiten, Veranstaltungen) – Unter jungen Studenten mag es z.B. ausreichen, mit ‘nem 6erTräger zu nem Geburtstag zu erscheinen, ansonsten aber eher nicht.
    Was ist, wenn von der Familie keine weitere Unterstützung kommt?
    Ich denke direkt nach dem Studium kann man das Leben mit HartzIV nicht beurteilen.
    Da ist alles noch relativ neu/meist nicht älter als 10Jahre (Waschmaschine, Kühlschrank, Klamotten…), da ist man noch keine großartigen Verpflichtungen eingegangen und meist gibts noch Unterstützung von Familie und wenn’s dann auch nur die Kleinigkeiten sind.
    Natürlich ist es auch eine Sache der Gewöhnung, so gibt es tatsächlich viele, die sich lieber damit arrangieren wollen, als mit Arbeit.
    Das gilt aber nun mal nicht für alle, schon gar nicht für diejenigen, die nach ‘zig Jahren Arbeit längerfristig arbeitslos sind (meist dazu auch noch unverschuldet).
    Nebenbei erwähnt hat ein Student auch noch nicht soviel zu verlieren, wie jemand, der bereits 15,20 oder sogar 30 Jahre arbeitsreiches Leben hinter sich hat…

    Viele Grüße

    Daniel

  6. HartzIV und Auto?

    Da muss ich nochmal was nachgeben.
    Gehen Sie mal davon aus, sie gehen Vollzeit arbeiten und müssen mit HartzIV aufstocken und haben womöglich noch Kinder.
    Stellen sie sich vor, sie müssten das Auto nicht nur zusammensparen, sondern auch unterhalten (Steuern, Versicherungen, Sprit) um zur Arbeit zu kommen.
    Und jetzt stellen Sie sich vor, dass eine Reparatur fällig wird und Sie keine 18Monate Zeit haben, um das zu regelen, da sie ja jeden Tag zur Arbeit müssen, nachdem Sie Ihre Kids im Kindergarten und Schule abgeliefert haben – und nicht erst, wenn sie genug “gespart” haben…
    Sollten sie nicht allzu verbohrt sein, werden Sie nun wissen, was ich meine.

  7. Sehr schön

    die schwierigen Begriffe “Armut” und “Ungleichheit” mal in einem Beitrag so aufgeschlüsselt zu sehen!

    Das Stichwort Hartz IV verleitet aber natürlich zu einer anderen Diskussion. Für mich ist Hartz IV eher ein Beitrag zur Ungleichheit und daher ein herber Rückschritt. Hartz IV erkennt die bisherigen Leistungen der Beitragszahler nicht an. Daher kommt es, wie hier zu sehen, zu der Diskussion, dass ein “Lebensanfänger” Hartz IV eigentlich ganz prima findet, ein Familienpapa aber katastrophal. Eigentlich sollte eine Arbeitslosenversicherung eine echte Versicherung sein: Wer länger und mehr einzahlt, bekommt im Schadensfall länger und mehr Leistungen. Das fände ich gerecht.

  8. Hi Daniel,

    zuerst mal zum Auto: natürlich habe ich mir das Auto nicht gekauft, als ich noch arbeitslos war. Ich bin zu dieser Zeit bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad gefahren. Ich habe mir das Auto erst gekauft, nachdem ich einen Arbeitsvertrag hatte. Natürlich wäre der Unterhalt eines Pkws von Hartz IV nicht zu bezahlen gewesen. Das Geld für den Kauf hatte ich mir als Arbeitsloser angespart aber tatsächlich habe ich das Auto erst gegen Ende meiner arbeitslosen Zeit gekauft.

    Deinen weiteren Ausführungen kann ich nur zustimmen. Natürlich sind die finanziellen Möglichkeiten von Langzeitarbeitslosen äußerst bescheiden. Wer vorher einen hohen Lebensstandard hatte, wird mit dem Schritt von ALG I auf ALG II weit fallen. Diese Menschen müssen aber auch tief fallen. Wenn dieser Absturz nicht gegeben wäre, fehlt die Motivation, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Und um den Bogen zum Artikel wieder zu finden. Der Abstand zwischen Arm und Reich ist eigentlich völlig egal. Es kommt nur darauf an, dass die Leute am unteren Ende der Einkommensskala alles Notwendige haben. Wenn das gegeben ist, dann ist für alles gesorgt. Dann kann es auch noch so viele Superreiche geben, ohne dass es mich stört.

