Willkommen im 21. Jahrhundert: Wettrüsten mit Kampfrobotern

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Der Kalte Krieg ist keine zwei Jahrzehnte vorbei, da beginnt sich eine völlig neue globale Rüstungsspirale zu drehen: Kampfroboter. Wie bei der Entwicklung der Nuklearwaffen kündigt sich ein neues Kapitel moderner Kriegführung an, und alle wollen mit dabei sein, bevorzugt natürlich ganz vorne. Im Gegensatz Zu Atombomben ist jedoch abzusehen, dass die Automatenkrieger der Zukunft im großen Stil zum Einsatz kommen, mit möglicherweise verheerenden Folgen.

Der Einsatz unbemannter Fahrzeuge bei militärischen Operationen ist längst Realität. Die US-Armee setzt im Irak über 4000 Roboter ein, unbemannte Drohnen haben inzwischen 400000 Flugstunden absolviert. Auch andere Länder betätigen sich auf dem Gebiet, die Bundeswehr setzt seit Ende 2006 das grandios benannte "Kleinfluggerät Zielortung", eine unbemannte Drohne, in Afghanistan ein. Andere Systeme können Lasten schleppen oder verwundete Soldaten aus dem Kampfgeschehen evakuieren.

Inzwischen tauchen auch waffentragende Systeme an den Kriegsschauplätzen auf, am bekanntesten ist wohl die amerikanische Drohne „Predator“, die Ziele mit Raketen beschießen kann (aber im Moment mit Problemen zu kämpfen hat). Auch am Boden tut sich so einiges in dieser Richtung, im Irak setzt die US-Armee umgerüstete Vehikel zur Bombenentschärfung als MG-Plattform ein. Im Irak-Krieg sind militärische Roboter erstmals in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gerückt und haben weltweit zu einer erheblichen Zunahme der Entwicklungsaktivitäten in diesem Sektor geführt.
Bisher sind all diese Geräte keine echten Roboter, sie werden nach wie vor zumindest teilweise von Menschen gesteuert und können nicht autonom agieren. Doch das beginnt sich zu ändern. Bereits auf dem Markt ist das automatische Flugabwehrgeschütz Oerlikon GDF-005. Das machte vor einer Weile Schlagzeilen, als es aufgrund eines Softwarefehlers das Feuer auf die eigenen Leute eröffnete und neun Soldaten tötete.

Der Vorfall demonstriert nachdrücklich, weshalb Militärs noch sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, Kampfmaschinen autonom agieren zu lassen. Das wird allerdings nicht für immer so bleiben. Allein die US-amerikanische Regierung beabsichtigt, bis 2010 etwa vier Milliarden Dollar jährlich in derartige Systeme zu stecken. Insgesamt werden die weltweiten Investitionen in Militärroboter dann geschätzte 24 Milliarden Euro betragen, meint zumindest der Robotik-Professor Noel Sharkey von der Universität Sheffield.

Damit sind alle Zutaten für ein globales Wettrüsten mit Militärrobotern beisammen. Denn autonome Systeme sind für Militärs ausgesprochen attraktiv. Die Vorteile fasst die US-Armee in der Formel "dull, dirty, dangerous" zusammen: Die Systeme ermüden nicht, arbeiten auch unter widrigen Bedingungen und minimieren den Einsatz menschlicher Soldaten und damit die Verluste. Sie sind anders als ferngesteuerte Systeme auch nicht von einer störungsanfälligen Verbindung zu einem Kontrollzentrum abhängig, und sie können in beliebiger Stückzahl eingesetzt werden, weil man nicht extra Piloten ausbilden muss.

Das eröffnet eine Reihe von taktischen Optionen, auf die in Zukunft keine Armee der Welt verzichten wollen wird: Hochriskante Operationen bis hin zum Himmelfahrtskommando, automatisierte Kontrolle über Verkehrswege oder strategisch wichtige Orte oder gar den mechanischen Selbstmordattentäter, der sich selbsttätig zu einem schwer erreichbaren Ziel durchschlägt und dann automatisch in die Luft sprengt.

Die Technik birgt vor allem ein politisches Problem: Sie reduziert die Kosten eines Krieges ganz erheblich. Die Bundeswehr würde schon längst an Kampfeinsätzen in Afghanistan teilnehmen, wenn sie Roboter schicken könnte statt Soldaten. Indem autonome Militärroboter die möglichen Verluste in den eigenen Reihen reduzieren, senken sie das politische Risiko für Kriegstreiber praktisch gegen Null. Wie viele Amerikaner würden wohl gegen den Irakkrieg protestieren, wenn sie nur Maschinen dabei verlören?

Das 21. Jahrhundert droht für weite Teile des Planeten zu einem Endzeitszenario zu werden: Im Kampf um die knapper werdenden Rohstoffe schicken die industrialisierten Länder ihre Roboterarmeen in die Welt, um strategisch wichtige Ressourcen zu besetzen und zu verteidigen. Für Zurückhaltung gibt es keinen Grund, schließlich sind es ja nur Roboter und alles passiert ganz woanders.

Die größte Gefahr jedoch ist, dass autonome Systeme universell verfügbar sein werden, sobald sie erstmal in Gebrauch sind. Denn die Technologie ist beileibe kein exklusives High-Tech-Produkt, das sich nur reiche, hochentwickelte Staaten leisten können. Im Gegenteil, Technik wie Steuerungselektronik ist inzwischen so weit verbreitet, dass eine kleine GPS-gesteuerte Drohne wohl nicht mehr als ein paar Hundert Euro kosten würde. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch nichtstaatliche Akteure wie Neonazis, Separatisten, Islamisten oder einfach nur Kriminelle in den Besitz von autonomen bewaffneten Systemen gelangen.

