Das einzige Tier, das Photosynthese betreibt

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

… oder die Geschichte, wie ich an meinen Nicknamen „kleptoplast“ gekommen bin.

Photosynthese, das Umwandeln von Lichtenergie in chemische Energie(z.B. Zucker), ist eigentlich Pflanzen und einigen Bakterienvorbehalten. Wenn wir als Menschen Photosynthese betreiben könnten,wäre das ziemlich praktisch, denn dann könnten wir einen Teil unseresEnergiebedarfs decken, indem wir uns einfach in die Sonne stellen. Esgibt doch aber kein Tier, das das kann, oder?

Eine Ausnahme scheinen die grünen Meeresschnecken der Gattung Elysia zu sein, die an der Ostküste Nordamerikas leben.

Lebendes Blatt: Elysia chlorotica (Bildquelle)

Die grüne Farbe der Schnecke dient nämlich nicht nur zur Tarnung gegenFressfeinde! Sie stammt von intakten Chloroplasten (Zellorganellen, dieeigentlich in Pflanzen Ort der Photosynthese sind), die in die Zellendes Verdauungstraktes der Schnecke eingebettet sind. Die Chloroplastenhaben die Schnecken jedoch von Grünalgen (Vaucheria litorea)„gestohlen“, welche von den Tieren angefressen und ausgesaugt werden.Alle Zellbestandteile bis auf die Chloroplasten werden bei diesemProzess verworfen.

Die geklauten Chloroplasten (Kleptoplasten) bleiben funktionsfähig undexprimieren sogar weiterhin plastidäre Gene, während sie die Schneckemit Kohlenhydraten versorgen. Setzt man ein Tier der Art Elysia chlorotica imJugendstadium in ein beleuchtetes Gefäß, überlebt es bis zu neun Monateohne Futter. Das entspricht in etwa der normalen Lebenserwartung derSchnecke.

Das ist nicht selbstverständlich. Chloroplasten selbst sind Symbionten im Inneren der Pflanzenzelle, ursprünglich müssen sie den photosynthetischen Cyanobakteriensehr ähnlich gewesen sein. Im Laufe der Evolution wurden große Teiledes Chloroplasten-Erbguts in den Zellkern ausgelagert, wo sie z.B.unter einer besseren Kontrolle des Wirtes stehen. So müssen mehr als90% der benötigten plastidären Proteine in der Wirtszelle hergestelltund in den Chloroplasten importiert werden. Bei den Chloroplasten derGrünalge Vaucheria litorea ist das nicht anders.
So hat man vor zwei Jahren festgestellt, dass die Schnecke pflanzlicheProteine herstellt und in die Kleptoplasten importiert. Es muss alsoein horizontaler Gentransfer zwischen Alge und Schnecke stattgefundenhaben!

Nachtrag: Auf Ed Yongs Blog ist zu lesen, dass in einer neuen Publikation von Wägele et al.diese Befunde nicht bestätigt werden konnten im Genom der Schnecken finden sich keine Algengene – wie die Chloroplastenalso monatelang ohne Nachschub an reparierten Photosystemen überlebenkönnen, bleibt vorerst ein Rätsel.

Hier kann man noch mehr über die Schnecke und ihre Alge erfahren (englischsprachige Website).

Quelle
Rumpho et al. (2008): Horizontal gene transfer of the algal nuclear gene psbO to the photosynthetic sea slug Elysia chlorotica. PNAS 105(46) S. 17867-71

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

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