  9. @Hein

    Ich weiß nicht, ob ich dem zustimmen kann: “Der Abstand zwischen Arm und Reich ist eigentlich völlig egal. Es kommt nur darauf an, dass die Leute am unteren Ende der Einkommensskala alles Notwendige haben.”

    Mich stört es schon, wenn ich jeden Tag für das Notwenige arbeiten gehen muss, während andere in denselben 8 Stunden Arbeitszeit weit mehr als das Notwenige verdienen – oder sie haben einfach geerbt und arbeiten eh nicht wirklich. Da ist die Frage, ob und inwieweit der Unterschied gerechtfertigt ist schon berechtigt. Ich akzeptiere sehr gerne, dass Ärzte überdurchschnittliche Verdienstmöglichkeiten haben, die Spitzengehälter der Manager aber sind sicherlich nicht durch Fleiß und Ausbildung gerechtfertig.

    Ich neige auch nicht zum Neid und bin auch kein Linker, aber es stört mich, wenn manche Leute sich einfach so neben das System stellen können, während andere täglich fleißig roboten müssen, ohne eine realistische Alternative (aussteigen ist nicht jedermanns Sache).

  10. Und wieder andere gewinnen im Lotto. Deren Geld ist genau so unfair wie das der Erben. Aber im Unterschied zu den Erben haben sie ihr Geld nicht einfach so bekommen, sie mussten vorher etwas Dummes tun.
    Warum soll mich interessieren, wie viel Ged eine Paris Hilton für was auch immer bekommt, wenn ich genug für mich habe?

  11. Dürfen Hartz IV Empfänger ein Auto besitzen? Meines Wissens wird ihnen das weggenommen, oder nicht?

    Ich denke, man sollte bei Hartz IV differenzieren. Ein Single mit einer kleinen, billigen Wohnung bekommt nicht viel. Ist aber eine Familie mit Kindern auf Hartz IV sieht das schon anders aus. Dann hat die Familie nämlich Anspruch auf eine entsprechend große Wohnung und die bezahlt die Allgemeinheit. Ich kenne mich mit den Sätzen nicht genau aus, aber ich habe mal eine Auflistung gesehen. So eine Familie auf Hartz IV bekommt doch recht viel Geld. Wenn das der Familienvater mit Arbeit verdienen möchte, wo er die Miete etc. selbst bezahlen muß, dann benötigt er einen richtig guten Job. Für so einen werden wohl nicht allzu viele Hartz IV Empfänger in Frage kommen.

  12. Geld

    Ich weiß auch nicht, ob mehr Geld für Hartz IV Empfänger die Lösung ist. Je nachdem wieviele Kinder eine Familie hat, da haben die Hartz IV Familien bestimmt mehr Geld zur Verfügung, als jemand aus der arbeitenden Bevölkerung mit niedrigem Einkommen. Einige Löhne, die sind ja so mickrig geworden, das ist eine echte Unverschämtheit. Mal abgesehen davon, daß seit Jahren der Mittelstand kräftig abgebaut wird.

    Vielleicht hat der Status innerhalb der Gesellschaft ein größeren Einfluß auf das Wohlbefinden und damit auf die Gesundheit, anstatt wieviel Geld zur Verfügung steht?

  13. Lususdiskussion

    Es geht bei Harz IV nicht in erster Linie darum was gut, gerecht und wünschenswert ist. Es geht vor allem um Finanzierbarkeit. Klar, es wäre toll wenn wir Harz IV aufstocken würden… sollen wir dafür noch ein paar Milliardchen Schulden machen? Bin ich dagegen. Meine Kinder müssen das dann hinterher ausbaden.

    Die gleiche Diskussion mit fast den gleichen Parametern gibt’s übrigens auch für die Rente. Meiner Meinung nach sollte der Staat nur in super-Krisenzeiten überhaupt Kredit aufnehmen, den man danach aber bitte sofort wieder abträgt.

  14. @Hein

    Abgesehen davon, dass man sich ja streiten kann wieviel “genug” ist, ist der Punkt doch ein ganz anderer. Es geht um die Teilhabe an unserer Gesellschaft, bzw. ihrer Wirtschaft. Ich versuch es nochmal anders: Wenn sich jemand morgens mit frischen Brezeln an den Bahnhof stellt und so der Sparkassenfilialleiter auf dem Weg zur Arbeit sein Frühstück mitnehmen kann, investieren beide einen Teil ihrer Lebenszeit, damit unser Land funktioniert. Ungerechtigkeit entsteht dann, wenn der Banker sehr viel mehr verdient, als der Brezelverkäufer, obwohl beide ja dieselbe Lebenszeit in das funktionieren des Systems investieren. Diese Schere darf sich nicht zu weit öffnen, will man die Gesellschaft gerecht und damit stabil halten.

