Was ist eigentlich euer Problem?

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"Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn außer im Lichte der Biologie." hat, zugegebenermaßen schon vor einiger Zeit, der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera aus Kassel zu Protokoll gegeben. Womit er bei Lichte besehen absolut Recht hat. Schließlich stammt all das, womit sich Geisteswissenschaftler beschäftigen, in letzter Konsequenz aus den knapp drei Pfund Wabbelkram, die wir alle unter der Schädeldecke tragen, und die sind nun mal ein Produkt der Evolution.

Aber was sagt uns das jetzt auf praktischer Ebene? Muss jetzt der Literaturwissenschaftler, Linguist, Logiker alles, was er bisher so getrieben hat, in die Tonne treten? Wohl kaum. Kutscheras Feststellung läuft darauf hinaus, dass in den Wissenschaften eben doch alles mit allem zusammenhängt, wenn man nur genau genug hinguckt. Eine Überlegenheit der Biologie lässt sich auf diese Weise nicht begründen. Ganz abgesehen davon, dass Germanistik auch im Lichte der Biologie natürlich auch weiterhin mit den Methoden der Germanistik betrieben wird, kann die biologische Perspektive, wie Michael in "Natur des Glaubens" demonstriert, den Geisteswissenschaften neue Wege öffnen.

Im Grunde kann also der Geisteswissenschaftler als solcher weitermachen wie bisher. Das hinderte allerdings den SZ-Feuilletonisten Alexander Kissler nicht daran, eine seltsame Replik zu veröffentlichen. Um Kutschera als Ideologen zu diskreditieren, bedient er sich zum Beispiel eines Zitats aus diesem Artikel, in dem ein gewisser Benno Kirsch das sattsam bekannte wir-werden-alle-verfolgt-und-diskriminiert-Gejaule der Kreationisten anstimmt. Kissler scheint selbst sehr genau zu wissen, dass mit dieser Quelle kein Staat zu machen ist, und belässt die Herkunft der Verunglimpfung bewusst im vagen ("…von einem Historiker in einer linken Berliner Wochenzeitung…").

Der unvoreingenommene Leser kratzt sich etwas ratlos am Kopf ob dieses ebenso unqualifizierten wie bei Lichte betrachtet völlig unnötigen Rundumschlages. Denn wenn Kutschera über den Geisteswissenschaftler-an-sich sagt, er beschäftige sich "bevorzugt damit, was andere über reale Sachverhalte gedacht und geschrieben haben, gegeneinander abzuwägen, neu auszulegen und zu kommentieren.", dann ist das zwar eine Vereinfachung, aber erstens im Kern zutreffend und zweitens keineswegs ehrenrührig. So etwas nennt man Reflexion, und es soll manchmal ganz hilfreich sein. Sowohl Kissler als auch Kutschera hätten vor ihren Wortmeldungen eine Dosis davon gebrauchen können.

Worum geht’s hier wirklich?
Beim zweiten durchlesen des Kissler-Artikels (und ein bisschen Recherche über Kissler selbst) beschleicht einen denn auch so ein bisschen das Gefühl, dass den Autor selbst das umtreibt, was er Kutschera so vehement unterstellt: Gekränkter Stolz.

Denn im Grunde wäre es ganz einfach, ginge es Kissler tatsächlich um eine Verteidigung der Geisteswissenschaften gegen den angeblichen "Sprung" der Biologie auf den "Richterstuhl". Schließlich führt auch die naturwissenschaftlich-strenge Widerlegung einer Hypothese nur bei vergleichsweise einfachen Fragestellungen dazu, dass die Lage schnell und zweifelsfrei geklärt wird. Sobald es komplizierter wird (und das ist es meistens), müssen auch Physiker berüchtigterweise warten, bis die Gegner der falschen Theorie ausgestorben sind. Genau wie bei den Geisteswissenschaften: Nur weil dort keine strengen Beweise geführt werden können, heißt das noch lange nicht, dass jeder Unfug auf immer im Kanon verbleibt.

Die naturwissenschaftliche Methode als Richtschnur ist also, darauf könnte man hier legitimerweise hinweisen, in der Praxis nicht ganz so einfach zu handhaben wie in der Theorie, und außerdem nicht mal immer anwendbar. Oder auch: Nicht alles im Universum ist streng empirisch überprüfbar. Life’s a bitch! Sollen wir es deswegen ganz bleiben lassen?

Worum es Kissler dagegen wirklich geht, bleibt unklar. Ein Verdacht drängt sich allerdings auf, vor allem wenn man seine Bücher "Der geklonte Mensch" und "Der aufgeklärte Gott" kennt: Die Geisteswissenschaften und Kissels aufgesetzter heiliger Zorn erscheinen hier als bloßes Vehikel, um seine These – die Biowissenschaften seien "unaufgeklärt" und müssten vom rationalen Glauben an die Kandare genommen werden – zu transportieren.

Narzisstische Kränkung im Selbstversuch
Mehr scheint da nicht hinter zu stecken. Wie schwerwiegend die angebliche Kränkung der Geisteswissenschaften durch Kutscheras Bonmot wirklich ist, kann im Grunde jeder am eigenen Leibe mal ausprobieren. Schließlich ist der Spruch kaum mehr als eine Binsenweisheit und kann in ähnlicher Weise auf jedes Fachgebiet angewandt werden.

Zum Beispiel
"Nichts in der Chemie ergibt Sinn außer im Lichte der Physik."

Dem kann man nun kaum widersprechen. Schwerste narzisstische Kränkung also? Brachial und intolerant? Eher nicht. Und es bedeutet schon gar nicht, dass Physiker sich jetzt plötzlich zum Richter über die Chemie aufschwingen wollten. 

Also wozu das ganze Theater? 

