Bloggewitter: Bologna krankt an der Umsetzung

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Dies ist ein Gastbeitrag von Paula Schramm.

Meine erste Begegnung mit dem Bologna-Prozess hatte ich im dritten Semester, damals wurden erste  Konzepte zu einem Bachelorstudiengang Chemie an unserer Universität bekannt. Da die voraussichtliche Umstellung in ferner Zukunft lag und ich vor hatte vorher mit dem Diplom abgeschlossen zu haben, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber.

2006 wechselte ich als Doktorandin auf die Seite der Lehrenden. Von dieser Warte aus erhielt ich bessere Einblicke in die Reformprozesse meiner Fakultät. Es gab nun schon konkretere Diskussionen zu einem Bachelorstudiengang Chemie. Bemerkenswert war die Weigerung der meisten Professoren am Stoffumfang ihres Faches im Vergleich mit dem Diplomstudiengang etwas zu kürzen. An anderen Fakultäten meiner Universität liefen die Umstellung schneller und im Sommer 2008 unterrichtete ich die ersten Studentinnen und Studenten aus dem Bachelorstudiengang Physik.

Bologna

Das Semester wird mir bis in alle Ewigkeit als das schlimmste Semester in Erinnerung bleiben. Die Studierenden waren missmutig, schlecht vorbereitet und überhaupt in einem Maß überfordert das nicht auf natürliche, statistische Schwankungen zwischen den Semestern zurückzuführen war. Die bisher ungeklärte Situation respektive Masterstudiengangplätzen und dem Industriebedarf an Mitarbeitern mit Bachelorabschlüssen erzeugt in nicht wenigen Studierenden Zukunftsängste. Dass sie zusätzlich auch noch Studiengebühren zahlten, machte ein Kooperation ihrerseits fast undenkbar. Ich schiebe ihnen keine Schuld zu, wie auch. Sie waren die Versuchskaninchen ihrer Fakultät und das Experiment ging schief.

Voll gepresste Stundenpläne und abgabepflichtige Tutorien ermöglichen es selten neben dem Studium zu arbeiten ohne dass selbiges darunter leidet. Nun sind Studiengebühren keine Konsequenz des Bologna-Prozesses, allerdings greifen beide Reformen so ineinander, dass die Exklusivität und Unerreichbarkeit von Universitätsabschlüssen wieder zu nimmt. Diese Entwicklung kann in einer Gesellschaft in der trotz Krise Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften herrscht nicht erwünscht sein. In einer sich als frei und demokratisch verstehenden Gesellschaft kann diese Entwicklung nicht akzeptiert werden.

Um dem immer strafferen Zeitplan des kurzen sechs-semestrigen Bachelorstudiengangs gerecht zu werden weichen "handwerkliche" Veranstaltungen mit individueller Betreuung, fließbandartigen Durchsatzkursen in denen die Anonymität und Austauschbarkeit der Studentinnen und Studenten nicht durchbrochen wird. Wie auch, wenn die Arbeitsbelastung der Institutsangehörigen ebenso steigt. Aber genau das ist falsch. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein Studium beendet steigt mit dem Gefühl nicht austauschbar und nicht egal zu sein. Und ich glaube auch, die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Burnoutsyndrom leiden sinkt je mehr sie menschlichen und persönlichen Umgang mit ihren Studierenden pflegen.

Trotzdem: Gegenbeispiele aus dem In- und Ausland zeigen, dass es anders geht. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass es Studiengänge gibt die, völlig neu konzipiert, die neuen Abschlüsse mit ihre Softskill-Anforderungen umgesetzt haben und den Studierenden trotzdem genug Freiraum lassen sich interessenorientiert zusätzlich zu bilden und zu engagieren. Liegt es also nicht an einem mangelhaften Bologna-Prozess? Was dann ist für die sich häufenden Hochschuldebakel verantwortlich?