    Ich sehe die Entsolidarisierung innerhalb der Arbeitnehmerschaft mit Sorge: Arzt gegen Krankenpfleger, Pilot gegen Kabinenpersonal, Lokführer gegen Schaffner. Mag ja sein, dass ein Pilot besser ausgebildet ist, als eine Stewardess, aber wer will schon ohne Erdnüsse fliegen 🙂

  15. @ Taube

    Hartz IV erkennt die bisherigen Leistungen der Beitragszahler nicht an. Daher kommt es, wie hier zu sehen, zu der Diskussion, dass ein “Lebensanfänger” Hartz IV eigentlich ganz prima findet, ein Familienpapa aber katastrophal. Eigentlich sollte eine Arbeitslosenversicherung eine echte Versicherung sein: Wer länger und mehr einzahlt, bekommt im Schadensfall länger und mehr Leistungen. Das fände ich gerecht.

    Die Leistungen wurden so drastisch gekürzt, weil das Leben als Arbeitsloser zu angenehm war. Der Anreiz sich eine Arbeit zu suchen, war zu niedrig. Und so eine Arbeitslosenversicherung ist nicht als eine Art Sparkonto gedacht, um als Arbeitsloser weiterhin angenehm zu leben. So, die Theorie. Wenn es aber in der Praxis zu wenig Arbeitsplätze gibt oder wenn dann nur so richtig tolle 1 Euro Jobs, dann ist die schöne Theorie schnell grau.

    Ich möchte aber auch erwähnen, daß die Ausgaben der Allgemeinheit für Sozialleistungen steigen und steigen und steigen. Ich habe jetzt leider keine Zahlen, meine mich aber dunkel daran zu erinnern, daß 60% der Steuereinnahmen für Soziales (ohne Schuldzinszahlungen) ausgegeben werden. Das steht natürlich in keinem Verhältnis zur Bankenkrise. Da waren die Milliarden plötzlich da – für die wir noch alle kräftig werden zahlen müssen.

  16. Ich versuch mal was.

    Zuerst einmal, die Leistungen nach dem SGB, die Lars Fischer in seinem Beitrag – etwas unglücklich – erwähnt, sind für die zu Grunde liegende Fragestellung völlig unerheblich, schon weil sie nur für Deutschland gelten, die Problematik selbst allerdings auch in anderen Ländern gültig ist. Ich vermute mal, er wollte sich um den soziologisch heiß umstrittenen Begriff der Armut drücken.

    Natürlich gibt es auf der Welt Menschen, die verhungern. Die wenigsten leben in Ländern, die es sich leisten können, ihren Bürgern das Verhungern zu ersparen. Zwar benutzen diverse Organisationen aus Gründen horizontaler und vertikaler Vergleichbarkeit auch die Definition der ‘absoluten Armut’, nur ist der weniger hilfreich, als es im ersten Moment erscheint, ignoriert er doch unter anderem das ‘würdevolle Leben’, wie es beispielsweise die deutsche Verfassung fordert und garantiert.

    Das Grundgesetz hat die unantastbare Würde des Menschen nicht aus Jux und Dollerei ganz oben stehen, und auch nicht nur aus Empathie. Es geht um die ganz praktische Frage, wie ein Staat dauerhaft erfolgreich sein kann. Die Verfassungsväter hatten nicht nur einen, sondern zwei große Vernichtungskriege miterlebt, sie haben dazwischen gesehen, was mit Staaten geschieht, in denen die sozialen Unterschiede sehr groß werden – sie werden instabil, erst wirtschaftlich, dann gesellschaftlich, zu guter Letzt wird es gewalttätig.

