Groß, größer… Stopp!

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So eine durchschnittliche menschliche Leber wiegt etwa anderthalb bis zwei Kilo. Aber woher weiß sie eigentlich, dass sie die richtige Größe erreicht hat?

Weshalb Organe zu wachsen aufhören, sobald sie genau die richtige Größe erreicht haben, ist nach wie vor eines der fundamentalen ungelösten Probleme der Entwicklungsbiologie. Eigentlich sind sich alle auf diesem Gebiet forschenden Wissenschafter darüber einig, dass die Zellen jedes Organs kontinuierlich ein Signalmolekül abgeben, das ab einer bestimmten Konzentration die Zellteilung unterbindet. Ist ja auch naheliegend.

Nur: Die entsprechenden Moleküle und Mechanismen sind bis heute nicht identifiziert. Doch laut einer Studie, die kürzlich in der Zeitschrift Cell erschien, werfen neue Ergebnisse ein bisschen Licht auf das Geheimnis.

Nilpferde und Warzen

Zentral für die Regulation des Organwachstums ist demnach die Hippo-Signalkaskade, die in den letzten paar Jahren bei Drosophila intensiv erforscht wurde: Ist in einem Gewebe zuviel des Proteins Yorkie vorhanden, wächst dieses Organ zu einem Vielfachen seiner Größe heran. Während der Entwicklung ist derartiges Wachstum erwünscht, sobald jedoch die normale Größe erreicht ist, wird der Mechanismus ausgeschaltet.

Die Arbeit entschlüsselt praktisch das Mittelstück der Signalkette: Dong et al. beschreiben, wie das wachstumshemmende Signal vom Eintreffen an einem Rezeptor in der Zellmembran über mehrere Stufen zu Yorkie weitergeleitet wird. Das wiederum greift im Zellkern auf noch unbekannte Weise in die Generegulation ein und lässt das Gewebe wachsen. Wenn es nicht daran gehindert wird.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Protein Hippo, nach dem der Signalweg benannt ist. Hippo ist eine Kinase, es hängt eine Phosphatgruppe an ein weiteres Protein namens Warts[1] an und aktiviert es dadurch. Warts wiederum hängt eine Phosphatgruppe an Yorkie, das dadurch nicht mehr in den Zellkern gelangen kann.

Der Weckruf für Hippo kommt anscheinend von dem Membranrezeptor Fat. An den dockt außerhalb der Zelle vermutlich der noch unidentifizierte Signalstoff an, der Nachricht von der Organgröße überbringt. Zwei weiteren Proteine, die an der Verbindung zu benachbarten Zellen beteiligt sind mischen laut Dong und seinen Mitarbeitern ebenfalls mit.

Ansatzpunkt für neuartige Krebstherapien?

Es gibt deutliche Hinweise, dass der Mechanismus bei Säugetieren, und mithin bei Menschen genauso funktioniert: Das Säugetier-Analog zu Yorkie heißt Yap, und wenn in der Leber von Mäusen zu viel Yap vorhanden ist… Könnt ihr euch ja jetzt denken, nicht wahr?

Allerdings zeigte sich an den Organen der Mäuse noch ein weiterer Effekt: Tumore. Auch in menschlichen Krebszellen fanden sich erhöhte Level an Yap-Protein. Die Wissenschaftler folgern messerscharf: Vielleicht hängt ja das Wachstum von Tumoren mit Yap zusammen. Das wäre allerdings eine ziemlich gute Nachricht. Mit einem Hemmstoff für Yap könnte man das Wachstum von Krebsgeschwüren verlangsamen. Damit ließe sich nicht nur das Leben der Betroffenen verlängern, sondern auch das Zeitfenster für die Therapie schnellwachsender Krebsarten wie dem Glioblastom verlängern.

Was Yap tatsächlich mit Krebs zu tun hat, müssen allerdings erst noch weitere Forschungen zeigen. Dagegen nähert sich das hartnäckige Rätsel um das Organwachstum und seine Grenzen langsam einer Lösung.

 

 

[1] Ja, Proteine haben manchmal sehr merkwürdige Namen…

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