Und dann haben wir wirklich ein Problem.

11 Kommentare

  1. Scifi-Kampfroboter?

    Die Vorstellung, dass sich Kampfroboter für Bodeneinsätze demnächst schon billig und schnell wie die Brezeln von jedermann herstellen lassen, halte ich derzeit für reichlich naiv.
    Wenn man verfolgt, wie mühsam sich etwa jedes Jahr autonome Fahrzeuge in einem Darpa-geförderten Wettrennen in den USA zu einem Ziel durchschlugen, dann hat man Zweifel, wie das in einem “unkooperativen Umfeld” klappen soll.
    Am “erfolgreichsten” scheinen Drohnen zu sein, sie fliegen ja schon seit längerem Militäreinsätze. Aber auch die Predators haben ja offenbar ziemliche Probleme. Obwohl sie sich ja der “rauhen Wirklichkeit” am Boden durch Flughöhe entziehen können.

  2. Da wär ich mir nicht so sicher

    Die Performance der autonomen Systeme in der Praxis ist zwar noch nicht so atemberaubend, aber dann guck mal, wo die vor fünf Jahren waren.

    Die Roboter-Fußball-WM ist da ganz instruktiv, das geht mit Riesenschritten voran.

  3. Dann haben wir wirklich ein Problem?

    Seltsam, ich denke wir haben das Problem schon jetzt, denn die Kampfroboter werden ja schon jetzt von Kriminellen eingesetzt.
    Der Angriff der Nato im Balkankrieg war nicht durch eine UN-Resolution gedeckt, der Angriff auf Afghanistan kein Verteidigungsfall der NATO, der Angriff auf den Irak ebenso. Das Problem haben wir also schon längst.
    Und es gibt ein anderes Problem: Der Wegfall der Hemmungen durch die weitere Entfernung vom Opfer. Mit Einführung von halbautonomen Kampfrobotern wird die Tötung im Krieg endlich vollständig zum Ego-Shooter.

  4. Geld macht es möglich

    Auch wenn das Argument abgedroschen ist: bei den zur Verfügung stehenden Geldsummen kann die Realisierung einfach nur eine Frage der Zeit sein.

    Eine autonome stationäre Kanone, die auf alles schießt, was durch die elektronische Freund-Feind-Erkennung fällt, ist schon heute kein Problem. Jeder moderne Kampfhubschrauber wird eher durch den Computer als durch den Piloten in der Luft gehalten. Der Begriff “autonom” wird durch den angestrebten Verwendungszweck stark relativiert. Das Militär freut sich auch schon über fortgeschrittene Teilautonomie.

    Nur einen “Ersatz” für die Infantrie zu entwickeln dürfte meiner Eisnchätzung nach noch lange dauern.

  5. Israel integriert AI in Waffensysteme

    Vordergründig scheint der Artikel recht gut recherchiert. Bis auf http://www.physorg.com/news123306321.html sind die Quellen dennnoch eher nicht ganz so jung.
    Wenn man zu einer derartigen Konklusio kommt wie sie, sollte man sich beim Recherchieren mehr Mühe machen.
    Was sagen Experten wirklich, ist Endzeitstimmung angesagt? Seit Hiroshima wissen wir über die Schrecken der Nuklearwaffen. Welche Terrorgruppe hat die A-Waffe derzeit?
    Und ob Roboter als Kampfeinheiten wirklich zum breiten Einsatz kommen bleibt ebenfalls ein Stück weit offen.
    Da lassen AI-Waffensysteme, wie sie z. B. auch Staaten wie Israel produzieren, wohl noch eher Endzeitstimmung aufkommen, aber auch nicht richtig.

  6. Moin Herr Kobald,
    die Quellen sind vor allem deswegen etwas älter, weil ich damit auf einen Zustand hinweisen will und nicht auf eine sensationelle Neuigkeit.

    Sie haben natürlich Recht, dass die Schlussfolgerungen recht zugespitzt sind, im Kern entsprechen sie jedoch dem, was der im Text zitierte Professor Sharkey u.a. in einem Guardian-Beitrag letzten Sommer sowie der von mir verlinkten aktuellen Lautäußerung sagt.

  7. Re Kernwaffe

    Atombomben zu bauen ist schon ingenieurstechnisch ein schwieriges Geschäft und lässt sich nicht eben mal in ner Garage erledigen, selbst wenn man das spaltbare Material hat.

    Beschaffung, Zusammenbau und Programmierung von Elektronisch gesteuerter Mechanik ist zwar nicht trivial, aber doch deutlich einfacher zu bewerkstelligen.

  8. Ich kann mir schon vorstellen, wie dutzende autonome Kampfroboter durch Softwarefehler oder Viren umfallen. Wie sich mit relativ einfachen Mitteln reihenweise elektronische Geräte im großen Umkreis ausschaltet lassen, sofern sie am Boden unterwegs sind. Und wie die vermeitlich intelligenten Kampfroboter an den einfachsten spontan auftretenden Problemen scheitern.

    Von technischer Seite aus wird es wohl noch viele viele Jahre lang bei der von “Bertman” angesprochenen Teilautonomie bleiben. Einem Roboter einen konkreten Einsatz zuzuweisen ist eine Sache. Eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, die annähernd so auf Probleme reagieren kann wie der Mensch, bleibt meiner Meinung nach noch lange den Science-Fiction-Autoren überlassen.

  9. Interessant

    Wie sollen die Dinger mit den sogenannten EMP’s, den Bomben mit elektromagnetischem Impuls, klarkommen?

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