Plasmaphysik in der Schwerelosigkeit

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Mein heutiger Gastautor ist der Physiker Markus Thoma vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (MPE) in Garching. Professor Thoma promovierte 1988 an der Technischen Universität München über Methoden zur Untersuchung des Yang-Mills-Vakuum. Anschließend habilitierte an der Universität Gießen, wo er seit 1995 unter anderem Quantenchromodynamik von Quark-Gluon-Plasmen lehrt, das Gebiet, auf dem er auch habilitierte. Am MPE erforscht er seit 2001 die Physik komplexer Plasmen. In Abgefischt stellt er heute seine Experimente in Schwerelosigkeit vor.

Ausgangspunkt dieses Beitrages war ein Themenvorschlag im Wunschkonzert des Fischblog.

Plasmaphysik in der Schwerelosigkeit

Schwerelosigkeit ist ein einmaliges Erlebnis. Davon berichten nicht nur Astronauten, sondern auch Teilnehmer an so genannten Parabelflügen. Zwischen 2003 und 2007 habe ich an fünf solchen Parabelflugkampagnen teilgenommen, die von der der Europäischen Raumfahrt Agentur ESA oder vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR durchgeführt wurden. Die Parabelflüge finden in einem speziell umgebauten Airbus A300 über dem Atlantik bei Bordeaux statt, wobei in jeder der insgesamt 31 Parabeln pro Flug für etwa 20 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht.

Natürlich werden diese Parabelflüge nicht nur zum Spaß unternommen, sondern um wissenschaftliche Experimente durchzuführen. Wozu werden aber Experimente unter Schwerelosigkeit in Parabelflügen und auf der Internationalen Raumstation ISS betrieben? Tatsächlich sind Zero-Gravity-Bedingungen nützlich für eine ganze Reihe von Forschungsrichtungen. Die Wirkung auf den menschlichen Körper (Kreislauf, Gleichgewicht, Reflexe, Muskelschwund, Knochenabbau, etc.) sind für die Medizin von Bedeutung.

Pflanzenwachstum – Woher weiß der Keimling im Boden, dass die Wurzeln nach unten und die Triebe nach oben wachen müssen? – und andere Fragestellungen spielen in der Biologie eine wichtige Rolle. Die Abwesenheit von Schwerkraft-abhängigen Phänomenen wie Konvektion und Sedimentation ermöglicht neue Verfahren zur Herstellung von Materialien wie zum Beispiel Legierungen. Schließlich gibt es Anwendungen auch noch im Bereich der physikalischen Grundlagenforschung. Über ein solches Experiment mit komplexen Plasmen möchte ich hier kurz berichten. 

Plasmen in der Physik sind ionisierte Gase, bei denen die Atome teilweise ihre Elektronen verloren haben. Beispiele sind die Sonne, die nichts anderes als eine heiße Plasmakugel ist, oder Plasmen im Inneren von Leuchtstoffröhren. Im letzteren Fall erzeugen elektrische Felder  das Plasma durch eine so genannte Gasentladung.

 Zweidimensionaler Plasmakristall aus Staubteilchen

Bringt man nun in ein solches Plasma Partikel von der Größe einiger Mikrometer ein, spricht man von staubigen oder komplexen Plasmen (pdf). Die Mikroteilchen laden sich im Plasma durch Elektronenanlagerung stark negativ auf und wechselwirken aufgrund dieser Ladung miteinander.

Diese elektrostatische Wechselwirkung führt zu neuartigen Phänomenen. So bildet sich unter bestimmten Bedingungen eine regelmäßige Anordnung der Mikroteilchen, die man als Plasmakristall bezeichnet und die 1994 am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München entdeckt
wurde. Komplexe Plasmen haben den Vorteil, dass man an ihnen dynamische Vorgänge wie Kristallisation auf dem mikroskopischen Niveau einzelner Teilchen in Realzeit studieren kann. Komplexe Plasmen eignen sich somit als Modellsysteme für andere Bereiche der Physik, wie zum Beispiel der Festkörperphysik oder der Physik von Flüssigkeiten. Außerdem spielen komplexe Plasmen auch in der Astrophysik, zum Beispiel bei der Planetenentstehung aus der Staubscheibe um junge Sterne, eine Rolle und treten in der Halbleitertechnologie bei der Herstellung von Mikrochips durch Plasmaätzverfahren auf.

Der Kosmonaut Sergey Krikalev mit PKE-Nefedov an Bord der ISS

Auf der Erde ist die Untersuchung komplexer Plasmen aufgrund der Schwerkraft nur eingeschränkt möglich. Durch elektrische Felder kann man die Mikroteilchen zwar in der Schwebe halten, dies gelingt aber nur in einem räumlich begrenzten Bereich. Außerdem verändern die Schwerkraft und das elektrische Feld das Verhalten der Mikroteilchen und so zum Beispiel die Struktur des entstehenden Plasmakristalls. Deshalb ist es für viele Fragestellungen notwendig, komplexe Plasmen unter Schwerelosigkeit zu untersuchen. Da für viele Zwecke 20 Sekunden Schwerelosigkeit in Parabelflügen nicht ausreichen, führen wir seit dem Jahr 2001 auch auf der ISS Experimente durch. Das 2001 bis 2005 durchgeführte Plasmakristall-Experiment PKE-Nefedov, das wir zusammen mit dem russischen Institute for High Energy Densities in Moskau entwickelt haben, war das erste wissenschaftliche Experiment auf der ISS überhaupt.

Der Nachfolger von PKE-Nefedov, PK-3 Plus, ist zur Zeit auf der ISS in Betrieb und wurde unter anderem vom deutschen Astronaut Thomas Reiter bedient.

Der Prototyp des Plasmaexperiments PK-4 im MPE 

Ein weiteres Experiment für die Raumstation, PK-4, soll ab 2010 im europäischen Weltraumlabor Columbus betrieben werden. Bei PK4 soll dabei zum ersten Mal eine mit Gleichstrom betriebene Plasmakammer mit einem zylinderförmigen Beobachtungsbereich von etwa 20 Zentimetern Länge und 3 Zentimetern
Durchmesser zum Einsatz kommen.

Wegen der deutlich größeren Ausmaße dieser Kammer werden wir mit diesem Experiment Phänomene untersuchen können, die mit den bisherigen Geräten nicht zugänglich sind, so zum Beispiel den Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung und Solitonen. Bevor die Apparatur auf die ISS gebracht wird, muss jedoch auch sie sich noch in mehreren Parabelflügen bewähren.

(Bilder: Markus Thoma/MPE)

asdf 

2 Kommentare

  1. @ Lars & Markus

    Vielen Dank für den schönen Beitrag, der eindrucksvoll belegt, welchen Nutzen die Parabelflüge und die bemannte Raumfahrt haben.

    Beste Grüße,
    Andreas Müller

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