34 Kommentare

  1. “Das hinderte allerdings den SZ-Feuilletonisten Alexander Kissler nicht daran, eine seltsame Replik zu veröffentlichen. Um Kutschera als Ideologen zu diskreditieren …”

    Was soll an der Replik von Kissler seltsam sein? Man muß die Dinge doch auch mal beim Namen nennen dürfen und Kutschera ist nunmal ein Ideologe des Naturalismus. Was soll er sonst sein? Ein Kämpfer für die Wahrheit und des Lichts?

  2. Kompromiss: Nichts ergibt Sinn

    Schließlich ist der Spruch kaum mehr als eine Binsenweisheit und kann in ähnlicher Weise auf jedes Fachgebiet angewandt werden.

    Die Kränkung beruht wohl eher darauf, dass man das in entsprechenden Fällen nur sehr schwer umdrehen kann. Das geht einmal nicht wegen einer hübschen sprachlichen Unklarheit, in der “die Biologie” beides meinen kann, die Forschung wie deren Objekt; Geisteswissenschaft aber nicht. Und das nichts in den Geisteswissenschaften Sinn macht, außer im Licht der biologischen Forschung, wäre zumindest eine schwerer zu verteidigende These.

    Zum anderen ist die Umdrehung, nichts mache in der Naturwissenschaft Sinn, außer im Lichte des Geistes vermutlich eine Sackgasse, jedenfalls eine relativ folgenlose Behauptung beim Stand des Wissens über den Geist: man kann dann Sapir-Whorf anführen oder gleich Postmodernist werden, aber ob das trägt und da jemand wirklich so absolut dran glauben will…

    “Nichts in der Chemie ergibt Sinn außer im Lichte der Physik.”

    Auch das gilt umgedreht so einfach nicht. Wohl aber: Nichts in der Physik ergibt Sinn außer im Lichte der Mathematik. Wir sitzen also doch alle im selben Boot. Bis auf die Mathematiker. Aber die wissen am besten, dass ihre Disziplin allein eigentlich gar keinen Sinn ergibt und sind deshalb auch nett zu uns.

  3. @ Martin Huhn

    Empfinden Sie “Ideologe” eigentlich als Herabsetzung oder würden Sie jeden als Ideologen bezeichnen, der eine Ansicht oder gar eine Philosophie vertritt — sich selbst also inklusive?

  4. @ Martin

    Von “beim Namen nennen” kann man eher nicht reden, wenn er sich für so ein Statement hinter jemandem anders versteckt und dann nicht mal auf die Quelle verweist, weil er ganz genau weiß, dass sie nichts taugt.

    Für mehr als diese tendenziöse Zitiererei hat Kissler offenbar der Mumm gefehlt.

  5. @ Henning: Philosophie

    Zu dem von Dir verlinkten Komik gibt es noch eine Variante unter http://diveintomark.org/archives/2008/06/11/purity

    Ich kenne jetzt nicht den genauen Kontext von Kutschera’s Zitat. Ich denke schon, daß, selbst wenn man Literatur, Musik, Theologie usw. biologisch erklären könnte, es nicht wirklich viel bringt, das auch zu tun.

    In der letzten Ausgabe von “Notices of the American Mathematical Society” erschien ein Verriß des Romans “Die Vermessung der Welt”, in dem der Autor (ein holländischer Mathematiker) mehrere Seiten lang inhaltliche Fehler aufführte. Das ist sicherlich ein absurdes Beispiel für Anwendung naturwissenschaftlicher Argumente auf einem fremden Gebiet (möglicherweise ausgelöst durch die immer wieder kolportierten Behauptung, diese Studie zweier Charaktere in Romanform diene der leicht-verdaulichen Einführung in die Arbeiten von Gauß und Humboldt).

    Daß umgekehrt nichts dabei herauskommt, wenn man versucht Naturvorgänge auf der Basis literarischer Werke (z.B. der Bibel) zu erklären, braucht man auf diesem Blog wohl nicht weiter zu betonen.

    Die eigentlich spannende Frage in diesem Zusammenhang scheint mir: was sind die jeweiligen persönlichen Motive von Kreationisten, Klimaskeptikern usw. Offensichtlich liegen die Antriebe für solche “naturwissenschaftlichen” Diskussionen doch etwas tiefer. Das zu erforschen ist nun allerdings keine Aufgabe für die Biologie, sondern für die Geisteswissenschaften.

  6. @kamenin

    Ansichten und Philosophien mag jeder vertreten, so wie Lars in seinem Beitrag oder ich in meinen Kommentaren. Wenn aber Kutschera als Professor daherkommt und die naturwissenschaftliche Methodik quasi einverleiben möchten, um seine Weltanschauung als objektive Erkenntnis zu verkaufen, dann habe ich da etwas dagegen. Zumal das nicht für alle erkennbar ist. Der kann nicht einfach die Naturwissenschaft mißbrauchen, um die Deutungshoheit zu erlangen.

    Sie können das aber ruhig toll finden. Da habe ich nichts gegen. 🙂

  7. @Lars

    “Von “beim Namen nennen” kann man eher nicht reden, wenn er sich für so ein Statement hinter jemandem anders versteckt und dann nicht mal auf die Quelle verweist, weil er ganz genau weiß, dass sie nichts taugt.”

    Das mag Dein Thema bei Kissler sein. Du hast Dir da eine schwachen Punkt rausgesucht und attakierst diesen nun. Mein Thema ist es aber nicht. Mir geht es darum, wie Kissler Kutscheras Beweggründe offenlegt und das nennt er sehr wohl beim Namen. Nichts anderes steht in meinem Kommentar. Wir reden also aneinander vorbei bzw. Du an mir.

  8. Kutscheras Beweggrund

    Fazit: Die Bemühungen mancher “Geistes”-Wissenschaftler, Erkenntnisse der Biologie aus ihrer Perspektive zu bewerten, sind lobenswert. Diese Schriften sollten allerdings auf den mühselig erarbeiteten Fakten der Life Sciences basieren, denn “Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn außer im Lichte der Biologie”.

