Rezension: Östliche Weisheit für westliche Skeptiker

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Kommen wir zu dem verachtenswertensten Genre der Literatur, den Lebensratgebern. Ihr wisst schon, diese bunten Büchlein mit dem jeweils neuesten Rezept für Erfolg, Glück und Zufriedenheit, die allüberall die Bücherregale verpesten. Ich vermute, dass der Großteil meiner Leser bisher wohlweislich einen großen Bogen um diese Sorte Druckprodukte gemacht hat – insbesondere die mit den angeblich östlichen Weisheiten – und gerade deswegen sei euch dieser eine Vertreter der orientalischen Mystik wärmstens ans Herz gelegt.

Lehre und Buch heißen Sheng Fui, beide stammen aus der Feder von Lorenz Meyer, der uns auf Twitter und auf seiner Webseite schon seit längeren mit den Weisheiten des Meisters Tse-Tang und allgemeiner esoterischer Lebensberatung beglückt. Es handelt sich natürlich um eine Parodie von Feng Shui und vergleichbaren orientalischen Eso-Importen, an deren publikumswirksame Präsentation der Autor seine Schöpfung – “viel älter und wirksamer als Feng Shui” – mit großer Liebe zum Detail angelehnt hat. Man kann das “Sheng Fui” auf zwei Arten lesen, einerseits als großes Sheng-Fui-Lesebuch für Liebhaber des eher schrägen Humors und andererseits als klassische Verhohnepipelung esoterisch angehauchter Lebenshilfe-Literatur.

 

Das Buch selbst ist wenig textlastig. Die fünf Kapitel, von “Gesundes Leben” bis “Wissenschaft und Technik”, bestehen aus einer Aneinanderreihung von themenbezogenen Abschnitten, die großzügig bebildert und selten mehr als eine Seite lang sind. Häppchenweise zieht Lorenz Meyer die Klassiker “ganzheitlicher” und “fernöstlicher” Weisheit durch den Kakao, er empfiehlt Hähnchen-Akupunktur gegen Salmonellen (vorher auftauen, sonst gehen die Nadeln nicht rein!), ein detailliertes Ohrenkerzen-Regime für die Advents-Feiertage und natürlich die Aromatherapie, bei der ein Sud aus verdorbenen Fischen Schuhe zuverlässig vom lästigen Schweißgeruch befreit. Die eigentliche Stärke des Buches allerdings ist nicht so sehr die Parodie des Bekannten als vielmehr die Fülle eigener skurriler Ideen, die hier den Unterschied zwischen einem humoristischen Abklatsch und einer gelungenen Satire ausmacht.

So vermeidet man Eifersüchteleien zwischen Körperteilen, indem man durch einen einzigen gemeinsamen Schnürsenkel die Verbundenheit zwischen den Füßen stärkt, ungezogene Kinder werden durch Handauflegen (“Die Übung ist sauber durchgeführt worden, wenn ein deutliches Klatschgeräusch entsteht”) beruhigt und gegen Stress in der Partnerschaft hilft, richtig eingesetzt, ein einfacher Backstein.

Es fehlen selbstverständlich auch nicht die üblichen eingestreuten Kaufempfehlungen für den überteuerten Tand, der die echte Esoterik zu einem so lohnenden Geschäft macht. Geräte wie den Sheng-Fui-Wellness-Stimulator (links) oder der Water Enhancer Deluxe finden sich allerdings in jeder gut sortierten Küche beziehungsweise im Fall des Meditationsstuhl Swami 2.0 auf dem Sperrmüll (einen ausführlicheren Überblick über den Inhalt des Buches findet ihr u.a. bei Florian).

All das ergibt, zusammen mit eingestreuten Weisheiten diverser Sheng-Fui-Meister (“Liebe ist wichtiger als Geld. Deswegen sollst du dein Geld lieben”) und den mehr oder weniger sinnigen Sinnsprüchen am Fuß jeder Seite ein unterhaltsames Buch, das sich eher zum Stöbern als zum Durchlesen in einem Rutsch eignet und für einige Lacher gut ist. Wie jede gute Satire enthält dieses Buch allerdings auch eine bedenkenswerte Botschaft. Ist es wirklich so viel absurder, dass Glasbausteine den Sexualtrieb dämpfen als die Vorstellung, dass der Rosenquarz bei Blutkrankheiten hilft? Manche Ratschläge, die sich absurd anhören, sind es auch. Nicht nur im Buch von Lorenz Meyer.

Meyer, Lorenz
Sheng Fui – Das Magazin für fernöstlicher Leere
Kartoniert, 123 Seiten
Carlsen 2010.

ISBN: 9783551684516

1 Kommentar

  1. Buddha sagt:

    Glaubt nicht dem Hörensagen und heiligen Überlieferungen, nicht Vermutungen oder eingewurzelten Anschauungen, auch nicht den Worten eines verehrten Meisters;
    sondern was ihr selbst gründlich geprüft und als euch selbst und anderen zum Wohle dienend erkannt habt, das nehmt an.

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