    Wir erleben in den letzten ca. 25 Jahren eine teils massive Teilung der Gesellschaft – nennen wir es die neoliberale* Revolution -, die von jenen ausgeht, die ganz gut dastehen. Wie Lars Fischer in seinem Beitrag schreibt, kann ein Gesundheitssystem schnell leiden, wenn diejenigen, die Politik machen, diesem System selbst kaum unterworfen sind. Wer genug Geld hat, braucht sich keine Sorgen zu machen. Eine Binsenweisheit. So entstehen Verordnungen, nach denen jeder erst einmal Eintritt beim Arzt zahlen muss [durchaus ein Hindernis bzgl. Vorsorge], außerdem Teile der verschriebene Medikamente selbst zahlt. Wer das muss, geht – so war es ja auch gewünscht – weniger zum Arzt, Erkrankungen werden später erkannt, später behandelt, die lower middle class und lower class ist nicht so gesund wie die Besserverdienenden, fällt damit individuell wie als Gruppe in der Gesellschaftsleistung zurück. Was wiederum die Besserverdienenden in ihren Positionen bestärkt => weiter einschränkende Gesetzgebung zu Ungunsten der Armen.

    Ähnliche Effekte finden wir selbstverständlich in weiteren gesellschaftlich relevanten Bereichen: Kultur, Bildung, Sicherheit. Nur wer es sich leisten kann erhält sie, die anderen sind es nicht wert; wir ziehen uns eine Gesellschaft nach Vorbild römischer Republik heran, Patrizier entscheiden und feiern Orgien, Plebejer dürfen schuften und am Hindukusch die Villen im Tessin verteidigen. Langfristig führt so etwas zur Destabilisierung einer Gesellschaft, je nach außenpolitischem Erfolg kann das einige Jahrhunderte dauern [Rom], zu gewaltsamem Umbruch führen [UdSSR], zu dauerhaftem failed state [fast alle afrikanischen Staaten]. Mit Glück auch nur zu dauerhafter wirtschaftlicher Stagnation und politischer Kippe wie in Japan oder Italien.

    Anders als es so manch ein lautstarker Verteidiger der direkten Demokratie gerne glaubt, ist Demokratie allerdings nicht dazu da die Mehrheit zu pampern oder gar die “Leistungsträger” zu pushen. Demokratie dient dazu die Minderheit zu schützen, die selbst keine Kampfgeschwader und Mauern aufstellen kann. Ja, die Demokratie ist auch dazu da, die aus der Oberstadt zu zwingen, Ihre Kinder mit denen aus der Unterstadt spielen zu lassen.

    *Ich benutze dieses Wort der EInfachheit halber, meine Vorbehalte dazu habe ich des öfteren verbreitet.

  17. Sozialausgaben Bund

    @Martin Huhn

    In der Zahl sind die Renten und Pensionen mit drin.

    Vor einigen Tagen las ich, dass die eigentlichen Sozialausgaben sogar ordentlich gesunken sind; leider finde ich die Quellen nicht mehr.

  18. Die vorangegangenen Kommentare sind ein gutes Beispiel für die Verdrängungsmechnismen unserer Profitgesellschaft. Das wir nur gut funktionieren, wenn wir auch gesund sind wird zu gerne vergessen und die Nicht-Gesunden werden aus dem Blickfeld geschoben.

  19. …off-topic…

    Das getwitterte Erstaunen des Beitragsautors über das Geschehen in den Kommentaren hat mich überhaupt erst nach dem Artikel fahnden lassen, den er gemeint haben könnte – so landete ich hier.

    Die sezierten Effekte sozialer Ungleichheit liegen in dem Artikel offen zutage. Ich fühle mich aufgeklärt durch die Darstellung und unterschreibe das Fazit des Autors, dass für eine Politikänderung schon allein die im epidemiologischen Bereich nachgewiesenen erhöhten Risiken bei größerer sozialer Ungleichheit sprechen.

    Mir scheint, wie so oft liegt hier der Haken in der Kommunikation… Sprechen (auch von Fakten) ist das Eine – Zuhören ist das Andere. Dabei greifen subjektive Filter. Und der Artikel selbst bringt das Problem auf den Punkt, warum eine Umsetzung wissenschaftlich gestützter Empfehlungen in der Politik so schwer fällt, gerade dann, wenn eine unbehagliche Betroffenheit aller in unserer zunehmend ungleicher werdenden Gesellschaft für viele spürbar und als Bedrohung wahrgenommen wird:

    “Die dritte Hypothese bezieht sich auf das soziale Kapital, ein Konzept, das vor ein paar Jahren aufgekommen ist und den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft beschreibt. Je ungleicher die Gesellschaft, desto stärker wird auch die Konkurrenz und der Zusammenhalt geht verloren, mit direkten Folgen für die Gesundheit des einzelnen.” (vgl. oben)