    Das ist das Fazit, mit dem Kutschera seinen Artikel beendet und der meiner Meinung nach doch eindeutig zeigt, worum es Kutschera geht: Wenn Geisteswissenschaftler über Biologie/Naturwissenschaften reden und sogar bewerten wollen, dann sollen sie sich wenigstens an die Fakten halten.
    Der ganze Artikel Kutscheras ist meiner Meinung nach an die Geisteswissenschaftler (und solche, die es sein wollen) gerichtet, die beispielsweise über die Beschaffenheit des Bewusstseins oder der Intelligenz schwadronieren, ohne irgendwelche naturwissenschaftlichen Erkenntnisse auch nur im Vorbeigehen in Betracht zu ziehen. Er will nicht etwa die Naturwissenschaften oder die Biologie “über alles” stellen, er will lediglich klar machen, dass ein Nachmittag Nachdenken über ein Thema keine jahrelange Forschung ersetzt oder widerlegt.
    Die Zeiten, als man dachte, man könne die ganze Welt erklären, wenn man nur lange genug sinnierend in seinem Sessel säße, sind doch schon etwas länger vorbei. Ich stimme mit Kutschera überein, das anscheinend manche Leute daran erinnert werden müssen.

  9. @ JLT

    “über die Beschaffenheit des Bewusstseins oder der Intelligenz schwadronieren, ohne irgendwelche naturwissenschaftlichen Erkenntnisse auch nur im Vorbeigehen in Betracht zu ziehen”

    Was sind denn die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich Bewußtsein oder Intelligenz?

  10. Was ist das Problem?

    Geht es um die Geisteshaltung von Autoren – oder um das Verhältnis Biologie – Geisteswissenschaften?
    Warum soll z.B. die Umkehrung von Kutscheras Satz nicht stimmen? Die ganze Debatte geht doch darum, den naturwissenschaftlichen Gehalt der diskutierten Aussage auf die geistige Haltung der Autoren zurückzuführen. Erst diese macht den biologischen Gehalt deutlich.
    Also was ist das Problem?

  11. @ Martin Huhn

    Mich würde ja schon interessieren, wo Kutschera den Naturalismus als objektiv erwiesen bezeichnet hat (worin wir sicher übereinstimmen, dass es ein Fehler wäre). Gleichzeitig stellt sich mir die Frage, wie ein Professor noch Naturalist sein kann, wenn er dann bei jeder Äußerung klar machen soll, dass das Ansicht, aber nicht Erwiesenes sein soll. Oder ist es jetzt schon ideologischer Naturalismus, wenn ein Evolutionsbiologe Evolution für wahr hält und sich gegen Kreationisten und ihre Tarn- und Unterwanderungstaktiken wendet? (Die aufgesetzte sprachliche Trennung zwischen “I.D.-Theoretikern” und Kreationisten gehe ich bewusst nicht mit)

    Aber ich nehme es mit Freude zur Kenntnis, dass wir nach Ihrer Definition voll übereinstimmen, dass von Theologieprofessoren in 90% der Fälle nur Ideologie verkündet wird. Müssten wir staatlich eigentlich nicht fördern, oder?

  12. @ kamenin

    Zwischen “objektive Erkenntnis” in meinem Kommentar und “objektiv erwiesen” in Ihrem gibt es einen kleinen Unterschied, oder nicht? Ich bin aber kein Sophist und streite mich nicht um Worte. Es zeigt mir nur, daß bei Ihnen nicht ankam, was ich mit meinem Kommentar ausdrücken wollte. Nun kann ich drüber spekulieren, ob ich mich nicht richtig ausdrücken kann oder sie nur verstehen, was sie verstehen wollen oder … Jedenfalls nehme ich nicht Stellung zu Positionen, die mir von Ihnen untergeschoben werden.

    Anderes Thema: “dass von Theologieprofessoren in 90% der Fälle nur Ideologie verkündet wird. Müssten wir staatlich eigentlich nicht fördern, oder?”

    Wie ich schon schrieb, habe ich nichts dagegen, wenn jemand seine Ideologie vertritt. Sie sollte aber als solche erkennbar sein, was es bei der Theologie ohne Zweifel ist. Wo ist also das Problem? Oder ist das Problem die staatliche Förderung? Was sollte/dürfte denn staatlich gefördert werden? Was sind die Kriterien?

  13. Eine schöne Ironie…

    …an der ganzen Diskussion ist übrigens, dass die meisten gar nicht wissen, in welchem Kontext das berühmte Dobzhansky-Zitat (“Nichts in der Biologie macht Sinn außer im Licht der Evolution”) entstanden ist.

    Darf ich dazu ausnahmsweise aus einem just 2 Wochen alten Vortrag dazu zitieren? Ganztext hier:
    http://www.blume-religionswissenschaft.de/…8.pdf

    “Auch heute sehr bekannt und gerne benutzt ist das Zitat des berühmten
    Evolutionsbiologen Theodosius Dobzhansky (1900 – 1975): „Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn außer im Licht der Evolution.“ Viele, die es benutzen, wissen oder erwähnen nicht, dass genau dieses Zitat der Titel eines Essays war, in dem Dobzhansky seinen christlichen Glauben bekundete. Er schrieb dort: “Es ist falsch, Schöpfung und Evolution als einander ausschließende Alternativen anzunehmen. Ich bin ein Kreationist und ein Evolutionist. Evolution ist Gottes, oder der Natur, Weg der Schöpfung. Schöpfung ist kein Ereignis, das 4.004 vor Christus geschah; es ist ein Prozess, der vor 10 Milliarden Jahren begann und weiterhin verläuft.“

    Hier bekennt der große Biologe seinen Glauben und vertritt also just unter dem Titel des Zitats das komplette Gegenteil eines naturalistischen Reduktionismus!