Aus meiner Sicht ist die Art und Weise wie an vielen Fakultäten der Bologna-Prozess umgesetzt worden ist vergleichbar mit einem neuen Korsett, mit Rüschen und Pailetten besetzt. Es ist schön und soll die alten universitären Strukturen in neuem Glanz erstrahlen lassen, aber auch das Korsett ändert nichts an den grundlegenden Strukturschwächen, dem dicken Bauch sozusagen, der deutschen universitären Bildung. Es schnürt lediglich den Studierenden die Luft ab. Es scheint mir als ist die Trägheit an deutschen Universitäten kurz vor knapp in Panik und überstürzten Aktionismus umgeschlagen.

Ich möchte hier nicht prinzipielle Kritik am Bologna-Prozess üben. Die Ziele die ihm zugrunde liegen und die Methoden die vorgeschlagen sind nicht in sich mangelhaft. Es krankt an der Umsetzung. Aber auch die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse muss kein Fehler sein.

Insgesamt bringen die Reformen viele Chancen mit sich. Das die Studentinnen und Studenten zusammen mit Mitarbeitern von Bildungseinrichtungen und Schülerinnen und Schülern diese Woche auf die Straße gehen um eine Bildung im Sinne der Menschen und nicht des Profits zu fordern und gegen Studiengebühren, ist das vielleicht endlich das Signal, dass die deutsche Hochschullandschaft braucht um die notwendigen Reformen und Umstrukturierungen in die Wege zu leiten. Restrukturierung von Studiengängen können den Fokus weg von Fakten hin zu Fähigkeiten verschieben.

Ebenso ist eine stärkere Fokussierung des universitären Betriebs auf die Bedürfnisse von Lehre und Studierenden möglich, was aber nicht identisch ist mit den Bedürfnissen der Industrie an ihre zukünftigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Restrukturierungen bieten die Möglichkeit innerfakultäre Querelen auszuräumen und wirklich effektive transparente Bildungskonzepte zu erarbeiten. Und letztendlich ist so die Möglichkeit gegeben für eine tatsächliche nationale und europäische Mobilität von Studentinnen und Studenten zu sorgen.

Paula Schramm ist Chemikerin und bloggt in Dr Emmas Chemielabor.

Ergänzend zum Gastbeitrag von Paula Schramm noch ein Verweis auf den Uni-Blog zu drei älteren Beiträgen aus studentischer Sicht.
Jochen Gengenbach hat schwer an der "Hochschul-Bolognese" zu verdauen.
Sven Gerst befürchtet eine neuartige "Dummheit" der Studierenden und meint damit eine Einseitigkeit, weil keine Zeit mehr fürs Ehrenamt und "den Blick übern Tellerrand" bleibt.
Frank Feil macht sich über eine eventuelle akademische Zweiklassengesellschaft Gedanken, die sich in "Nieten" und "Auserwählte" aufteilen könnte.

1 Kommentar

  1. Für mich eine interessante Klarstellung zum Bologna-Prozesses. Leider werden die Regeln der Zeichensetzung nicht besonders gut beherrscht. Schade, das macht den Text nicht flüssig lesbar, wie auch Folgendes: Warum haben Sie das Bedürfnis, dem geneigten Lesers bei jeder denkbaren Gelegenheiten zu bestätigen, dass Sie in der Zwischenzeit die bekannte Zweigeschlechtlichkeit des Menschen nicht vergessen haben? Wer die Wirklichkeit an heutigen Universitäten im Blick hat – und Sie doch auch -, weiß sehr wohl, dass dort auch Studententinnen unterwegs sind, deren Berücksichtigung mit “den Studenten” hinlänglich Rechnung getragen wird. Bitte verwechseln Sie nicht das grammtische Geschlecht mit dem biologischen Geschlecht. Sie haben wirklich nichts gemeinsam.

    Mit freundlichen Grüßen
    Klaus Hindorf

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