    Irgendwie scheint mir die off-topic-Drift in den Kommentaren ein, ahem, anekdotisches Indiz dafür, dass hier ein Verlust an sozialem Kapital und sichtbar wird… Und das Muster ist ganz ähnlich in öffentlichen Politikdebatten etc. – Genau darin, so empfinde ich die Leseerfahrung Beitrag vs. Kommentare hier, genau darin liegt die Perfidie der aufgezeigten Problematiken sozialer Ungleichheit: Unreflektiert kann die emotionale Ahnung einer durchaus zurecht als bedrohlich empfundenen Scherendynamik dazu führen, dass sie den Blick trübt, das Ohr verstopft und die Bereitschaft oder/und Fähigkeit zur interindividuellen Verständigung reduziert. Schade, dass so die Chance zu kooperativen Perspektivänderungen und zur politisch-gesellschaftlichen Kursänderung sinkt.

    Danke für eine erhellende Auseinandersetzung mit einem Thema, das uns alle angeht, auch wenn wir es nicht alle gleich wahrnehmen…

    Gruß von @foxeen!

    Die größeren Risiken und Ängste auch für Bessergestellte

  20. Im Titel verwendest Du HartzIV, den Rest des Artikels redest Du über Armut.
    Die dadurch implizierte Feststellung HartzIV = Armut teile ich genausowenig, wie die (wohl falsch verstandene und korrigierte) Feststellung von Hein, dass man als HartzIV-Empfänger grundsätzlich nicht arm ist.

    Zusammengefasst:
    HartzIV ist nicht gleich Armut ist gleich schlechterer Gesundheitszustand = HartzIV ist nicht gleich schlechterer Gesundheitszustand. Armut aber schon.
    (Die Differenzierung zwischen armen HartzIV-Empfänger und nicht armen HartzIV-Empfänger wurde hier schon mehrfach erwähnt.)

    Wieso also gehen diese Kommentare am Thema vorbei, wenn Du den Begriff “HartzIV” bewusst als Aufhänger nimmst?

  21. Denke gerade darüber nach, daß Menschen mit Depressionen immer zahlreicher werden. Könnte mir vorstellen, daß auch das mit der Schere zwischen Arm und Reich zu tun hat. Denn ganz ehrlich: Wenn ich mir anschaue, wie tief ich selbst nach inzwischen 17 Jahren gutem Verdienst in diesem Staat unter Umständen fallen kann (gerade als Alleinerziehende mit zwei Kindern) und wie schwer die Altersabsicherung ist, dann kann einem durchaus Angst und Bange werden. Wie sich da erst diejenigen fühlen, denen genau dies tatsächlich passiert ist, möchte ich lieber gar nicht wissen. Ist aber sicherlich auch wieder nur einer von vielen Teilaspekten bei diesem Thema.

  22. @Daniel

    “Im Titel verwendest Du HartzIV, den Rest des Artikels redest Du über Armut.”

    Nein. Ihr redet die ganze Zeit über Armut.

    In meinem Artikel geht es um Ungleichheit, und damit dürfte der Bezug zur aktuellen Hartz-IV-Debatte auch klar sein.

  23. Müttersterblichkeit steigt wieder an

    „Entsprechend besteht durchaus die Möglichkeit, dass die in den letzten Jahren rasant gestiegene Ungleichheit auch in den Industrienationen große gesundheitliche Auswirkungen auf uns alle hat – die aber liegen dann für uns noch in der Zukunft.“

    Vielleicht hat die Zukunft manche Länder doch schon erreicht. Wie vor einigen Monaten in verschiedenen Zeitungen zu lesen war, ist die Müttersterblichkeit in den USA, Kanada und Dänemark neuerdings wieder angestiegen.
    Quelle:
    http://www.ftd.de/…laendern-steigt/50099723.html

    In den USA stieg die Müttersterblichkeit so stark an, dass Amnesty International eine Kampagne startete: http://www.amnesty.de/…muettersterblichkeitsrate

  24. Nachwuch droht Gehalt auf Hartz-4-Niveau

    Ende der Wohlstands-Ära: Die Jungen werden ärmer als ihre Eltern

    http://www.stern.de/wirtschaft/geld/mckinsey-studie–die-jungen-werden-aermer-als-ihre-eltern-6971346.html

    oder auch ganz lecker: Verarmung als Megatrend – siehe auch: https://www.berlinjournal.biz/verarmung-kinder-aermer-als-eltern/

    Laut Politik müsse man sich “integrieren” (nach Definition der Politik was das denn angeblich sei). Dazu braucht es in der heutigen Zeit üppige Geldmittel, die die meisten Leute, die angeblich “nicht integriert” sind (auch sehr viele Deutsche).