    Mir geht es da also wie Lars: Ich verstehe weder den kreationistischen noch reduktionistischen Furor, der m.E. eher auf mangelnde Information und Reflektion auf beiden Seiten als auf echte Probleme hindeutet. Natur- und Geisteswissenschaften ergänzen einander, können sich fruchtbar herausfordern, aber eben auch befruchten. Persönlich würde ich z.B. auf empirischer Basis längst behaupten: Vieles in der Religion macht Sinn im Licht der Biologie!

    PS: Kompliment, Lars – toller Blogartikel!!!

  14. @ Lars

    “Was ist eigentlich euer Problem?”

    Nun, das Problem ist in der Tat das einigermassen impertinente Wort von Professor Kutschera: “Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn außer im Lichte der Biologie.”

    Wenn ich es als polemischen Schlachtruf des Naturalisten lese – dann mag es als eben der durchgehen. “Right or wrong – my country”, da müssen gewisse (inhaltliche) Kollateralschäden akzeptiert werden.

    Wenn ich das Zitat aber Wort für Wort ernst nehme, als Aussage eiens Naturwissenschaftlers, der sich der Faktizität und der Akkuratesse verpflichtet sieht, dann stehen mir die Haare zu Berge.

    Erkenntnistheoretisch schon mal deshalb, weil die Naturwissenschaften eine Unternehmung sind, die von geistbegabten Subjekten betrieben wird, mithin hat all das, was Professor Kutschera und wir von der Welt wissen, den Geist schon mal als Voraussetzung. Das “als ob” der subjektlosen Naturbetrachtung, die Fiktionalität der Entfernung des Subjektes aus der objektiven Naturwissenschaft: das scheint gänzlich an ihm vorbeigegangen zu sein.

    Es wird also, anders als kamenin vermutet, andersherum AUCH ein Schuh draus: nichts in der Naturwissenschaft macht Sinn, ausser im Lichte des Geistes. Es gäbe sie schlicht ohne ihn nicht.

    Zwotens grausts mir angesichts der Wortwahl. Der Satz hat die Form einer negierten All-Aussage (“nichts ergibt irgendeinen…”), und All-Ausagen sind notorisch problematisch und ideologieverdächtig.

    Und er verwendet das Wort “Sinn”, das bei einem anständigen Naturwissenschaftler eigentlich Brechreiz auslösen sollte, denn der “Sinn” ist ja nun gerade das, was den Naturwissenschaften abgeht: sie kennt ja gar keine Zwecke, sondern nur Ursachen und Wirkungen. Der Herr Kutschera selbst würde wohl sicher laut (und zu Recht!) aufschreien, wenn man der Evolution einen “Sinn” unterschöbe.

    Nun soll aber just dieser “Sinn” aus den Naturwissenschaften in die Geisteswissenschaften hineinleuchten. Das soll mir mal einer erklären. Von was für einem “Sinn” ist denn hier die Rede? Letztendlich wird es doch auf Plattheiten hinauslaufen wie: “Der Träger dieses Gedankens wirkt sexuell attraktiver als der Träger jenes Gedankens, weswegen dieser Gedanke als positiver Selektionsfaktor … blatetcpp …”). Über den Gedanken selbst ist, wie üblich, damit rein gar nichts gesagt (@ Blume: nein, das ist kein Frontalangriff gegen “EvoTheo”, solnge sich jene nicht der Kritik der INHALTE der religiösen Überzeugungen zuwendet.)

    Genauer gesagt: der Fehler ist ein logischer, Searle hat ihn “genetic fallacy” genannt. Wenn ich die kausale Erklärung für das Zustandekommen eines bestimmten intentionalen Gehaltes oder einer Überzeugung geben kann, dann habe ich dadurch weder die Richtigkeit noch die Falschheit eben dieses Gehaltes bewiesen (J.R. Searle, “Geist”, S. 280).

    Mithin fällt also kein Gran “Sinn”, kein Funken Licht von Seiten der Naturwissenschaften auf die Inhalte dessen, was die Geisteswissenschaften bewegt.

    (Gut, das war nun ebenso polemisch..)

  15. @ Martin Huhn

    Vielleicht verstehen wir uns ja wirklich nicht. Eigentlich wollte ich ja nur wissen, ob es zur Bezeichnung als ideologischem Naturalisten ausreicht, wenn man als Evolutionsbiologe Evolutionstheorie vertritt, sich gegen den Kreationismus wehrt und Bücher über den methodischen Naturalismus schreibt. Wenn nicht, ab wo ist diese Grenze, hinter der man nicht nur seine Ansicht oder wissenschaftliche Anschauung vertritt, auch als Professor oder “Bürger im Laborkittel”, sondern wo man dann geheimer- und täuschenderweise zum “Ideologen” geworden ist?

    Da Sie das oben ja Kutschera vorgeworfen haben, muss er diese Grenze doch an irgendeinem Punkt überschritten haben;
    und da hätte ich gerne Aufklärung.

  16. @ kamenin

    Viel haben wir wirklich nicht gemein. Das einzige wird wohl der FC Schalke 04 sein.

    Der Evolutionsbiologe Kutschera darf gerne die Evolutionlehre vertreten. Es kommt aber drauf an, wie man das macht. Zum Beispiel verstehe ich es nicht, weshalb er nicht mit den Kollegen Scherer darüber diskutiert. Anstatt mit ihm zu reden redet er nur über ihn und er redet schlecht über ihn. Wo bleibt da die Sachlichkeit? Diese Art und Weise von Kutschera ist mir suspekt. Geht es ihm wirklich nur um die Evolutionsbiologie? Und wenn er so überzeugt ist, daß da alles so hieb und stichfest ist, dann müßte er doch viel gelassener gegenüber Kritk sein. Ist er aber nicht.

  17. @ Martin Huhn

    Ich kenne Scherers Schaffen nicht so genau, wohl aber das anderer Kurzeitkreationisten. Da frage ich mich schon, worüber Kutschera sich mit dem unterhalten soll. Der eine arbeitet erfolgreich mit und an der Evolution, der andere glaubt, das Universum sei ein paar tausend Jahre alt. Ich wüsste nicht mal, worüber ich micht mit dem unterhalten sollte.

    Die Argumente liegen doch auf dem Tisch, und Scherer und Kutschera kennen die auch. Man wird durch ein Gespräch keine Aufklärung oder Verständigung erreichen. Und mit Kreationisten zu debattieren, bringt herzlich wenig: man stellt ihre Position nur als glaubhafte Alternative dar, dabei ist die wissenschaftliche Evidenz klar verteilt. Und in der Debatte braucht es zehn Sekunden, eine hübsch aussehende Unwahrheit über den Beamer zu jagen, aber zehn Minuten, das wissenschatflich wieder gerade zu stellen.

    Die eigentlich Debatte würde wissenschaftlich stattfinden. Aber da kommt eben nichts, stattdessen produzieren Kreationisten Schulbücher, Zeitungsartikel und Vorträge — und Modelle, wie man kreationistische Begriffe dem Diskurs unterschiebt, bevor jemand merkt, dass es solche sind.

    Vielleicht kann man gelassen bleiben. Aber eigentlich ist das Argument nur: “wer widerspricht, fühlt sich getroffen”. Aber wenn keiner widerspricht, haben die Kreationisten freie Bahn. Also hat Kutschera meinen Segen, zu widersprechen, wo er kann und gerne auch heftiger als nötig. Für die unehrlichen Taktiken und Pseudowissenschaften aus kreationistischer Ecke fehlt mir jeder Respekt — nicht mal als Wissenschaftler, weil so was nicht mal mehr Wissenschaft ist; aber als Teilnehmer der Gesellschaft, an den sich die Propaganda richtet.

    Oder um Kutschera selbst zu zitieren:
    »Ich diskutiere doch nicht öffentlich mit einem Kurzzeit-Kreationisten«, sagt er. »Scherer hat erst Anfang Oktober im Interview zugegeben, dass er glaubt, alle Menschen stammten von Adam ab. Man kann mit tief religiösen Menschen in der Öffentlichkeit nicht über Glaubenssätze diskutieren. Die würde man doch der Lächerlichkeit preisgeben. Auf die Frage, wie der Schöpfer die Grundtypen hervorgebracht hat, würde Scherer ›biblische Wunder‹ daherbeten.« Das sei keine Basis für einen wissenschaftlichen Dialog. Ohnehin sei er vorsichtig geworden mit öffentlichen Auftritten: »Wenn die Zeugen Jehovas in den Saal kommen, dann kann ich einpacken. Die stören und rufen rein, bis keine Diskussion mehr möglich ist. Und aus München bekomme ich Droh- und Schmähbriefe. In Wirklichkeit bin ich nämlich der neodarwinistische Oberteufel von Deutschland.«
    ZEIT 01/2006

    Ich würde stark vermuten, dass man die Sachlichkeit in Kutscheras Veröffentlichungen und in seinen Büchern findet. In Zeitungen und Interviews rein sachlich gegen Kreationismus zu argumentieren, geht meistens unter oder wird nicht mal wahrgenommen.

    Glück auf!

  18. @ Thilo

    “Ich denke schon, daß, selbst wenn man Literatur, Musik, Theologie usw. biologisch erklären könnte, es nicht wirklich viel bringt, das auch zu tun.”

    Das ist eine ganz wissenschaftsferne Haltung. Was irgendwo herauskommt, weiß man immer erst, wenn man genauer hingeschaut hat. Mit “Denken” nur für sich genommen, ohne die Empirie, kommt man meist nicht weit, wußte schon Kant.

    Zur Theologie haben wir – etwa – bei Michael Blume’s “Natur des Glaubens” schon viel gelernt. Die Fächer der Evolutionären Literaturwissenschaft und der Evolutionären Musikwissenschaft sind in der Blogszene, so weit ich sehe, noch nicht vertreten (zumindest der deutschsprachige). Aber die Fächer als solche gibt es längst.

    Und daß der Mensch etwa um 190.000 vor heute ein “Tänzer-Gen” in sein Genom bekommen hat, also zur gleichen Zeit, als unsere heutige Sprachfähigkeit entstand, ich denke doch, daß das auch eine Musikwissenschaft interessieren könnte und sollte.

    Und ich würde den Satz von Kutschera dahingehend verstehen wollen, daß sich Geisteswissenschaftler mal MEHR mit diesen genannten Fächern beschäftigen sollten, die zum Teil noch wie “Orchideen-Fächer” vor sich hinblühen, die aber alle ihre Wissenschaften, wie doch nur allzu deutlich absehbar ist, bedeutend beflügeln und befruchten werden.

    Die Wirtschaftswissenschaften beispielsweise merken das immer mehr (Spieltheorie etc.). Die Psychologen merken das, seit ihnen Sigmund Freud vom Denkmal gestürzt ist, ebenso.

    Aber wie gemächlich geht es noch in vielen sehr traditionellen Geisteswissenschaften zu, was den Anschluß an moderne Wissenschaftsbestrebungen betrifft.

    @ Lars

    In der Tat, Lars, ist es für den Erkenntnisfortschritt schon eine Beschleunigung, wenn man NUR noch auf den Tod der Vertreter einer bestimmten zuvor vorherrschenden Sichtweise warten muß. 😉 In der Psychologie war das bis vor etwa einem Jahrzehnt noch keineswegs so. (!)

    In den Geisteswissenschaften per se verhält es sich diesbezüglich oft noch heute sehr stark anders.

  19. @ Ingo

    Also …

    Daß man aus Biologie oder Demografie etwas über Theologie lernen kann, behauptet wohl nicht einmal Dr. Blume selbst. Jedenfalls habe ich in seinem Blog keine dahingehende Aussage gefunden.