    Auf einen Zusammenhang stieß die britische Soziologin Marii Peskow in der European Social Survey (ESS): Demnach sei die Bereitschaft zur Wohltätigkeit in egalitären Gesellschaften deutlich schwächer ausgeprägt, als in solchen mit großen Einkommensunterschieden. Die Erklärung dafür liege im sozialen Statusgewinn, den Wohlhabende in ungleichen Gesellschaften erfahren würden, wenn sie Schwächere unterstützten. In egalitären Gesellschaften herrsche hingegen das Bewusstsein vor, dass dank des Sozialstaats für die Schwachen schon gesorgt sei.

    Faulheit gilt in den westlichen Industrienationen als Todsünde. Wer nicht täglich flott und adrett zur Arbeit fährt, wer unbezahlte Überstunden verweigert, lieber nachdenkt als malocht oder es gar wagt, mitten in der Woche auch mal bis mittags nichtstuend herumzuliegen, läuft Gefahr, des Schmarotzertums und parasitären Lebens bezichtigt zu werden.

    Nein, stopp: Nur die armen Arbeitslosen fallen in die Schublade »Ballastexistenz«. Millionenerben, Banker- und Industriellenkinder dürfen durchaus lebenslang arbeitslos und faul sein. Sie dürfen andere kommandieren, während sie sich den Bauch auf ihrer Jacht sonnen.

    Früher glaubten viele Menschen an einen Gott. Wie viele heute noch glauben, da oben säße einer, der alles lenke, weiß ich nicht. Das ist auch egal. Gottes ersten Platz hat im modernen Industriezeitalter längst ein anderer eingenommen: Der »heilige Markt«. Der Finanzmarkt. Der Immobilienmarkt. Der Energiemarkt. Der Nahrungsmittelmarkt. Und der Arbeitsmarkt.

    Der Arbeitsmarkt ist, wie der Name schon sagt, zum Vermarkten von Arbeitskraft da. Wer kein Geld und keinen oder nur sehr wenig Besitz hat, verkauft sie. Die Eigentümer der Konzerne konsumieren sie, um daran zu verdienen. Das geht ganz einfach: Sie schöpfen den Mehrwert ab. Sprich: Der Arbeiter bekommt nur einen Teil seiner Arbeit bezahlt. Den Rest verrichtet er für den Gewinn des Unternehmers.

    Arbeit verkaufen, Arbeit konsumieren: So geschieht es seit Beginn der industriellen Revolution. Denn Sklaverei und Leibeigenschaft wurden ja, zumindest auf dem Papier, abgeschafft.

    Solange Furcht vor Strafe, Hoffnung auf Lohn oder der Wunsch dem Über-Ich zu gefallen, menschliches Verhalten bestimmen, ist das wirkliche Gewissen noch gar nicht zur Wort gekommen. (VIKTOR FRANKL)

    Die Todsünde der Intellektuellen ist nicht die Ausarbeitung von Ideen, wie fehlgeleitet sie auch sein mögen, sondern das Verlangen, diese Ideen anderen aufzuzwingen (Paul Johnson)

    Der Teufel hat Gewalt, sich zu verkleiden, in lockende Gestalt… (Shakespeare)

    Das Heimweh nach der Barbarei ist das letzte Wort einer jeden Zivilisation (Cioran)

    Alle Menschen sind klug – die einen vorher, die anderen nachher (Voltaire)

    Die Gefahr ist, dass die Demokratie zur Sicherung der Gerechtigkeit für diese selbst gehalten wird (Frankl)

    Absolute Macht vergiftet Despoten, Monarchen und Demokraten gleichermaßen (John Adams)

    Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer (Schopenhauer)

    Unser Entscheiden reicht weiter als unser Erkennen (Kant)

    Denn mancher hat, aus Furcht zu irren, sich verirrt (Lessing)

    Die Augen gingen ihm über, so oft er trank daraus… (Goethe)

    Immer noch haben die die Welt zur Hölle gemacht, die vorgeben, sie zum Paradies zu machen (Hölderlin)

    So viele Gefühle für die Menschheit, dass keines mehr bleibt für den Menschen (H. Kasper)

    “Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden” (Helmut Schmidt)

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