    Und die Geschichte mit den Tanzmäusen ist sicher für Genetiker interessant, aber von Anwendungen auf Musik oder Musikwissenschaft habe ich auch noch nichts gehört.

    Das Problem der von Ihnen so verteidigten “Orchideenfächer” ist offensichtlich, daß die üblichen formalen Verfahren der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle dort noch nicht greifen. Das wäre aber eine Voraussetzung, um von anderen Fächern ernstgenommen zu werden.

    Ein Beispiel: ich habe mal im Netz zum Stichwort “Evolutionary Religious Studies” gesucht. Das einzige, was ich gefunden habe, war ein von der Templeton-Stiftung finanziertes Soziales Netzwerk ohne Links zu Veröffentlichungen oder Konferenzen.

    Nun versteht es sich natürlich von selbst, daß man das Ergebnis einer einfachen Internet-Suche nicht überbewerten sollte. Aber interessieren würde es mich schon mal: gibt es eigentlich (nicht von der Templeton-Stiftung finanzierte) *seriöse* wissenschaftliche Institute bzw. *seriöse* wisenschaftliche Zeitschriften, die sich (nicht nur am Rande) mit Evolutionärer Religionswissenschaft beschäftigen?

  20. @ Thilo

    Die Frage, ob die Templeton Foundation seriöse Forschung finanziert oder nicht, ist wohl nicht Thema dieses Beitrages.

    Und mein Einwand war ja auch wesentlich breiter angesetzt.

    Aber zu dieser Frage: Ich habe noch nichts an der von der T.F. finanzierten Forschung gemerkt, das NICHT seriös wäre.

    Simon Conway Morris z.B., der dort derzeit mitarbeitet, hat schon lange, ehe es die T.F. gab, hervorragende Forschung gemacht, z.B. von S. J. Gould ausgewertet (in “Zufall Mensch”) oder von Richard Dawkins (“Ancestor’s Tale”).

    Und das gleiche gilt sicherlich für die MEHRHEIT der dortigen Forscher.

    Die veröffentlichen alle in seriösen Fachjournalen. Nehmen wir nur Richard Sosis. Ich glaube, das darum geht es auch nicht.

    Als Dawkins und andere daran zweifelten, ob sie von der TF Geld entgegennehmen sollten, da ging es darum (Diskussion auf http://www.edge.org), ob das ihre wissenschaftliche Diskussionhaltung beeinflussen könnte oder nicht.

    Das Thema Forschungsförderung selbst ist aber ein anderes. Da gibt es ja wohl noch andere “Lobby-Gruppen” auch außer der TF.

  21. @ Ingo

    Meine Frage bezog sich ja auch weniger auf die Templeton-Stiftung im Allgemeinen (wobei das natürlich auch ein interessantes Thema wäre), sondern auf die Evolutionäre Religionswissenschaft. Also: gibt es wissenschaftliche Institute oder Fachzeitschriften, die sich hauptsächlich mit Evolutionärer Religionswissenschaft befassen??

    Wenn man sich etwa http://evolution.binghamton.edu/religion/
    anschaut (die einzige Internet-Quelle, die ich zu dem Thema gefunden habe), dann findet man dort zwar ausführliche Darstellungen verschiedener Einzelpersonen, aber wenn man auf “Research Projects” klickt, dann wundert man sich schon:

    es gibt dort zwei Punkte, “The Afterlife Project” und “Other Research Projects”.

    Unter “The Afterlife Project” findet man EINEN Fragebogen mit Auswertung.

    Die Seite “Other Research Projects” ist LEER.

    Unnötig zu erwähnen, daß man auf der Seite auch sonst keine Links zu Veröffentlichungen, Fachzeitschriften oder Konferenzen findet.

    Zusammengefasst: es handelt sich hier wohl eher um ein Soziales Netzwerk (oder eine Lobbygruppe?) als um einen Forschungsverbund.

  22. @ Thilo: Evolutionary Religious Studies

    “Zusammengefasst: es handelt sich hier wohl eher um ein Soziales Netzwerk (oder eine Lobbygruppe?) als um einen Forschungsverbund.”

    Soziales Netzwerk ist korrekt, Lobbygruppe schon deshalb nicht, weil es keinerlei einheitliche Weltanschauung oder Glaubenshaltung gibt. Wenn “Lobby”, dann dafür, auch über die sattsam bekannten Gräben Natur- und Geisteswissenschaft bzw. atheistisch – religiös hinweg arbeiten und forschen zu dürfen, ohne sich je von religiösen oder atheistischen Dogmatikern aufhalten zu lassen. Das Spannende ist, dass sich hier ein Netzwerk ganz unterschiedlicher Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen herausgebildet hat, die auf (verschiedenen) Tagungen zusammenkommen, ggf. gemeinsame Veröffentlichungen auf den Weg bringen, sich aber vor allem auf den unterschiedlichsten Kanaälen austauschen, Befunde, Daten, Papers teilen, sich auch gegenseitig besuchen etc. Von David Sloan Wilson (einem Evolutionsbiologen) direkt angeschrieben und eingeladen worden zu sein, war für mich als jungem Geisteswissenschaftler schon ein besonderes Erlebnis, der auch persönliche Kontakt mit Kollegen u.a. aus den USA und Kanada ein echter Gewinn.

    Den Netzwerk-Ansatz halte ich auch für viel erfolgreicher, als nur eine Disziplin oder gar nur ein Institut oder Geldgeber es leisten könnte. Persönlich würde ich es z.B. ablehnen, mich von einem bestimmten Geldbeger abhängig zu machen, mir ein bestimmtes Forschungsprojekt vorschreiben zu lassen o.ä. Denn je nachdem, ob es sich z.B. um ein atheistisches oder theologisches Fundament hielte, wäre die Gefahr des Bias gegeben. Der Netzwerk-Ansatz erlaubt es dagegen sehr unterschiedlichen Leuten und Ansätzen, sich auf Basis echten Interesses und echter Befunde auszutauschen.

    Und über mangelndes Interesse am (durchschnittlichen) Reproduktionserfolg religiöser Menschen kann ich mich wirklich nicht beklagen, übrigens gerade auch von naturwissenschaftlicher Seite. Schauen wir doch einfach mal, was die Zukunft so bringt. Mir macht es Freude. 🙂

  23. Wieder einmal eine höflich formulierte und sehr ausführliche Antwort, die freilich nichts beantwortet. Die eigentliche Frage war ja, ob es wissenschaftliche Institute oder Fachzeitschriften zur Evolutionären Religionswissenschaft gibt und wo man sie findet.

  24. @ Thilo: Frage, abschließend

    “Die eigentliche Frage war ja, ob es wissenschaftliche Institute oder Fachzeitschriften zur Evolutionären Religionswissenschaft gibt und wo man sie findet.”

    Nein, das bleibt m.W. bis auf weiteres ein Traum. Die entsprechenden Papers und Artikel werden in einer Vielzahl ganz verschiedener Journale, Konferenzen und Sammelbände bzw. Bücher veröffentlicht, Religionswissenschaftler selbst sind dabei (obwohl es m.E. ihr Thema sein könnte und sollte) bislang noch eher schwach vertreten.

    Frühe Beispiele in Deutschland sind z.B. Ina Wunns Habilitation und Bücher, der Tagungsband “Darwin und Gott” von 2004, Artikel im Marburg Journal of Religion etc. Im internationalen Bereich sieht es etwas besser aus (z.B. das Institute for Cognition and Culture in Irland oder die Henry Luce Professur of Individual and Collective Memory an der Washington University, auf die Pascal Boyer berufen wurde etc.), aber auch hier läuft die Entwicklung erst an.

    Gerade deswegen ist übrigens o.g. Netzwerkbildung so wichtig: Das Thema wird extrem interdisziplinär bearbeitet und vor der Vernetzung durch das Internet erfuhr man meist gar nicht von den Forschungen “fachfremder” Kolleginnen und Kollegen. Jetzt verknüpft sich das dynamisch. M.E. wird die evolutionsbiologische Perspektive einmal die bestehende Religionswissenschaft erweitern, das ist immerhin eine Forschungsperspektive, die schon Emile Durkheim eingenommen hat und die wir jetzt neu erschließen.

    Um auf Larsens Thema zurück zu kommen: Der Dialog zwischen Natur- und Geisteswissenschaften entfaltet sich jenseits der seltsamen Aufgeregtheiten von wenigen Vertretern beider Seiten, der institutionelle Unterbau fehlt aber noch weitgehend.

  25. Dr. Blume

    “der institutionelle Unterbau fehlt aber noch weitgehend.”

    und damit offenbar auch die notwendige wissenschaftliche Selbstkontrolle.

    Es paßt nicht ganz zusammen, wenn man einerseits als einziger deutscher Wissenschaftler den “Dr.” im * Titel * seines Blogs führt, andererseits aber die alltäglichen Formalien des Wissenschaftsbetriebes ablehnt.

    Und ich finde es unlauter, “Religionswissenschaft” groß zwar nicht in den Titel, aber in den Header zu setzen, wenn man Theorien vertritt, die von der Mehrheit der Religionswissenschaftler (vermute ich mal ) abgelehnt werden.

  26. @ Thilo

    Irgendwie haben Sie ein Problem mit Michael Blume, oder? Jetzt bekommen Sie eine Antwort auf Ihre Frage und dann kommt da so ein Gemoser raus.

  27. @ kamenin

    Ich kenne Scherer Sicht der Dinge auch nicht genau. Dafür habe ich mir vor ein paar Wochen das “Evolution – ein kritisches Lehrbuch” gekauft. Viel gelesen habe ich bisher nicht, nur die ersten beiden Kapitel. Aber ich finde das Buch gar nicht schlecht. Es ist wie der Titel schon ankündigt kritisch. Und dann gibt es da farbig abgehobene Tafeln mit der Bezeichnung “Grenzüberschreitung”. Wenn also der strenge wissenschaftliche Boden verlassen wird, wird es deutlich angekündigt.

    Aber mal etwas grundsätzliches. Jeder hat ein Fundament auf dem er steht und von wo aus er argumentiert. Es gibt keinen neutralen Boden. Weder hat Kutschera noch Scherer oder sonstwer eine neutrale Sicht der Dinge. Die gibt es einfach nicht. Kutschera tut jedoch so, als ob seine Sicht neutral wäre. Und wenn Kutschera seine wissenschaftlichen Argumente für die Evo vorbringt, dann kann Scherer ja seine wissenschaftlichen Argumente darbringen. Das Problem bei der Evo ist ja, daß keiner dabei war. Man hat nur ein paar Anhaltspunkte und das puzzelt man zusammen wie es gewesen sein könnte. Und da ist viel Raum für Spekulation und Interpretation. Das ist halt ein großes Problem, daß man da nicht viel experimentieren kann und somit bleibt vieles unklar. Und wenn eine Säule der Evolutionstheorie der Zufall ist, dann sieht es meines Erachtens ganz kritisch aus. Rein zufällig kann ja alles mögliche oder auch nicht passiert sein.

    Mein Verdacht bleibt, daß da jemand nur seine Weltsicht durchdrücken möchte und sich dazu das Deckmäntelchen der Naturwissenschaft überzieht um seinen Aussagen mehr Gewicht zu verleihen.

  28. @ Martin Huhn

    Ein Problem habe ich weniger mit Dr. Blume (den ich persönlich nicht kenne), sondern mit ERS und der Art, wie hier Religion vereinnahmt wird. Der Blog von Dr. Blume wird von vielen Leuten gelesen und (den Kommentaren nach zu urteilen) vor allem von Leuten, die wenig mit Kirche oder Religionswissenschaft zu tun haben. Und wenn dann im Header steht “Religionswissenschaft”, dann wird mancher glauben, daß man hier die Meinung der Religionswissenschaftler oder (schlimmer) die Meinung der Kirchen-Mitglieder findet.

    Und wenn man dort “wissenschaftlich bewiesene” Zukunftsprognosen dieser Art findet: “Im Jahr 2020 wird in Deutschland Konfessionslosigkeit vor allem eine Angelegenheit älterer Leute sein. In den jüngeren Generationen gilt Glauben dagegen wieder etwas und eine bunte, sich oft auch durch verbindliche Regeln und Kleidung voneinander abgrenzende Vielfalt an Gemeinden. Neben die (häufig säkularisierten oder zu anderen Gotteshäusern umgebauten) Kirchen früher dominanter Konfessionen sind, in Ringen um die Kernstädte, freikirchliche Neubauten, Moscheen, Synagogen und Tempel getreten, meist mit Kinderbetreuungs- und Schuleinrichtungen kombiniert. Religiöse Vielfalt prägt vor allem deutsche Städte, zunehmend deutsche Kultur und Politik und KandidatInnen suchen das Gespräch mit VertreterInnen aller Weltreligionen. Nur eine Vermutung? Nein, harte Fakten, die sich schon heute andeuten!”,
    dann wird das von manchen Lesern eben nicht als abwegige Einzelmeinung, sondern als Standpunkt der Religionswissenschaft oder (schlimmer) als Standpunkt der Kirche verstanden werden.

    (Zugegebenermaßen muß man etwas suchen, um im Blog zwischen vielen harmlosen Texten solche “Perlen” zu finden.)

    Um nicht mißverstanden zu werden: jeder hat das Recht, auch abwegige Meinungen zu veröffentlichen. Aber er sollte dafür nicht den guten Ruf von Wissenschaftszweigen oder Institutionen mißbrauchen.

  29. @ Thilo: ???

    Entschuldigung, aber wir sind uns noch nie begegnet, ich habe mich bemüht, alle Ihre Fragen freundlich zu beantworten und weiß wirklich nicht, womit ich mir Ihre Abneigung, die jetzt schon mehrfach ins persönliche Unterstellungen abgeglitten sind, zugezogen habe. Was soll denn das?

    “Es paßt nicht ganz zusammen, wenn man einerseits als einziger deutscher Wissenschaftler den “Dr.” im * Titel * seines Blogs führt, andererseits aber die alltäglichen Formalien des Wissenschaftsbetriebes ablehnt.”

    Wenn Wissenschaftler private Blogs betreiben, gehört es völlig zum Usus, auch den Titel im Blognamen zu nennen. Beispiele sogar für Prof. Dr.es z.B.

    http://www.nennen.de/blog.html

    http://leisenberg.blogg.de/

    “Und ich finde es unlauter, “Religionswissenschaft” groß zwar nicht in den Titel, aber in den Header zu setzen, wenn man Theorien vertritt, die von der Mehrheit der Religionswissenschaftler (vermute ich mal ) abgelehnt werden.”

    Wie kommen Sie denn darauf? Abgesehen davon, dass ich zum Thema Neurobiologie & Religionswissenschaft ordentlich promoviert habe, trage ich die religionsbiologischen Arbeiten natürlich stets auch innerhalb der eigenen Disziplin vor, z.B. hier

    http://www.blume-religionswissenschaft.de/…7.pdf

    und freue ich mich über reges Interesse, anregende Diskussionen und Zuspruch auch – der u.a. in themenbezogenen Lehraufträgen Ausdruck fand, z.B.

    http://religionswissenschaft.twoday.net/…412238/

    Ganz abgesehen davon, dass ich natürlich auch peer-reviewed innerhalb meines Faches publiziere, z.B. hier:

    http://web.uni-marburg.de/…_blume_germ_2006.html

    Wer religionsbezogene Themen bearbeitet, riskiert natürlich immer, besondere Emotionen zu wecken – aber ich würde es trotzdem bevorzugen, wenn Sie mich einfach so behandeln würden, wie es unter Wissenschaftlern Usus sein sollte. Ich käme doch auch nicht auf den Gedanken, Ihnen per Internetrecherchen nachzustellen und dann unhaltbare Vorwürfe zu streuen und es zwingt Sie doch keiner, von meinen Arbeiten auch nur Kenntnis zu nehmen.

  30. Da ist man mal drei Tage nicht da…

    Jetzt weiß ich wenigstens wieder, warum ich solche Blogposts normalerweise nicht schreibe.

    Falls ihr dem hier noch was hinzuzufügen habt, bitte Mail an mich. Ihr wisst ja, wo ihr mich findet…

  31. Probleme

    Ich hatte das eigentlich im vorigen Kommentar schon beantwortet, aber noch einmal: die Hauptthese ihres Blogs, daß es in Deutschland in naher Zukunft eine sich “durch verbindliche Regeln und Kleidung voneinander abgrenzende Vielfalt an Gemeinden” (und nur noch ältere Konfessionslose) geben wird, ist sicher NICHT die Meinung der Kirche und (soweit ich es beurteilen kann) auch NICHT die Meinung der Religionswissenschaften.

    Nun haben sie natürlich recht, daß mich niemand zwingt, ihre Arbeiten zu lesen. Aber wenn Außenstehende bei Google nach religionswissenschaftlichen Stichwörten suchen, dann werden sie eben ihren Blog finden. Und wenn dann “Religionswissenschaft” oben drüber steht, wird das ihre Meinung über Religion und Religionswissenschaft prägen. Und das halte ich für ein Problem.

  32. @ Thilo

    Nur so nebenher: Die Vorstellung, ein Wissenschaftler dürfe nur solche Ansichten öffentlich Vertreten, die von der Mehrzahl seiner Fachkollegen geteilt oder auch nur akzeptiert werden, ist ganz offensichtlich absurd. Wo kommen wir denn da hin?

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